Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sogar das Gefühl der Behaglichkeit giebt. Ich bewohne ein Zimmer mit fünf
großen Fensteröffnungen; eine bewegliche Strohmatte dient als Thür und ein
Holzriegel als Schloß.

Daneben ist die Mittelstube mit dem Eingang ins Freie, darin schläft mein
alter Diener Eisenwiener; ein Theil unserer Vorräthe sowie unser Tischgerät!)
sind darin aufbewahrt. Daran stößt die dritte Stube, worin meine Kammer¬
frau Marie Meßner mit meinem Dienstmädchen schläft.

Vor der Hütte ist eine Art offener Veranda mit Strohdach, wo man sogar
in den heißesten Stunden sitzen kann und wo wir essen. --

Wenige Schritte von meiner Hütte schmachtet unser Koch an einem sehr
mangelhaften Feuerherd und ist nicht im Stande, sich mit den Eingebornen
verständlich zu machen. Abscheulich ist hier die Art zu schlachten, indem sie
den armen Opfern nur die halbe Kehle abschneiden und sie dann zu Tode
zappeln lassen. Man muß sich hier mit ziemlich schlechten Nahrungsmitteln
begnügen. Das Mehl ist grob und grau, wie bei uns die Kleie, und das
beste Brod, das wir uns bereiten können, ist unverdaulich. Der Reis wimmelt
von Ungeziefer. Kartoffeln giebt es nicht, auch keine Früchte; die Eier sind
klein und selten; Kuhmilch ist schwer zu haben; dagegen ist die Schafmilch ge¬
wöhnlich und schmackhaft, wenn man sie ungeräuchert bekommen kann. Denn
das Räuchern aller Lebensmittel ist hier allgemeine Sitte, "um die bösen Geister
daraus zu verbannen". --

Man erhält auch eine Art Honigbier, dessen Geschmack an Most erinnert,
der ein wenig verdorben ist; es ist aber gesund und durstlöschend und ich ge¬
nieße es gern.

Man lernt aber Genügsamkeit und trinkt mit Lust einige Schlucke lauen,
filtrirten Cisternenwassers, worin man beim Schöpfen Millionen rother Würm¬
chen fand. Es scheint uns schon vortrefflich, wenn dasselbe in den ägyptischen
Krügen eine mäßige Kühlung erlangt hat.

Am Abend, nachdem wir zur Ruhe gegangen sind, hören wir das Geheul
der Schakals und Hyänen, und die Wachhunde erheben ein wüthendes Bellen,
welches uns in den ersten Nächten den Schlaf fast unmöglich machte. Auch die
Hähne krähen die halbe Nacht hindurch, dazu zirpen die zwei Zoll langen
Grillen fort und fort, die Ratten und Mäuse halten Corso über unsern Köpfen,
unter den Betten, und eine Welt von kleinen Jnsecten schwärmt, summt und
kriecht umher. Man muß beim Wechseln der Schuhe stets sorgfältig untersuchen,
ob sich keine Scorpione darin befinden und erlernt überhaupt eine Menge von
Vorsichtsmaßregeln, an die man in unserer gesegneten Heimath niemals denkt.
Dabei war es vom ersten Tage recht hübsch warm und die Wärme nahm zu.
Wir hatten am ersten Tage 27° im Schatten.

Durch des Commodores Güte haben wir eine starke Wache von der Schiffs-


32"

sogar das Gefühl der Behaglichkeit giebt. Ich bewohne ein Zimmer mit fünf
großen Fensteröffnungen; eine bewegliche Strohmatte dient als Thür und ein
Holzriegel als Schloß.

Daneben ist die Mittelstube mit dem Eingang ins Freie, darin schläft mein
alter Diener Eisenwiener; ein Theil unserer Vorräthe sowie unser Tischgerät!)
sind darin aufbewahrt. Daran stößt die dritte Stube, worin meine Kammer¬
frau Marie Meßner mit meinem Dienstmädchen schläft.

Vor der Hütte ist eine Art offener Veranda mit Strohdach, wo man sogar
in den heißesten Stunden sitzen kann und wo wir essen. —

Wenige Schritte von meiner Hütte schmachtet unser Koch an einem sehr
mangelhaften Feuerherd und ist nicht im Stande, sich mit den Eingebornen
verständlich zu machen. Abscheulich ist hier die Art zu schlachten, indem sie
den armen Opfern nur die halbe Kehle abschneiden und sie dann zu Tode
zappeln lassen. Man muß sich hier mit ziemlich schlechten Nahrungsmitteln
begnügen. Das Mehl ist grob und grau, wie bei uns die Kleie, und das
beste Brod, das wir uns bereiten können, ist unverdaulich. Der Reis wimmelt
von Ungeziefer. Kartoffeln giebt es nicht, auch keine Früchte; die Eier sind
klein und selten; Kuhmilch ist schwer zu haben; dagegen ist die Schafmilch ge¬
wöhnlich und schmackhaft, wenn man sie ungeräuchert bekommen kann. Denn
das Räuchern aller Lebensmittel ist hier allgemeine Sitte, „um die bösen Geister
daraus zu verbannen". —

Man erhält auch eine Art Honigbier, dessen Geschmack an Most erinnert,
der ein wenig verdorben ist; es ist aber gesund und durstlöschend und ich ge¬
nieße es gern.

