Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

obwohl die Einladung in Folge polizeilichen Verbots, dem nötigenfalls mit
Waffengewalt Nachdruck gegeben werben sollte, zurückgenommen war, fanden
sich doch vierundzwanzig Vertreter in Kiel ein und beschlossen am 19. November
einstimmig, sich mit einer Eingabe an den deutschen Bund zu wenden, die unter
Berufung auf die bewährtesten Staatsrechtskundigen in kurzer Rechtsdeduction
die Ungültigkeit des londoner Vertrages vom 3. Mai 1852 nachweist, und mit
dem ebenso dringlichen als untertänigen Antrag an die Bundesversamm¬
lung schließt:

"Höchstdieselbe wolle schleunigst die geeigneten Maßregeln ergreifen, um
die Rechte der Herzogthümer und des durchlauchtigsten deutschen Bundes selbst
gegen die ernstlich drohende Gefahr sicher zu stellen, daß die Entscheidung nicht
dem Rechte, sondern der Gewalt anheimfalle."

Diese durch den von der Versammlung deputirten Grafen Reventlow in
Frankfurt überreichte Adresse ward in einer zweiten in Hamburg am 24. Nov.
stattgehabten, von dreiundsechzig Landesvertretern besuchten Versammlung eben¬
falls einstimmig angenommen.

Am 27. November beschloß auch das Corps der Prälaten und Ritter¬
schaft eine auf Schutz der Landesrechte gerichtete Eingabe an den deutschen
Bund.

Inzwischen war am 19. November vom holsteinischen, am 20. vom schles-
wigschen Ministerium an sämmtliche von denselben ressortirenden Beamten ein
Circular erlassen, worin denselben befohlen wird, innerhalb drei Tage dem König
Christian dem Neunten den Homagialeid zu leisten. In einer von mehr als
fünfzig linker Beamten abgehaltenen Versammlung ward fast einstimmig beschlossen,
und zwar von Oberappellationsgerichtsräthen, Professoren, Geistlichen, städtischen
Beamten, Advocaten u. a., den Eid zu verweigern. In Rendsburg erklärten
sich am 24. November von 33 Beamten 29 für Nichtleistung. In Meldorf, wo
sich am 25. die Beamten Dithmarschens versammelten, erklärten sich von 50 42,
für die Eidesverweigerung; für unbedingte Leistung des Eides erhob sich keine
Stimme. Von sämmtlichen unter dem Ministerium für das Herzogthum Hol¬
stein stehenden Beamten leistete vielleicht der fünfte Theil den Eid.

Auch in Schleswig verweigerte eine große Zahl der eingebornen Beamten
den Eid. Der Aufforderung der dänischen Beamten, eine Huldigungsdeputation
an Christian den Neunten zu senden, ward von nur wenigen schleswigschen
Städten Folge geleistet. Dagegen wurden Huldigungsadressen mit zahlreichen
Unterschriften aus Schleswig wie aus Holstein an den legitimen Herzog Friedrich
den Achten geschickt. Das Land konnte sich aber, so lange es von dänischen
Truppen besetzt war, nicht mit der vollen Entschiedenheit für sein Recht aus¬
sprechen, die nöthig war, um ein unzweifelhaftes Zeugniß von der Gesinnung
der Gesammtbevölkerung zu geben. Zwar wurde, besonders in Landdistricten,


obwohl die Einladung in Folge polizeilichen Verbots, dem nötigenfalls mit
Waffengewalt Nachdruck gegeben werben sollte, zurückgenommen war, fanden
sich doch vierundzwanzig Vertreter in Kiel ein und beschlossen am 19. November
einstimmig, sich mit einer Eingabe an den deutschen Bund zu wenden, die unter
Berufung auf die bewährtesten Staatsrechtskundigen in kurzer Rechtsdeduction
die Ungültigkeit des londoner Vertrages vom 3. Mai 1852 nachweist, und mit
dem ebenso dringlichen als untertänigen Antrag an die Bundesversamm¬
lung schließt:

„Höchstdieselbe wolle schleunigst die geeigneten Maßregeln ergreifen, um
die Rechte der Herzogthümer und des durchlauchtigsten deutschen Bundes selbst
gegen die ernstlich drohende Gefahr sicher zu stellen, daß die Entscheidung nicht
dem Rechte, sondern der Gewalt anheimfalle."

Diese durch den von der Versammlung deputirten Grafen Reventlow in
Frankfurt überreichte Adresse ward in einer zweiten in Hamburg am 24. Nov.
stattgehabten, von dreiundsechzig Landesvertretern besuchten Versammlung eben¬
falls einstimmig angenommen.

