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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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zu erleichtern. Wir hatten uns Alle verabredet um acht Uhr Abends aufzubrechen ;
da wir aber nicht ohne unsere Packkameele wegzureiten für rathsam hielten,
und der Araber und Abessinier sehr ungenügende Begriffe von einer bestimm¬
ten Tageszeit oder Stunde, oder von dem kostbaren Werth der Zeit hat, sich
auch durch kein Drängen oder Zureden in seiner gemächlichen Ruhe stören läßt,
so war die für Ankunft der Kameele bestimmte Stunde längst vorüber und
die Sonne untergegangen, bevor die Kameele mit ihren Treibern im gelassen¬
sten Schritt unsere Umzäunung betraten.

Die Arbeit des Aufladens, die jetzt beim Schein einiger Laternen verrich¬
tet wurde und wobei die Leute emsig plauderten und sich viel zankten, wollte
wieder kein Ende nehmen. Endlich war die Karawane soweit fertig, daß das
Zeichen zum Aufbruch gegeben wurde, und der lange Zug setzte sich in Be¬
wegung. Der Mond selbst schien sich mit unsern Kameeltreibern gegen uns
verschworen zu haben; statt unser Vertrauen zu rechtfertigen und uns mit seiner
vollen Kugel freundlich zu leuchten, hüllte er sich in Wolken und wir mußten
uns mit spärlichem Laternenlicht begnügen. Wir hatten eine Eskorte des Pa¬
schas von Massaua bei uns, die uns als Sicherheitswache dienen sollte; die
aber selbst aus fünf so unordentlich und räuberisch aussehenden Subjecten be¬
stand, daß wir sie lieber zurückgeschickt hätten, wäre dies nicht eine Beleidigung
für den Pascha gewesen. Von einem "Weg" war, wie überall dort, keine
Rede. Er ist, wo das Pferd oder Maulthier sich ihn aussucht; nur zwischen
nahen Dörfern findet man einzelne Fußpfade. Um uns aber war allenthalben
Sand, auf welchem die Mimosensträucher, das weißliche Kameelkraut und die
großen, breiten, giftigen Euphorbienbüsche vereinzelt wuchsen; dazwischen lagen
große Steinblöcke. Aber das schere Maulthier weiß sich in diesem wüsten
Chaos von Hindernissen mit Geschick hindurchzuwinden. Wir ritten meist
Eines hinter dem Andern, da die Maulthiere auf diese Art am besten gehen;
vor uns her schritten singend und schreiend die fünf Albanesen der Eskorte mit
einem Mohren, welcher der Hanswurst dieser Bande zu sein schien. Neben,
hinter und vor uns gingen unter beständigem Streiten und Zanken die Maul¬
thiertreiber und mehre Eingeborne, die sich unserm Zuge zum Theil freiwillig
angeschlossen hatten. Mein kleiner Freund Ali ging mir nicht von der Seite
und hielt bald die Laterne, bald meinen Schirm derart vor die Augen meines
Maulthieres, daß es scheuen mußte, so daß auch ich zu zanken und zu wehren
hatte. Es mochte wohl Mitternacht sein, als der Mond sich uns endlich zeigte;
die Laternen wurden ausgelöscht; aber zu unserm Mißvergnügen bemerkten wir,
das wir eine falsche Richtung eingeschlagen hatten, und von unsern Packkameelen
abgekommen waren. Ein einziger Eingeborener behauptete, den richtigen Weg
zu kennen; die Eskorte wollte es aber besser wissen. Es wurde ein langer
Rath gehalten, aus dem Keiner von uns klug werden konnte. Endlich legte


zu erleichtern. Wir hatten uns Alle verabredet um acht Uhr Abends aufzubrechen ;
da wir aber nicht ohne unsere Packkameele wegzureiten für rathsam hielten,
und der Araber und Abessinier sehr ungenügende Begriffe von einer bestimm¬
ten Tageszeit oder Stunde, oder von dem kostbaren Werth der Zeit hat, sich
auch durch kein Drängen oder Zureden in seiner gemächlichen Ruhe stören läßt,
so war die für Ankunft der Kameele bestimmte Stunde längst vorüber und
die Sonne untergegangen, bevor die Kameele mit ihren Treibern im gelassen¬
sten Schritt unsere Umzäunung betraten.

