Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Mannschaft, die uns große Sicherheit und vielseitigen Vortheil gewährt. Unter
den gutmüthigen Matrosen befinden sich Schreiner, Schuster, Schneider und
Bäcker, die uns in allen Dingen Hülfe leisten.

War schon die erste Nacht nicht erquicklich, so wurden die folgenden wo¬
möglich noch schlimmer, indem der "große Beiram", der Schluß des Ramadans
von den Muhamedanern gefeiert ward. In dieser Nacht hört das Singen.
Tanzen und Sckreien unter der monotonen Begleitung einer dumpfen Trommel
nicht vor Andruck des Tages auf, und die Leute ziehen bei diesem wilden
Lärm von einem Dorf zum andern. Auch uns beehrten sie mit einem Ständ¬
chen, das uns mehr Strecken als Freude brachte.

Durch dieses Getöse schallten immer wieder die Klagelaute der Hyänen,
denen das ununterbrochene kampflustige Bellen der Hunde begegnete; große,
häßliche Fledermäuse flatterten umher; eine Schaar Ratten und Mäuse flüchteten
über Dach und Wände vor einer wilden Katze, die schließlich eine arme Henne
unter dem Angst- und Jammergeschrei ihrer Gefährten raubte. Die singenden
Musquitos schwirrten uns als wahre Quälgeister um die Ohren. In dieser
uns selbst ost lächerlichen Trostlosigkeit fanden wir eine Entschädigung in dem
fleißigen Einsammeln von Spinnen jeglicher Gattung und Größe, von Käfern
in den schillerndsten Farben, und sogar in der öftern Entdeckung von Scor-
pionen innerhalb unserer Wohnungen. Auch kleine Schlangen sind nicht selten
in den Häusern, ebenso Tausendfüße, deren Stich sehr giftig ist. Diese be¬
wahrten wir in Spiritus auf. Die vielen Ameisen und andere kleine Jnsecten
störten uns gar nicht mehr, nachdem wir uns an diese landesübliche Gemein¬
schaft mit der Thierwelt ein wenig gewöhnt hatten. --

Unsere Lebensweise ist ungefähr folgende: Man steht um fünf Uhr auf, badet
und kleidet sich möglichst leicht. Dann wird jede Stube gereinigt, was öfter
in der Woche durch Uebergießen des Bodens mit heißem Wasser geschieht. --

Eine Morgenpromenadc auf die nahe liegenden Hügel, von denen aus
man eine weite, prachtvolle Aussicht nach den ringsumlaufenden Gebirgen und
dem Rothen Meer, nach der malerischen Bucht von Arkiko und der Stadt gleichen
Namens, sowie nach den Inseln Massaua, Schach-Said und Dalhud, genießt,
gewährt Erfrischung und neue Belebung. Man schreitet durch ein breites,
trockenes Flußbett, in dem die schönsten bunten Kiesel liegen; an den Hängen
wachsen saftiggrüne, aber giftige Euphorbienbüsche, dornige Mimosen und reich¬
blätterige, sammetartige Kameeikrautbüschel. Oft huschen die zierlichen Zwerg¬
hirsche und Gazellen mit Blitzesschnelle an dem Auge vorüber, eine flatternde
Kette Frankolinhühner steigt auf, große schwarze Aasgeier horsten zu Dutzenden
auf einer felsigen Höhe, und scheinen die Annäherung des Menschen kaum zu
scheuen; denn sie sind hier gar nützliche Thiere, indem sie mit den Hyänen alles
gefallene Vieh auszehren, und nichts als die sonnengebleichten, schneeweißen


Mannschaft, die uns große Sicherheit und vielseitigen Vortheil gewährt. Unter
den gutmüthigen Matrosen befinden sich Schreiner, Schuster, Schneider und
Bäcker, die uns in allen Dingen Hülfe leisten.

War schon die erste Nacht nicht erquicklich, so wurden die folgenden wo¬
möglich noch schlimmer, indem der „große Beiram", der Schluß des Ramadans
von den Muhamedanern gefeiert ward. In dieser Nacht hört das Singen.
Tanzen und Sckreien unter der monotonen Begleitung einer dumpfen Trommel
nicht vor Andruck des Tages auf, und die Leute ziehen bei diesem wilden
Lärm von einem Dorf zum andern. Auch uns beehrten sie mit einem Ständ¬
chen, das uns mehr Strecken als Freude brachte.

