Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ohne das Nebelgrau der Heimath wie unvermittelt neben einander stehn, und
doch Bilder von wundervoller Schönheit geben, werden immer mächtiger, je
länger man weilt, und umgeben das Leben des Tages mit einer Poesie, die
mährchenhaft und fast bewältigend ist. Und in diesem Zauberlichte glänzt eine
fremde Erdenwelt, denn Menschen, Thiere, Pflanzenformen, jeder Gegenstand,
der an den Reisenden herantritt, trägt dazu bei, die Stimmung, welche die
Landschaft hervorruft, zu erhöhen. Ungeachtet der Unsicherheit, welche der
Europäer in dieser Wildniß empfindet, ist die Grundstimmung, welche dieses
tropische Leben verleiht, doch eine erhebende Ruhe. Alles sieht großartiger und
einfacher aus und ohne Mühe kann man sich hier um Jahrtausende zurück¬
denken, in denen dasselbe Hirten- und Wanderleben war, dasselbe Geschrei der
Thiere, dieselben Pflanzen an derselben Stelle, dasselbe Leuchten der Farben,
ebenso der Sand mit den Steintrümmern und dem weißen Gebein der ge¬
fallenen Thiere. Der Mensch vermag in der großartigen Beständigkeit dieser
Welt nur wenig.

Dies Leben unter Sonnenstrahlen, in fremdartiger Landschaft, war aber
auch nicht ohne Abwechslung. Zunächst fehlte es nicht an Besuchen. Der
Pascha kam von Massaua hergeritten, brachte mir Blumen und süßen Kuchen
vom Beiramfest. Ich bot ihm schwarzen Kaffee und ersuchte ihn seine Pfeife
zu rauchen, was er sehr gern that. Die Offiziere des "Odin" und der "Vic¬
toria" kamen; am ersten Sonntag Nachmittag hielt der Schiffsgeistliche uns im
Freien Gottesdienst. Dann besuchte uns der Naturforscher Herr Schimper aus
Mannheim, der seit langen Jahren in Abessinien lebt, und aus seinem Wohn¬
sitze Atopa hierher reiste, um uns seine guten Dienste anzubieten. Der freund¬
liche alte Herr konnte trotz Turban und Kaftan die herzige, echt badische Art
und Sprechweise nicht verläugnen, ich mußte ihm viel von der Heimath er¬
zählen. Auch die katholischen Missionäre, Padre Gabriele und Delmonte, welche
ganz nahe bei uns wohnen und in Massaua die erste christliche Kirche bauen,
suchten mich auf und erwiesen sich artig und gefällig. Daneben fehlt es nicht
an wilden Gästen. Die Eingebornen lausen ab und zu, stellen sich gutmüthig
und willig an, besonders um ein kleines Bakschisch. Wieder einmal kam ein
großer Haufe Kinder aus dem Dorfe und bettelte um Glasperlen. Ein ganz
kleiner schwarzer Bube sprang mir zutraulich auf das Knie und ich habe meine
Freude an diesen schönen Mustcrkindcrn, die wie Prachtstatuen aus Bronze
aussehen.

Am 17. April versammelte sich die kleine Schaar der Bewohner M'Kultus
um zehn Uhr Abends zu einem mehrtägigen Ausflug in das Gebirge. Wegen
der großen Sonnenhitze hatte man uns sehr abgerathen, den langen, wohl
zwölfstündigen Ritt am Tage zu unternehmen, und da wir Vollmond hatten,
hofften wir auf sein menschenfreundliches Licht, uns diesen anstrengenden Marsch


ohne das Nebelgrau der Heimath wie unvermittelt neben einander stehn, und
doch Bilder von wundervoller Schönheit geben, werden immer mächtiger, je
länger man weilt, und umgeben das Leben des Tages mit einer Poesie, die
mährchenhaft und fast bewältigend ist. Und in diesem Zauberlichte glänzt eine
fremde Erdenwelt, denn Menschen, Thiere, Pflanzenformen, jeder Gegenstand,
der an den Reisenden herantritt, trägt dazu bei, die Stimmung, welche die
Landschaft hervorruft, zu erhöhen. Ungeachtet der Unsicherheit, welche der
Europäer in dieser Wildniß empfindet, ist die Grundstimmung, welche dieses
tropische Leben verleiht, doch eine erhebende Ruhe. Alles sieht großartiger und
einfacher aus und ohne Mühe kann man sich hier um Jahrtausende zurück¬
denken, in denen dasselbe Hirten- und Wanderleben war, dasselbe Geschrei der
Thiere, dieselben Pflanzen an derselben Stelle, dasselbe Leuchten der Farben,
ebenso der Sand mit den Steintrümmern und dem weißen Gebein der ge¬
fallenen Thiere. Der Mensch vermag in der großartigen Beständigkeit dieser
Welt nur wenig.