Man lernt aber Genügsamkeit und trinkt mit Lust einige Schlucke lauen,
filtrirten Cisternenwassers, worin man beim Schöpfen Millionen rother Würm¬
chen fand. Es scheint uns schon vortrefflich, wenn dasselbe in den ägyptischen
Krügen eine mäßige Kühlung erlangt hat.

Am Abend, nachdem wir zur Ruhe gegangen sind, hören wir das Geheul
der Schakals und Hyänen, und die Wachhunde erheben ein wüthendes Bellen,
welches uns in den ersten Nächten den Schlaf fast unmöglich machte. Auch die
Hähne krähen die halbe Nacht hindurch, dazu zirpen die zwei Zoll langen
Grillen fort und fort, die Ratten und Mäuse halten Corso über unsern Köpfen,
unter den Betten, und eine Welt von kleinen Jnsecten schwärmt, summt und
kriecht umher. Man muß beim Wechseln der Schuhe stets sorgfältig untersuchen,
ob sich keine Scorpione darin befinden und erlernt überhaupt eine Menge von
Vorsichtsmaßregeln, an die man in unserer gesegneten Heimath niemals denkt.
Dabei war es vom ersten Tage recht hübsch warm und die Wärme nahm zu.
Wir hatten am ersten Tage 27° im Schatten.