Die Arbeit des Aufladens, die jetzt beim Schein einiger Laternen verrich¬
tet wurde und wobei die Leute emsig plauderten und sich viel zankten, wollte
wieder kein Ende nehmen. Endlich war die Karawane soweit fertig, daß das
Zeichen zum Aufbruch gegeben wurde, und der lange Zug setzte sich in Be¬
wegung. Der Mond selbst schien sich mit unsern Kameeltreibern gegen uns
verschworen zu haben; statt unser Vertrauen zu rechtfertigen und uns mit seiner
vollen Kugel freundlich zu leuchten, hüllte er sich in Wolken und wir mußten
uns mit spärlichem Laternenlicht begnügen. Wir hatten eine Eskorte des Pa¬
schas von Massaua bei uns, die uns als Sicherheitswache dienen sollte; die
aber selbst aus fünf so unordentlich und räuberisch aussehenden Subjecten be¬
stand, daß wir sie lieber zurückgeschickt hätten, wäre dies nicht eine Beleidigung
für den Pascha gewesen. Von einem „Weg" war, wie überall dort, keine
Rede. Er ist, wo das Pferd oder Maulthier sich ihn aussucht; nur zwischen
nahen Dörfern findet man einzelne Fußpfade. Um uns aber war allenthalben
Sand, auf welchem die Mimosensträucher, das weißliche Kameelkraut und die
großen, breiten, giftigen Euphorbienbüsche vereinzelt wuchsen; dazwischen lagen
große Steinblöcke. Aber das schere Maulthier weiß sich in diesem wüsten
Chaos von Hindernissen mit Geschick hindurchzuwinden. Wir ritten meist
Eines hinter dem Andern, da die Maulthiere auf diese Art am besten gehen;
vor uns her schritten singend und schreiend die fünf Albanesen der Eskorte mit
einem Mohren, welcher der Hanswurst dieser Bande zu sein schien. Neben,
hinter und vor uns gingen unter beständigem Streiten und Zanken die Maul¬
thiertreiber und mehre Eingeborne, die sich unserm Zuge zum Theil freiwillig
angeschlossen hatten. Mein kleiner Freund Ali ging mir nicht von der Seite
und hielt bald die Laterne, bald meinen Schirm derart vor die Augen meines
Maulthieres, daß es scheuen mußte, so daß auch ich zu zanken und zu wehren
hatte. Es mochte wohl Mitternacht sein, als der Mond sich uns endlich zeigte;
die Laternen wurden ausgelöscht; aber zu unserm Mißvergnügen bemerkten wir,
das wir eine falsche Richtung eingeschlagen hatten, und von unsern Packkameelen
abgekommen waren. Ein einziger Eingeborener behauptete, den richtigen Weg
zu kennen; die Eskorte wollte es aber besser wissen. Es wurde ein langer
Rath gehalten, aus dem Keiner von uns klug werden konnte. Endlich legte


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[0261] zu erleichtern. Wir hatten uns Alle verabredet um acht Uhr Abends aufzubrechen ; da wir aber nicht ohne unsere Packkameele wegzureiten für rathsam hielten, und der Araber und Abessinier sehr ungenügende Begriffe von einer bestimm¬ ten Tageszeit oder Stunde, oder von dem kostbaren Werth der Zeit hat, sich auch durch kein Drängen oder Zureden in seiner gemächlichen Ruhe stören läßt, so war die für Ankunft der Kameele bestimmte Stunde längst vorüber und die Sonne untergegangen, bevor die Kameele mit ihren Treibern im gelassen¬ sten Schritt unsere Umzäunung betraten. Die Arbeit des Aufladens, die jetzt beim Schein einiger Laternen verrich¬ tet wurde und wobei die Leute emsig plauderten und sich viel zankten, wollte wieder kein Ende nehmen. Endlich war die Karawane soweit fertig, daß das Zeichen zum Aufbruch gegeben wurde, und der lange Zug setzte sich in Be¬ wegung. Der Mond selbst schien sich mit unsern Kameeltreibern gegen uns verschworen zu haben; statt unser Vertrauen zu rechtfertigen und uns mit seiner vollen Kugel freundlich zu leuchten, hüllte er sich in Wolken und wir mußten uns mit spärlichem Laternenlicht begnügen. Wir hatten eine Eskorte des Pa¬ schas von Massaua bei uns, die uns als Sicherheitswache dienen sollte; die aber selbst aus fünf so unordentlich und räuberisch aussehenden Subjecten be¬ stand, daß wir sie lieber zurückgeschickt hätten, wäre dies nicht eine Beleidigung für den Pascha gewesen. Von einem „Weg" war, wie überall dort, keine Rede. Er ist, wo das Pferd oder Maulthier sich ihn aussucht; nur zwischen nahen Dörfern findet man einzelne Fußpfade. Um uns aber war allenthalben Sand, auf welchem die Mimosensträucher, das weißliche Kameelkraut und die großen, breiten, giftigen Euphorbienbüsche vereinzelt wuchsen; dazwischen lagen große Steinblöcke. Aber das schere Maulthier weiß sich in diesem wüsten Chaos von Hindernissen mit Geschick hindurchzuwinden. Wir ritten meist Eines hinter dem Andern, da die Maulthiere auf diese Art am besten gehen; vor uns her schritten singend und schreiend die fünf Albanesen der Eskorte mit einem Mohren, welcher der Hanswurst dieser Bande zu sein schien. Neben, hinter und vor uns gingen unter beständigem Streiten und Zanken die Maul¬ thiertreiber und mehre Eingeborne, die sich unserm Zuge zum Theil freiwillig angeschlossen hatten. Mein kleiner Freund Ali ging mir nicht von der Seite und hielt bald die Laterne, bald meinen Schirm derart vor die Augen meines Maulthieres, daß es scheuen mußte, so daß auch ich zu zanken und zu wehren hatte. Es mochte wohl Mitternacht sein, als der Mond sich uns endlich zeigte; die Laternen wurden ausgelöscht; aber zu unserm Mißvergnügen bemerkten wir, das wir eine falsche Richtung eingeschlagen hatten, und von unsern Packkameelen abgekommen waren. Ein einziger Eingeborener behauptete, den richtigen Weg zu kennen; die Eskorte wollte es aber besser wissen. Es wurde ein langer Rath gehalten, aus dem Keiner von uns klug werden konnte. Endlich legte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/261>, abgerufen am 24.07.2024.