Am 27. November beschloß auch das Corps der Prälaten und Ritter¬
schaft eine auf Schutz der Landesrechte gerichtete Eingabe an den deutschen
Bund.

Inzwischen war am 19. November vom holsteinischen, am 20. vom schles-
wigschen Ministerium an sämmtliche von denselben ressortirenden Beamten ein
Circular erlassen, worin denselben befohlen wird, innerhalb drei Tage dem König
Christian dem Neunten den Homagialeid zu leisten. In einer von mehr als
fünfzig linker Beamten abgehaltenen Versammlung ward fast einstimmig beschlossen,
und zwar von Oberappellationsgerichtsräthen, Professoren, Geistlichen, städtischen
Beamten, Advocaten u. a., den Eid zu verweigern. In Rendsburg erklärten
sich am 24. November von 33 Beamten 29 für Nichtleistung. In Meldorf, wo
sich am 25. die Beamten Dithmarschens versammelten, erklärten sich von 50 42,
für die Eidesverweigerung; für unbedingte Leistung des Eides erhob sich keine
Stimme. Von sämmtlichen unter dem Ministerium für das Herzogthum Hol¬
stein stehenden Beamten leistete vielleicht der fünfte Theil den Eid.

Auch in Schleswig verweigerte eine große Zahl der eingebornen Beamten
den Eid. Der Aufforderung der dänischen Beamten, eine Huldigungsdeputation
an Christian den Neunten zu senden, ward von nur wenigen schleswigschen
Städten Folge geleistet. Dagegen wurden Huldigungsadressen mit zahlreichen
Unterschriften aus Schleswig wie aus Holstein an den legitimen Herzog Friedrich
den Achten geschickt. Das Land konnte sich aber, so lange es von dänischen
Truppen besetzt war, nicht mit der vollen Entschiedenheit für sein Recht aus¬
sprechen, die nöthig war, um ein unzweifelhaftes Zeugniß von der Gesinnung
der Gesammtbevölkerung zu geben. Zwar wurde, besonders in Landdistricten,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0248" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116714"/>
          <p xml:id="ID_718" prev="#ID_717"> obwohl die Einladung in Folge polizeilichen Verbots, dem nötigenfalls mit<lb/>
Waffengewalt Nachdruck gegeben werben sollte, zurückgenommen war, fanden<lb/>
sich doch vierundzwanzig Vertreter in Kiel ein und beschlossen am 19. November<lb/>
einstimmig, sich mit einer Eingabe an den deutschen Bund zu wenden, die unter<lb/>
Berufung auf die bewährtesten Staatsrechtskundigen in kurzer Rechtsdeduction<lb/>
die Ungültigkeit des londoner Vertrages vom 3. Mai 1852 nachweist, und mit<lb/>
dem ebenso dringlichen als untertänigen Antrag an die Bundesversamm¬<lb/>
lung schließt:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_719"> &#x201E;Höchstdieselbe wolle schleunigst die geeigneten Maßregeln ergreifen, um<lb/>
die Rechte der Herzogthümer und des durchlauchtigsten deutschen Bundes selbst<lb/>
gegen die ernstlich drohende Gefahr sicher zu stellen, daß die Entscheidung nicht<lb/>
dem Rechte, sondern der Gewalt anheimfalle."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_720"> Diese durch den von der Versammlung deputirten Grafen Reventlow in<lb/>
Frankfurt überreichte Adresse ward in einer zweiten in Hamburg am 24. Nov.<lb/>
stattgehabten, von dreiundsechzig Landesvertretern besuchten Versammlung eben¬<lb/>
falls einstimmig angenommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_721"> Am 27. November beschloß auch das Corps der Prälaten und Ritter¬<lb/>
schaft eine auf Schutz der Landesrechte gerichtete Eingabe an den deutschen<lb/>
Bund.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_722"> Inzwischen war am 19. November vom holsteinischen, am 20. vom schles-<lb/>
wigschen Ministerium an sämmtliche von denselben ressortirenden Beamten ein<lb/>
Circular erlassen, worin denselben befohlen wird, innerhalb drei Tage dem König<lb/>
Christian dem Neunten den Homagialeid zu leisten. In einer von mehr als<lb/>
fünfzig linker Beamten abgehaltenen Versammlung ward fast einstimmig beschlossen,<lb/>
und zwar von Oberappellationsgerichtsräthen, Professoren, Geistlichen, städtischen<lb/>
Beamten, Advocaten u. a., den Eid zu verweigern. In Rendsburg erklärten<lb/>
sich am 24. November von 33 Beamten 29 für Nichtleistung. In Meldorf, wo<lb/>