Durch dieses Getöse schallten immer wieder die Klagelaute der Hyänen,
denen das ununterbrochene kampflustige Bellen der Hunde begegnete; große,
häßliche Fledermäuse flatterten umher; eine Schaar Ratten und Mäuse flüchteten
über Dach und Wände vor einer wilden Katze, die schließlich eine arme Henne
unter dem Angst- und Jammergeschrei ihrer Gefährten raubte. Die singenden
Musquitos schwirrten uns als wahre Quälgeister um die Ohren. In dieser
uns selbst ost lächerlichen Trostlosigkeit fanden wir eine Entschädigung in dem
fleißigen Einsammeln von Spinnen jeglicher Gattung und Größe, von Käfern
in den schillerndsten Farben, und sogar in der öftern Entdeckung von Scor-
pionen innerhalb unserer Wohnungen. Auch kleine Schlangen sind nicht selten
in den Häusern, ebenso Tausendfüße, deren Stich sehr giftig ist. Diese be¬
wahrten wir in Spiritus auf. Die vielen Ameisen und andere kleine Jnsecten
störten uns gar nicht mehr, nachdem wir uns an diese landesübliche Gemein¬
schaft mit der Thierwelt ein wenig gewöhnt hatten. —

Unsere Lebensweise ist ungefähr folgende: Man steht um fünf Uhr auf, badet
und kleidet sich möglichst leicht. Dann wird jede Stube gereinigt, was öfter
in der Woche durch Uebergießen des Bodens mit heißem Wasser geschieht. —