Durch des Commodores Güte haben wir eine starke Wache von der Schiffs-


32"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116723"/>
          <p xml:id="ID_759" prev="#ID_758"> sogar das Gefühl der Behaglichkeit giebt. Ich bewohne ein Zimmer mit fünf<lb/>
großen Fensteröffnungen; eine bewegliche Strohmatte dient als Thür und ein<lb/>
Holzriegel als Schloß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_760"> Daneben ist die Mittelstube mit dem Eingang ins Freie, darin schläft mein<lb/>
alter Diener Eisenwiener; ein Theil unserer Vorräthe sowie unser Tischgerät!)<lb/>
sind darin aufbewahrt. Daran stößt die dritte Stube, worin meine Kammer¬<lb/>
frau Marie Meßner mit meinem Dienstmädchen schläft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_761"> Vor der Hütte ist eine Art offener Veranda mit Strohdach, wo man sogar<lb/>
in den heißesten Stunden sitzen kann und wo wir essen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_762"> Wenige Schritte von meiner Hütte schmachtet unser Koch an einem sehr<lb/>
mangelhaften Feuerherd und ist nicht im Stande, sich mit den Eingebornen<lb/>
verständlich zu machen. Abscheulich ist hier die Art zu schlachten, indem sie<lb/>
den armen Opfern nur die halbe Kehle abschneiden und sie dann zu Tode<lb/>
zappeln lassen. Man muß sich hier mit ziemlich schlechten Nahrungsmitteln<lb/>
begnügen. Das Mehl ist grob und grau, wie bei uns die Kleie, und das<lb/>
beste Brod, das wir uns bereiten können, ist unverdaulich. Der Reis wimmelt<lb/>
von Ungeziefer. Kartoffeln giebt es nicht, auch keine Früchte; die Eier sind<lb/>
klein und selten; Kuhmilch ist schwer zu haben; dagegen ist die Schafmilch ge¬<lb/>
wöhnlich und schmackhaft, wenn man sie ungeräuchert bekommen kann. Denn<lb/>
das Räuchern aller Lebensmittel ist hier allgemeine Sitte, &#x201E;um die bösen Geister<lb/>
daraus zu verbannen". &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_763"> Man erhält auch eine Art Honigbier, dessen Geschmack an Most erinnert,<lb/>
der ein wenig verdorben ist; es ist aber gesund und durstlöschend und ich ge¬<lb/>
nieße es gern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_764"> Man lernt aber Genügsamkeit und trinkt mit Lust einige Schlucke lauen,<lb/>
filtrirten Cisternenwassers, worin man beim Schöpfen Millionen rother Würm¬<lb/>
chen fand. Es scheint uns schon vortrefflich, wenn dasselbe in den ägyptischen<lb/>
Krügen eine mäßige Kühlung erlangt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_765"> Am Abend, nachdem wir zur Ruhe gegangen sind, hören wir das Geheul<lb/>
der Schakals und Hyänen, und die Wachhunde erheben ein wüthendes Bellen,<lb/>
welches uns in den ersten Nächten den Schlaf fast unmöglich machte. Auch die<lb/>
Hähne krähen die halbe Nacht hindurch, dazu zirpen die zwei Zoll langen<lb/>
Grillen fort und fort, die Ratten und Mäuse halten Corso über unsern Köpfen,<lb/>
unter den Betten, und eine Welt von kleinen Jnsecten schwärmt, summt und<lb/>
kriecht umher. Man muß beim Wechseln der Schuhe stets sorgfältig untersuchen,<lb/>
ob sich keine Scorpione darin befinden und erlernt überhaupt eine Menge von<lb/>
Vorsichtsmaßregeln, an die man in unserer gesegneten Heimath niemals denkt.<lb/>
Dabei war es vom ersten Tage recht hübsch warm und die Wärme nahm zu.<lb/>
Wir hatten am ersten Tage 27° im Schatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_766" next="#ID_767"> Durch des Commodores Güte haben wir eine starke Wache von der Schiffs-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 32"</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0257] sogar das Gefühl der Behaglichkeit giebt. Ich bewohne ein Zimmer mit fünf großen Fensteröffnungen; eine bewegliche Strohmatte dient als Thür und ein Holzriegel als Schloß. Daneben ist die Mittelstube mit dem Eingang ins Freie, darin schläft mein alter Diener Eisenwiener; ein Theil unserer Vorräthe sowie unser Tischgerät!) sind darin aufbewahrt. Daran stößt die dritte Stube, worin meine Kammer¬ frau Marie Meßner mit meinem Dienstmädchen schläft. Vor der Hütte ist eine Art offener Veranda mit Strohdach, wo man sogar in den heißesten Stunden sitzen kann und wo wir essen. — Wenige Schritte von meiner Hütte schmachtet unser Koch an einem sehr mangelhaften Feuerherd und ist nicht im Stande, sich mit den Eingebornen verständlich zu machen. Abscheulich ist hier die Art zu schlachten, indem sie den armen Opfern nur die halbe Kehle abschneiden und sie dann zu Tode zappeln lassen. Man muß sich hier mit ziemlich schlechten Nahrungsmitteln begnügen. Das Mehl ist grob und grau, wie bei uns die Kleie, und das beste Brod, das wir uns bereiten können, ist unverdaulich. Der Reis wimmelt von Ungeziefer. Kartoffeln giebt es nicht, auch keine Früchte; die Eier sind klein und selten; Kuhmilch ist schwer zu haben; dagegen ist die Schafmilch ge¬ wöhnlich und schmackhaft, wenn man sie ungeräuchert bekommen kann. Denn das Räuchern aller Lebensmittel ist hier allgemeine Sitte, „um die bösen Geister daraus zu verbannen". — Man erhält auch eine Art Honigbier, dessen Geschmack an Most erinnert, der ein wenig verdorben ist; es ist aber gesund und durstlöschend und ich ge¬ nieße es gern. Man lernt aber Genügsamkeit und trinkt mit Lust einige Schlucke lauen, filtrirten Cisternenwassers, worin man beim Schöpfen Millionen rother Würm¬ chen fand. Es scheint uns schon vortrefflich, wenn dasselbe in den ägyptischen Krügen eine mäßige Kühlung erlangt hat. Am Abend, nachdem wir zur Ruhe gegangen sind, hören wir das Geheul der Schakals und Hyänen, und die Wachhunde erheben ein wüthendes Bellen, welches uns in den ersten Nächten den Schlaf fast unmöglich machte. Auch die Hähne krähen die halbe Nacht hindurch, dazu zirpen die zwei Zoll langen Grillen fort und fort, die Ratten und Mäuse halten Corso über unsern Köpfen, unter den Betten, und eine Welt von kleinen Jnsecten schwärmt, summt und kriecht umher. Man muß beim Wechseln der Schuhe stets sorgfältig untersuchen, ob sich keine Scorpione darin befinden und erlernt überhaupt eine Menge von Vorsichtsmaßregeln, an die man in unserer gesegneten Heimath niemals denkt. Dabei war es vom ersten Tage recht hübsch warm und die Wärme nahm zu. Wir hatten am ersten Tage 27° im Schatten. Durch des Commodores Güte haben wir eine starke Wache von der Schiffs- 32"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/257
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/257>, abgerufen am 24.07.2024.