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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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wunderbaren Pflanzenformen und das Leben der dortigen Bevölkerung in un¬
gemein anschaulicher Weise abspiegeln. Ganz besonderen Werth aber gewinnt
dasselbe dadurch, daß der Fürst, der die Reise unternahm, uns auch, indem er
den größern Theil der Beschreibung verfaßte, persönlich Gelegenheit gegeben hat,
die Tour im Geiste mit ihm zu machen.

Alles, was über die Ankunft in Massaua hinausliegt, ist von Herzog Ernst
selbst erzählt und geschildert. Nur der Abschnitt, welcher von dem Leben der
an der Küste zurückgebliebenen Damen und Herren berichtet, und eine Episode,
welche einen Besuch der Herzogin Marie bei der Vicekönigin von Aegypten
beschreibt, sind von anderer Hand und zwar von der Hand der Frau Herzogin
selbst, die mit diesen Mittheilungen unsrer Empfindung nach den anmuthigsten
Zweig in diesen Kranz reicher Erinnerungen flocht.

In der That diese Tagebuchsblätter der hohen Frau zeigen bei aller An¬
spruchslosigkeit ein ungemein wohlthuendes Talent. Vortrefflich ist die Stim¬
mung wiedergegeben, sauber und genau die Schilderung des Details, das ein
gutes, auch für das Kleine empfängliches Auge überall bemerken läßt, sehr
geschickt die Gruppirung. Nicht der kleinste Vorzug dieser liebenswürdigen
Bildchen ist der stark ausgeprägte Sinn für die Schönheiten und Eigenthümlich¬
keiten der Natur, und außerordentlich angenehm wird jeden Leser der Zug edel¬
ster Weiblichkeit berühren, der in jeder Zeile sich offenbart.

Wir unterlassen weitere Kritik. Die Tagcbuchsblätter mögen für sich selbst
sprechen. Die Herzogin ist, während ihr Gemahl mit der Mehrzahl seiner
männlichen Reisebegleitung zur Jagd im Gebirge von Mensa und Keren auf¬
gebrochen ist, in M'Kulin, einem Dorfe bei Massaua, zurückgeblieben. Sie erzählt:

Die Jäger sind von uns geschieden, und für uns beginnt ein stilles Traum¬
leben zwischen Meer und Wüste im warmen Sonnenlande.

Unsere Strohhütten liegen eine kleine Viertelstunde von den Dörfern
M'Kulin und Hot Amen an der Sandar. Sie sind von dünnen Baumstämmen
erbaut, deren Aeste in Ermangelung von Glas die breiten Fensteröffnungen
schützen und vergittern. Die Wände und das Dach sind außen mit Durhastrvh
dick belegt und innen mit Strohmatten behängt. Aehnliche Strohmatten liegen
auch auf dem sehr unebenen Fußboden im Innern der Hütten und sind über
den Fenstern ausgerollt, wo sie nach Belieben als Marquisen benutzt werden
können. Die Banianen, d. h. die ostindischen Kaufleute, die in Massaua an¬
sässig sind, hatten die Zuvorkommenheit, unsere Wohnung mit bunten Stoffen
zeltartig auszuschmücken. Die freundlichen Engländer haben mir die Räume
mit so vieler Bequemlichkeit ausgestattet und der gütige Commodore des Odin,
Lord John Hay, hat uns Tische, Fäßchen mit filtrirtem Wasser und andere
Lebensmittel und Bedürfnisse verschiedener Art in so reichem Maße gegeben,
daß meine kleine Hütte in der Wildniß wirklich hübsch zu nennen ist, und mir


wunderbaren Pflanzenformen und das Leben der dortigen Bevölkerung in un¬
gemein anschaulicher Weise abspiegeln. Ganz besonderen Werth aber gewinnt
dasselbe dadurch, daß der Fürst, der die Reise unternahm, uns auch, indem er
den größern Theil der Beschreibung verfaßte, persönlich Gelegenheit gegeben hat,
die Tour im Geiste mit ihm zu machen.

Alles, was über die Ankunft in Massaua hinausliegt, ist von Herzog Ernst
selbst erzählt und geschildert. Nur der Abschnitt, welcher von dem Leben der
an der Küste zurückgebliebenen Damen und Herren berichtet, und eine Episode,
welche einen Besuch der Herzogin Marie bei der Vicekönigin von Aegypten
beschreibt, sind von anderer Hand und zwar von der Hand der Frau Herzogin
selbst, die mit diesen Mittheilungen unsrer Empfindung nach den anmuthigsten
Zweig in diesen Kranz reicher Erinnerungen flocht.

In der That diese Tagebuchsblätter der hohen Frau zeigen bei aller An¬
spruchslosigkeit ein ungemein wohlthuendes Talent. Vortrefflich ist die Stim¬
mung wiedergegeben, sauber und genau die Schilderung des Details, das ein
gutes, auch für das Kleine empfängliches Auge überall bemerken läßt, sehr
geschickt die Gruppirung. Nicht der kleinste Vorzug dieser liebenswürdigen
Bildchen ist der stark ausgeprägte Sinn für die Schönheiten und Eigenthümlich¬
keiten der Natur, und außerordentlich angenehm wird jeden Leser der Zug edel¬
ster Weiblichkeit berühren, der in jeder Zeile sich offenbart.