Dies Leben unter Sonnenstrahlen, in fremdartiger Landschaft, war aber
auch nicht ohne Abwechslung. Zunächst fehlte es nicht an Besuchen. Der
Pascha kam von Massaua hergeritten, brachte mir Blumen und süßen Kuchen
vom Beiramfest. Ich bot ihm schwarzen Kaffee und ersuchte ihn seine Pfeife
zu rauchen, was er sehr gern that. Die Offiziere des „Odin" und der „Vic¬
toria" kamen; am ersten Sonntag Nachmittag hielt der Schiffsgeistliche uns im
Freien Gottesdienst. Dann besuchte uns der Naturforscher Herr Schimper aus
Mannheim, der seit langen Jahren in Abessinien lebt, und aus seinem Wohn¬
sitze Atopa hierher reiste, um uns seine guten Dienste anzubieten. Der freund¬
liche alte Herr konnte trotz Turban und Kaftan die herzige, echt badische Art
und Sprechweise nicht verläugnen, ich mußte ihm viel von der Heimath er¬
zählen. Auch die katholischen Missionäre, Padre Gabriele und Delmonte, welche
ganz nahe bei uns wohnen und in Massaua die erste christliche Kirche bauen,
suchten mich auf und erwiesen sich artig und gefällig. Daneben fehlt es nicht
an wilden Gästen. Die Eingebornen lausen ab und zu, stellen sich gutmüthig
und willig an, besonders um ein kleines Bakschisch. Wieder einmal kam ein
großer Haufe Kinder aus dem Dorfe und bettelte um Glasperlen. Ein ganz
kleiner schwarzer Bube sprang mir zutraulich auf das Knie und ich habe meine
Freude an diesen schönen Mustcrkindcrn, die wie Prachtstatuen aus Bronze
aussehen.

