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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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aus dem gereinigten Wasser, das mühsam dreimal filtrirt und vorsichtig für
unser Mittagsmahl versteckt war, oder sie spielten uns sonst einen schlimmen
Streich mit unserm kostbaren Proviant.

So verging der Tag in Usus sehr rasch und wir backten gar nicht, daß
es schon so spät sein könne, als Consul Gerhardt das Abbrechen des Zeltes und
das Aufladen der Kameele anordnete. Um diese Zeit erschien ein großer abessi-
nischer Krieger mit Schild und Speer, der uns Briefe und gute Nachrichten
Von den nach Keren gezogenen Jägern brachte.

Der bunte Zug setzte sich wieder in Bewegung. Eine der Damen, welche
von der gestrigen Anstrengung sehr ermüdet war, wurde nun von vier und
vier Schohos. welche abwechselten, in einer Hängematte unserm Zug voran¬
getragen. Diese Schohos sind wildaussehende Gestalten mit struppigen, schwarzen
Haaren, die auf dem Scheitel und an den Schläfen getraust und borstig von
dem Kopfe abstehen, während rückwärts lange Locken auf den Nacken fallen.
Auch ihr Gesichtsausdruck ist meist ein sehr finstrer, und sie gehören einem un-
gebändigten Kriegerstamme an, der in den Gebirgen zwischen Tigre und dem
Lande der Habab ein Nomadenleben führt und von den friedlichem Nachbarn
oft gefürchtet wird. Nichtsdestoweniger sind es sehr brauchbare Leute, die für
gute Bezahlung auch schwere Arbeit mit ihren muskulösen Gliedern zu thun
geneigt sind, und die man deshalb bei Ausflügen in die Berge gern bei sich
hat. Sie hielten sich meist gesondert und verkehrten wenig mit unsern übrigen
Schwarzen; waren aber immer zur Hand, wenn es galt, das Gepäck aufzu¬
laden. Der Neffe des Naibs von Arkiko, Yehya. schloß sich uns auch heut
wieder an, er ritt gern zur Seite der Damen. Die schneeweiße Kleidung und
der schöngeschlungene Turban hoben die Bronzefarbe seiner edlen Züge, wir
aber freuten uns über das artige und ritterliche Wesen des wilden Häuptlings.
Bald schlängelte sich der Zug mit Pferden, Maulthieren und Kameelen durch
schöne grüne Haine und auf grünen Wiese" am Saume der Hügel entlang.
Schon am Nachmittag hatten wir in der Ferne einen Hochzeitszug bemerkt, der
sich mit greller Musik und kleinen Trommeln, geleitet von lustigen Reitern aus
herrlichen Pferden von dem Dorfe Usus nach einem andern Dorfe hinüber
bewegte. Einzelne dieser Reiter hatten unser Lager in weiten Bogensätzen um¬
kreist, als ob sie sehen wollten, welcher Art die Fremden waren, welche wagten,
in ihre stille Wildniß zu dringen. Und einer von den Reitern hatte mich so¬
gar im Walde überrascht, wohin ich gegangen war, um dem eigenthümlich
melancholischen Ton einer wilden Taube zu lauschen. Der wilde Reiter parirte
sein schnaubendes Roß. als er mich erblickte. Wir sahen uns eine Weile er¬
staunt an, und mir war dabei nicht ganz heimlich zu Muthe. Ich mußte ihm
aber keinen so kriegerischen Eindruck machen, wie er mir; denn nach wenig
Secunden grüßte er und sauste davon. Ich aber kehrte eiligen Schrittes zu


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aus dem gereinigten Wasser, das mühsam dreimal filtrirt und vorsichtig für
unser Mittagsmahl versteckt war, oder sie spielten uns sonst einen schlimmen
Streich mit unserm kostbaren Proviant.

So verging der Tag in Usus sehr rasch und wir backten gar nicht, daß
es schon so spät sein könne, als Consul Gerhardt das Abbrechen des Zeltes und
das Aufladen der Kameele anordnete. Um diese Zeit erschien ein großer abessi-
nischer Krieger mit Schild und Speer, der uns Briefe und gute Nachrichten
Von den nach Keren gezogenen Jägern brachte.

Der bunte Zug setzte sich wieder in Bewegung. Eine der Damen, welche
von der gestrigen Anstrengung sehr ermüdet war, wurde nun von vier und
vier Schohos. welche abwechselten, in einer Hängematte unserm Zug voran¬
getragen. Diese Schohos sind wildaussehende Gestalten mit struppigen, schwarzen
Haaren, die auf dem Scheitel und an den Schläfen getraust und borstig von
dem Kopfe abstehen, während rückwärts lange Locken auf den Nacken fallen.
Auch ihr Gesichtsausdruck ist meist ein sehr finstrer, und sie gehören einem un-
gebändigten Kriegerstamme an, der in den Gebirgen zwischen Tigre und dem
Lande der Habab ein Nomadenleben führt und von den friedlichem Nachbarn
oft gefürchtet wird. Nichtsdestoweniger sind es sehr brauchbare Leute, die für
gute Bezahlung auch schwere Arbeit mit ihren muskulösen Gliedern zu thun
geneigt sind, und die man deshalb bei Ausflügen in die Berge gern bei sich
hat. Sie hielten sich meist gesondert und verkehrten wenig mit unsern übrigen
Schwarzen; waren aber immer zur Hand, wenn es galt, das Gepäck aufzu¬
laden. Der Neffe des Naibs von Arkiko, Yehya. schloß sich uns auch heut
wieder an, er ritt gern zur Seite der Damen. Die schneeweiße Kleidung und
der schöngeschlungene Turban hoben die Bronzefarbe seiner edlen Züge, wir
aber freuten uns über das artige und ritterliche Wesen des wilden Häuptlings.
Bald schlängelte sich der Zug mit Pferden, Maulthieren und Kameelen durch
schöne grüne Haine und auf grünen Wiese» am Saume der Hügel entlang.
Schon am Nachmittag hatten wir in der Ferne einen Hochzeitszug bemerkt, der
sich mit greller Musik und kleinen Trommeln, geleitet von lustigen Reitern aus
herrlichen Pferden von dem Dorfe Usus nach einem andern Dorfe hinüber
bewegte. Einzelne dieser Reiter hatten unser Lager in weiten Bogensätzen um¬
kreist, als ob sie sehen wollten, welcher Art die Fremden waren, welche wagten,
in ihre stille Wildniß zu dringen. Und einer von den Reitern hatte mich so¬
gar im Walde überrascht, wohin ich gegangen war, um dem eigenthümlich
melancholischen Ton einer wilden Taube zu lauschen. Der wilde Reiter parirte
sein schnaubendes Roß. als er mich erblickte. Wir sahen uns eine Weile er¬
staunt an, und mir war dabei nicht ganz heimlich zu Muthe. Ich mußte ihm
aber keinen so kriegerischen Eindruck machen, wie er mir; denn nach wenig
Secunden grüßte er und sauste davon. Ich aber kehrte eiligen Schrittes zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/265>, abgerufen am 04.07.2024.