Wir unterlassen weitere Kritik. Die Tagcbuchsblätter mögen für sich selbst
sprechen. Die Herzogin ist, während ihr Gemahl mit der Mehrzahl seiner
männlichen Reisebegleitung zur Jagd im Gebirge von Mensa und Keren auf¬
gebrochen ist, in M'Kulin, einem Dorfe bei Massaua, zurückgeblieben. Sie erzählt:

Die Jäger sind von uns geschieden, und für uns beginnt ein stilles Traum¬
leben zwischen Meer und Wüste im warmen Sonnenlande.

Unsere Strohhütten liegen eine kleine Viertelstunde von den Dörfern
M'Kulin und Hot Amen an der Sandar. Sie sind von dünnen Baumstämmen
erbaut, deren Aeste in Ermangelung von Glas die breiten Fensteröffnungen
schützen und vergittern. Die Wände und das Dach sind außen mit Durhastrvh
dick belegt und innen mit Strohmatten behängt. Aehnliche Strohmatten liegen
auch auf dem sehr unebenen Fußboden im Innern der Hütten und sind über
den Fenstern ausgerollt, wo sie nach Belieben als Marquisen benutzt werden
können. Die Banianen, d. h. die ostindischen Kaufleute, die in Massaua an¬
sässig sind, hatten die Zuvorkommenheit, unsere Wohnung mit bunten Stoffen
zeltartig auszuschmücken. Die freundlichen Engländer haben mir die Räume
mit so vieler Bequemlichkeit ausgestattet und der gütige Commodore des Odin,
Lord John Hay, hat uns Tische, Fäßchen mit filtrirtem Wasser und andere
Lebensmittel und Bedürfnisse verschiedener Art in so reichem Maße gegeben,
daß meine kleine Hütte in der Wildniß wirklich hübsch zu nennen ist, und mir


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[0256] wunderbaren Pflanzenformen und das Leben der dortigen Bevölkerung in un¬ gemein anschaulicher Weise abspiegeln. Ganz besonderen Werth aber gewinnt dasselbe dadurch, daß der Fürst, der die Reise unternahm, uns auch, indem er den größern Theil der Beschreibung verfaßte, persönlich Gelegenheit gegeben hat, die Tour im Geiste mit ihm zu machen. Alles, was über die Ankunft in Massaua hinausliegt, ist von Herzog Ernst selbst erzählt und geschildert. Nur der Abschnitt, welcher von dem Leben der an der Küste zurückgebliebenen Damen und Herren berichtet, und eine Episode, welche einen Besuch der Herzogin Marie bei der Vicekönigin von Aegypten beschreibt, sind von anderer Hand und zwar von der Hand der Frau Herzogin selbst, die mit diesen Mittheilungen unsrer Empfindung nach den anmuthigsten Zweig in diesen Kranz reicher Erinnerungen flocht. In der That diese Tagebuchsblätter der hohen Frau zeigen bei aller An¬ spruchslosigkeit ein ungemein wohlthuendes Talent. Vortrefflich ist die Stim¬ mung wiedergegeben, sauber und genau die Schilderung des Details, das ein gutes, auch für das Kleine empfängliches Auge überall bemerken läßt, sehr geschickt die Gruppirung. Nicht der kleinste Vorzug dieser liebenswürdigen Bildchen ist der stark ausgeprägte Sinn für die Schönheiten und Eigenthümlich¬ keiten der Natur, und außerordentlich angenehm wird jeden Leser der Zug edel¬ ster Weiblichkeit berühren, der in jeder Zeile sich offenbart. Wir unterlassen weitere Kritik. Die Tagcbuchsblätter mögen für sich selbst sprechen. Die Herzogin ist, während ihr Gemahl mit der Mehrzahl seiner männlichen Reisebegleitung zur Jagd im Gebirge von Mensa und Keren auf¬ gebrochen ist, in M'Kulin, einem Dorfe bei Massaua, zurückgeblieben. Sie erzählt: Die Jäger sind von uns geschieden, und für uns beginnt ein stilles Traum¬ leben zwischen Meer und Wüste im warmen Sonnenlande. Unsere Strohhütten liegen eine kleine Viertelstunde von den Dörfern M'Kulin und Hot Amen an der Sandar. Sie sind von dünnen Baumstämmen erbaut, deren Aeste in Ermangelung von Glas die breiten Fensteröffnungen schützen und vergittern. Die Wände und das Dach sind außen mit Durhastrvh dick belegt und innen mit Strohmatten behängt. Aehnliche Strohmatten liegen auch auf dem sehr unebenen Fußboden im Innern der Hütten und sind über den Fenstern ausgerollt, wo sie nach Belieben als Marquisen benutzt werden können. Die Banianen, d. h. die ostindischen Kaufleute, die in Massaua an¬ sässig sind, hatten die Zuvorkommenheit, unsere Wohnung mit bunten Stoffen zeltartig auszuschmücken. Die freundlichen Engländer haben mir die Räume mit so vieler Bequemlichkeit ausgestattet und der gütige Commodore des Odin, Lord John Hay, hat uns Tische, Fäßchen mit filtrirtem Wasser und andere Lebensmittel und Bedürfnisse verschiedener Art in so reichem Maße gegeben, daß meine kleine Hütte in der Wildniß wirklich hübsch zu nennen ist, und mir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/256>, abgerufen am 24.07.2024.