Eine Morgenpromenadc auf die nahe liegenden Hügel, von denen aus
man eine weite, prachtvolle Aussicht nach den ringsumlaufenden Gebirgen und
dem Rothen Meer, nach der malerischen Bucht von Arkiko und der Stadt gleichen
Namens, sowie nach den Inseln Massaua, Schach-Said und Dalhud, genießt,
gewährt Erfrischung und neue Belebung. Man schreitet durch ein breites,
trockenes Flußbett, in dem die schönsten bunten Kiesel liegen; an den Hängen
wachsen saftiggrüne, aber giftige Euphorbienbüsche, dornige Mimosen und reich¬
blätterige, sammetartige Kameeikrautbüschel. Oft huschen die zierlichen Zwerg¬
hirsche und Gazellen mit Blitzesschnelle an dem Auge vorüber, eine flatternde
Kette Frankolinhühner steigt auf, große schwarze Aasgeier horsten zu Dutzenden
auf einer felsigen Höhe, und scheinen die Annäherung des Menschen kaum zu
scheuen; denn sie sind hier gar nützliche Thiere, indem sie mit den Hyänen alles
gefallene Vieh auszehren, und nichts als die sonnengebleichten, schneeweißen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116724"/>
          <p xml:id="ID_767" prev="#ID_766"> Mannschaft, die uns große Sicherheit und vielseitigen Vortheil gewährt. Unter<lb/>
den gutmüthigen Matrosen befinden sich Schreiner, Schuster, Schneider und<lb/>
Bäcker, die uns in allen Dingen Hülfe leisten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_768"> War schon die erste Nacht nicht erquicklich, so wurden die folgenden wo¬<lb/>
möglich noch schlimmer, indem der &#x201E;große Beiram", der Schluß des Ramadans<lb/>
von den Muhamedanern gefeiert ward. In dieser Nacht hört das Singen.<lb/>
Tanzen und Sckreien unter der monotonen Begleitung einer dumpfen Trommel<lb/>
nicht vor Andruck des Tages auf, und die Leute ziehen bei diesem wilden<lb/>
Lärm von einem Dorf zum andern. Auch uns beehrten sie mit einem Ständ¬<lb/>
chen, das uns mehr Strecken als Freude brachte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_769"> Durch dieses Getöse schallten immer wieder die Klagelaute der Hyänen,<lb/>
denen das ununterbrochene kampflustige Bellen der Hunde begegnete; große,<lb/>
häßliche Fledermäuse flatterten umher; eine Schaar Ratten und Mäuse flüchteten<lb/>
über Dach und Wände vor einer wilden Katze, die schließlich eine arme Henne<lb/>
unter dem Angst- und Jammergeschrei ihrer Gefährten raubte. Die singenden<lb/>
Musquitos schwirrten uns als wahre Quälgeister um die Ohren. In dieser<lb/>
uns selbst ost lächerlichen Trostlosigkeit fanden wir eine Entschädigung in dem<lb/>
fleißigen Einsammeln von Spinnen jeglicher Gattung und Größe, von Käfern<lb/>
in den schillerndsten Farben, und sogar in der öftern Entdeckung von Scor-<lb/>
pionen innerhalb unserer Wohnungen. Auch kleine Schlangen sind nicht selten<lb/>
in den Häusern, ebenso Tausendfüße, deren Stich sehr giftig ist. Diese be¬<lb/>
wahrten wir in Spiritus auf. Die vielen Ameisen und andere kleine Jnsecten<lb/>
störten uns gar nicht mehr, nachdem wir uns an diese landesübliche Gemein¬<lb/>
schaft mit der Thierwelt ein wenig gewöhnt hatten. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_770"> Unsere Lebensweise ist ungefähr folgende: Man steht um fünf Uhr auf, badet<lb/>
und kleidet sich möglichst leicht. Dann wird jede Stube gereinigt, was öfter<lb/>
in der Woche durch Uebergießen des Bodens mit heißem Wasser geschieht. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_771" next="#ID_772"> Eine Morgenpromenadc auf die nahe liegenden Hügel, von denen aus<lb/>
man eine weite, prachtvolle Aussicht nach den ringsumlaufenden Gebirgen und<lb/>
dem Rothen Meer, nach der malerischen Bucht von Arkiko und der Stadt gleichen<lb/>
Namens, sowie nach den Inseln Massaua, Schach-Said und Dalhud, genießt,<lb/>
gewährt Erfrischung und neue Belebung. Man schreitet durch ein breites,<lb/>
trockenes Flußbett, in dem die schönsten bunten Kiesel liegen; an den Hängen<lb/>
wachsen saftiggrüne, aber giftige Euphorbienbüsche, dornige Mimosen und reich¬<lb/>
blätterige, sammetartige Kameeikrautbüschel. Oft huschen die zierlichen Zwerg¬<lb/>
hirsche und Gazellen mit Blitzesschnelle an dem Auge vorüber, eine flatternde<lb/>
Kette Frankolinhühner steigt auf, große schwarze Aasgeier horsten zu Dutzenden<lb/>
auf einer felsigen Höhe, und scheinen die Annäherung des Menschen kaum zu<lb/>
scheuen; denn sie sind hier gar nützliche Thiere, indem sie mit den Hyänen alles<lb/>
gefallene Vieh auszehren, und nichts als die sonnengebleichten, schneeweißen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0258] Mannschaft, die uns große Sicherheit und vielseitigen Vortheil gewährt. Unter den gutmüthigen Matrosen befinden sich Schreiner, Schuster, Schneider und Bäcker, die uns in allen Dingen Hülfe leisten. War schon die erste Nacht nicht erquicklich, so wurden die folgenden wo¬ möglich noch schlimmer, indem der „große Beiram", der Schluß des Ramadans von den Muhamedanern gefeiert ward. In dieser Nacht hört das Singen. Tanzen und Sckreien unter der monotonen Begleitung einer dumpfen Trommel nicht vor Andruck des Tages auf, und die Leute ziehen bei diesem wilden Lärm von einem Dorf zum andern. Auch uns beehrten sie mit einem Ständ¬ chen, das uns mehr Strecken als Freude brachte. Durch dieses Getöse schallten immer wieder die Klagelaute der Hyänen, denen das ununterbrochene kampflustige Bellen der Hunde begegnete; große, häßliche Fledermäuse flatterten umher; eine Schaar Ratten und Mäuse flüchteten über Dach und Wände vor einer wilden Katze, die schließlich eine arme Henne unter dem Angst- und Jammergeschrei ihrer Gefährten raubte. Die singenden Musquitos schwirrten uns als wahre Quälgeister um die Ohren. In dieser uns selbst ost lächerlichen Trostlosigkeit fanden wir eine Entschädigung in dem fleißigen Einsammeln von Spinnen jeglicher Gattung und Größe, von Käfern in den schillerndsten Farben, und sogar in der öftern Entdeckung von Scor- pionen innerhalb unserer Wohnungen. Auch kleine Schlangen sind nicht selten in den Häusern, ebenso Tausendfüße, deren Stich sehr giftig ist. Diese be¬ wahrten wir in Spiritus auf. Die vielen Ameisen und andere kleine Jnsecten störten uns gar nicht mehr, nachdem wir uns an diese landesübliche Gemein¬ schaft mit der Thierwelt ein wenig gewöhnt hatten. — Unsere Lebensweise ist ungefähr folgende: Man steht um fünf Uhr auf, badet und kleidet sich möglichst leicht. Dann wird jede Stube gereinigt, was öfter in der Woche durch Uebergießen des Bodens mit heißem Wasser geschieht. — Eine Morgenpromenadc auf die nahe liegenden Hügel, von denen aus man eine weite, prachtvolle Aussicht nach den ringsumlaufenden Gebirgen und dem Rothen Meer, nach der malerischen Bucht von Arkiko und der Stadt gleichen Namens, sowie nach den Inseln Massaua, Schach-Said und Dalhud, genießt, gewährt Erfrischung und neue Belebung. Man schreitet durch ein breites, trockenes Flußbett, in dem die schönsten bunten Kiesel liegen; an den Hängen wachsen saftiggrüne, aber giftige Euphorbienbüsche, dornige Mimosen und reich¬ blätterige, sammetartige Kameeikrautbüschel. Oft huschen die zierlichen Zwerg¬ hirsche und Gazellen mit Blitzesschnelle an dem Auge vorüber, eine flatternde Kette Frankolinhühner steigt auf, große schwarze Aasgeier horsten zu Dutzenden auf einer felsigen Höhe, und scheinen die Annäherung des Menschen kaum zu scheuen; denn sie sind hier gar nützliche Thiere, indem sie mit den Hyänen alles gefallene Vieh auszehren, und nichts als die sonnengebleichten, schneeweißen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/258
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/258>, abgerufen am 24.07.2024.