sich am 25. die Beamten Dithmarschens versammelten, erklärten sich von 50 42,<lb/>
für die Eidesverweigerung; für unbedingte Leistung des Eides erhob sich keine<lb/>
Stimme. Von sämmtlichen unter dem Ministerium für das Herzogthum Hol¬<lb/>
stein stehenden Beamten leistete vielleicht der fünfte Theil den Eid.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_723" next="#ID_724"> Auch in Schleswig verweigerte eine große Zahl der eingebornen Beamten<lb/>
den Eid. Der Aufforderung der dänischen Beamten, eine Huldigungsdeputation<lb/>
an Christian den Neunten zu senden, ward von nur wenigen schleswigschen<lb/>
Städten Folge geleistet. Dagegen wurden Huldigungsadressen mit zahlreichen<lb/>
Unterschriften aus Schleswig wie aus Holstein an den legitimen Herzog Friedrich<lb/>
den Achten geschickt. Das Land konnte sich aber, so lange es von dänischen<lb/>
Truppen besetzt war, nicht mit der vollen Entschiedenheit für sein Recht aus¬<lb/>
sprechen, die nöthig war, um ein unzweifelhaftes Zeugniß von der Gesinnung<lb/>
der Gesammtbevölkerung zu geben. Zwar wurde, besonders in Landdistricten,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0248] obwohl die Einladung in Folge polizeilichen Verbots, dem nötigenfalls mit Waffengewalt Nachdruck gegeben werben sollte, zurückgenommen war, fanden sich doch vierundzwanzig Vertreter in Kiel ein und beschlossen am 19. November einstimmig, sich mit einer Eingabe an den deutschen Bund zu wenden, die unter Berufung auf die bewährtesten Staatsrechtskundigen in kurzer Rechtsdeduction die Ungültigkeit des londoner Vertrages vom 3. Mai 1852 nachweist, und mit dem ebenso dringlichen als untertänigen Antrag an die Bundesversamm¬ lung schließt: „Höchstdieselbe wolle schleunigst die geeigneten Maßregeln ergreifen, um die Rechte der Herzogthümer und des durchlauchtigsten deutschen Bundes selbst gegen die ernstlich drohende Gefahr sicher zu stellen, daß die Entscheidung nicht dem Rechte, sondern der Gewalt anheimfalle." Diese durch den von der Versammlung deputirten Grafen Reventlow in Frankfurt überreichte Adresse ward in einer zweiten in Hamburg am 24. Nov. stattgehabten, von dreiundsechzig Landesvertretern besuchten Versammlung eben¬ falls einstimmig angenommen. Am 27. November beschloß auch das Corps der Prälaten und Ritter¬ schaft eine auf Schutz der Landesrechte gerichtete Eingabe an den deutschen Bund. Inzwischen war am 19. November vom holsteinischen, am 20. vom schles- wigschen Ministerium an sämmtliche von denselben ressortirenden Beamten ein Circular erlassen, worin denselben befohlen wird, innerhalb drei Tage dem König Christian dem Neunten den Homagialeid zu leisten. In einer von mehr als fünfzig linker Beamten abgehaltenen Versammlung ward fast einstimmig beschlossen, und zwar von Oberappellationsgerichtsräthen, Professoren, Geistlichen, städtischen Beamten, Advocaten u. a., den Eid zu verweigern. In Rendsburg erklärten sich am 24. November von 33 Beamten 29 für Nichtleistung. In Meldorf, wo sich am 25. die Beamten Dithmarschens versammelten, erklärten sich von 50 42, für die Eidesverweigerung; für unbedingte Leistung des Eides erhob sich keine Stimme. Von sämmtlichen unter dem Ministerium für das Herzogthum Hol¬ stein stehenden Beamten leistete vielleicht der fünfte Theil den Eid. Auch in Schleswig verweigerte eine große Zahl der eingebornen Beamten den Eid. Der Aufforderung der dänischen Beamten, eine Huldigungsdeputation an Christian den Neunten zu senden, ward von nur wenigen schleswigschen Städten Folge geleistet. Dagegen wurden Huldigungsadressen mit zahlreichen Unterschriften aus Schleswig wie aus Holstein an den legitimen Herzog Friedrich den Achten geschickt. Das Land konnte sich aber, so lange es von dänischen Truppen besetzt war, nicht mit der vollen Entschiedenheit für sein Recht aus¬ sprechen, die nöthig war, um ein unzweifelhaftes Zeugniß von der Gesinnung der Gesammtbevölkerung zu geben. Zwar wurde, besonders in Landdistricten,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/248
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/248>, abgerufen am 04.07.2024.