Am 17. April versammelte sich die kleine Schaar der Bewohner M'Kultus
um zehn Uhr Abends zu einem mehrtägigen Ausflug in das Gebirge. Wegen
der großen Sonnenhitze hatte man uns sehr abgerathen, den langen, wohl
zwölfstündigen Ritt am Tage zu unternehmen, und da wir Vollmond hatten,
hofften wir auf sein menschenfreundliches Licht, uns diesen anstrengenden Marsch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116726"/>
          <p xml:id="ID_777" prev="#ID_776"> ohne das Nebelgrau der Heimath wie unvermittelt neben einander stehn, und<lb/>
doch Bilder von wundervoller Schönheit geben, werden immer mächtiger, je<lb/>
länger man weilt, und umgeben das Leben des Tages mit einer Poesie, die<lb/>
mährchenhaft und fast bewältigend ist. Und in diesem Zauberlichte glänzt eine<lb/>
fremde Erdenwelt, denn Menschen, Thiere, Pflanzenformen, jeder Gegenstand,<lb/>
der an den Reisenden herantritt, trägt dazu bei, die Stimmung, welche die<lb/>
Landschaft hervorruft, zu erhöhen. Ungeachtet der Unsicherheit, welche der<lb/>
Europäer in dieser Wildniß empfindet, ist die Grundstimmung, welche dieses<lb/>
tropische Leben verleiht, doch eine erhebende Ruhe. Alles sieht großartiger und<lb/>
einfacher aus und ohne Mühe kann man sich hier um Jahrtausende zurück¬<lb/>
denken, in denen dasselbe Hirten- und Wanderleben war, dasselbe Geschrei der<lb/>
Thiere, dieselben Pflanzen an derselben Stelle, dasselbe Leuchten der Farben,<lb/>
ebenso der Sand mit den Steintrümmern und dem weißen Gebein der ge¬<lb/>
fallenen Thiere. Der Mensch vermag in der großartigen Beständigkeit dieser<lb/>
Welt nur wenig.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_778"> Dies Leben unter Sonnenstrahlen, in fremdartiger Landschaft, war aber<lb/>
auch nicht ohne Abwechslung. Zunächst fehlte es nicht an Besuchen. Der<lb/>
Pascha kam von Massaua hergeritten, brachte mir Blumen und süßen Kuchen<lb/>
vom Beiramfest. Ich bot ihm schwarzen Kaffee und ersuchte ihn seine Pfeife<lb/>
zu rauchen, was er sehr gern that. Die Offiziere des &#x201E;Odin" und der &#x201E;Vic¬<lb/>
toria" kamen; am ersten Sonntag Nachmittag hielt der Schiffsgeistliche uns im<lb/>
Freien Gottesdienst. Dann besuchte uns der Naturforscher Herr Schimper aus<lb/>
Mannheim, der seit langen Jahren in Abessinien lebt, und aus seinem Wohn¬<lb/>
sitze Atopa hierher reiste, um uns seine guten Dienste anzubieten. Der freund¬<lb/>
liche alte Herr konnte trotz Turban und Kaftan die herzige, echt badische Art<lb/>
und Sprechweise nicht verläugnen, ich mußte ihm viel von der Heimath er¬<lb/>
zählen. Auch die katholischen Missionäre, Padre Gabriele und Delmonte, welche<lb/>
ganz nahe bei uns wohnen und in Massaua die erste christliche Kirche bauen,<lb/>
suchten mich auf und erwiesen sich artig und gefällig. Daneben fehlt es nicht<lb/>
an wilden Gästen. Die Eingebornen lausen ab und zu, stellen sich gutmüthig<lb/>
und willig an, besonders um ein kleines Bakschisch. Wieder einmal kam ein<lb/>
großer Haufe Kinder aus dem Dorfe und bettelte um Glasperlen. Ein ganz<lb/>
kleiner schwarzer Bube sprang mir zutraulich auf das Knie und ich habe meine<lb/>
Freude an diesen schönen Mustcrkindcrn, die wie Prachtstatuen aus Bronze<lb/>
aussehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_779" next="#ID_780"> Am 17. April versammelte sich die kleine Schaar der Bewohner M'Kultus<lb/>
um zehn Uhr Abends zu einem mehrtägigen Ausflug in das Gebirge. Wegen<lb/>
der großen Sonnenhitze hatte man uns sehr abgerathen, den langen, wohl<lb/>
zwölfstündigen Ritt am Tage zu unternehmen, und da wir Vollmond hatten,<lb/>
hofften wir auf sein menschenfreundliches Licht, uns diesen anstrengenden Marsch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0260] ohne das Nebelgrau der Heimath wie unvermittelt neben einander stehn, und doch Bilder von wundervoller Schönheit geben, werden immer mächtiger, je länger man weilt, und umgeben das Leben des Tages mit einer Poesie, die mährchenhaft und fast bewältigend ist. Und in diesem Zauberlichte glänzt eine fremde Erdenwelt, denn Menschen, Thiere, Pflanzenformen, jeder Gegenstand, der an den Reisenden herantritt, trägt dazu bei, die Stimmung, welche die Landschaft hervorruft, zu erhöhen. Ungeachtet der Unsicherheit, welche der Europäer in dieser Wildniß empfindet, ist die Grundstimmung, welche dieses tropische Leben verleiht, doch eine erhebende Ruhe. Alles sieht großartiger und einfacher aus und ohne Mühe kann man sich hier um Jahrtausende zurück¬ denken, in denen dasselbe Hirten- und Wanderleben war, dasselbe Geschrei der Thiere, dieselben Pflanzen an derselben Stelle, dasselbe Leuchten der Farben, ebenso der Sand mit den Steintrümmern und dem weißen Gebein der ge¬ fallenen Thiere. Der Mensch vermag in der großartigen Beständigkeit dieser Welt nur wenig. Dies Leben unter Sonnenstrahlen, in fremdartiger Landschaft, war aber auch nicht ohne Abwechslung. Zunächst fehlte es nicht an Besuchen. Der Pascha kam von Massaua hergeritten, brachte mir Blumen und süßen Kuchen vom Beiramfest. Ich bot ihm schwarzen Kaffee und ersuchte ihn seine Pfeife zu rauchen, was er sehr gern that. Die Offiziere des „Odin" und der „Vic¬ toria" kamen; am ersten Sonntag Nachmittag hielt der Schiffsgeistliche uns im Freien Gottesdienst. Dann besuchte uns der Naturforscher Herr Schimper aus Mannheim, der seit langen Jahren in Abessinien lebt, und aus seinem Wohn¬ sitze Atopa hierher reiste, um uns seine guten Dienste anzubieten. Der freund¬ liche alte Herr konnte trotz Turban und Kaftan die herzige, echt badische Art und Sprechweise nicht verläugnen, ich mußte ihm viel von der Heimath er¬ zählen. Auch die katholischen Missionäre, Padre Gabriele und Delmonte, welche ganz nahe bei uns wohnen und in Massaua die erste christliche Kirche bauen, suchten mich auf und erwiesen sich artig und gefällig. Daneben fehlt es nicht an wilden Gästen. Die Eingebornen lausen ab und zu, stellen sich gutmüthig und willig an, besonders um ein kleines Bakschisch. Wieder einmal kam ein großer Haufe Kinder aus dem Dorfe und bettelte um Glasperlen. Ein ganz kleiner schwarzer Bube sprang mir zutraulich auf das Knie und ich habe meine Freude an diesen schönen Mustcrkindcrn, die wie Prachtstatuen aus Bronze aussehen. Am 17. April versammelte sich die kleine Schaar der Bewohner M'Kultus um zehn Uhr Abends zu einem mehrtägigen Ausflug in das Gebirge. Wegen der großen Sonnenhitze hatte man uns sehr abgerathen, den langen, wohl zwölfstündigen Ritt am Tage zu unternehmen, und da wir Vollmond hatten, hofften wir auf sein menschenfreundliches Licht, uns diesen anstrengenden Marsch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/260
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/260>, abgerufen am 24.07.2024.