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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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aussprach, zwischen den Herzogthümern und Dänemark auch die Personal-Union
verschwinden zu sehn, konnte jetzt als Antastung der legitimen landesherrlichen Auto¬
rität am berliner Hofe gewiß eher Aergerniß als irgendeinen andern Eindruck hervor¬
bringen. Unter dem Drohen der Großmächte, unter der Abneigung gegen die fernere
Unterstützung einer revolutionären Erhebung verhandelte man in Berlin mit
einem dänischen Gesandten über einen Waffenstillstand mit Friedenspräliminarien;
und für diese letzteren ließ sich Preußen (abermals ein Zeichen, wie man tiefer
und tiefer herabkam) jenen russisch-englischen Gedanken vom März 1849 gefallen,
Selbständigkeit Schleswigs unbeschadet seiner politischen Verbindung mit Däne¬
mark, Gemeinschaft zwischen Schleswig und Holstein nur in gewissen nicht¬
politischen Verhältnissen finanzieller und gemeinnütziger Natur -- das waren jetzt
die Grundlagen, auf die der Friede gebaut werden sollte.

Die Präliminarien des Friedens und die Bedingungen des Waffenstillstandes
waren schon am 8. Juli festgestellt; gewiß hat also die dänische Regierung dem
Abschlüsse bereits seit Anfang Juli mit ziemlicher Sicherheit entgegensehen können.
Wie vergalt sie aber nun jene zärtliche Sorgfalt für das Gedeihen der Unterhand¬
lungen, durch welche offenbar die Operationen des preußischen Oberbefehlshabers
so lahm gelegt worden waren? Dadurch, daß sie eben jetzt einen grimmigen
Schlag gegen die gehaßte Armee Schleswig-Holsteins führte. Fast zwei Monate
lag General Bonin vor Fridericia, ohne, bei seinen unzureichenden Mitteln,
etwas Wesentliches auszurichten. Man verlebte in dem Lager heitere und sorg¬
lose Tage; aber auch einen schweren Verlust erlitt die Armee durch den Tod,
den eine Kanonenkugel dem trefflichen Gehilfen Bonins, dem Hauptmann Delius,
brachte. Um den verschiedenen Erfordernissen der Belagerung zu genügen,
dehnten sich die Stellungen des kleinen Heeres weiter und weiter aus, wurden
die Verbindungen zwischen den einzelnen Abtheilungen immer unsicherer. Aus
Seiten der Dänen beschloß man jetzt in ähnlicher Art wie im vorigen Jahre
die Vortheile zu benutzen, welche die Beherrschung der See an die Hand gab.
Von der Insel Alsen ward ein Theil der dort befindlichen Truppen, aus dem
nördlichen Jütland das Corps des General Rye, das dort dem Neichshcere
gegenüberlag, nach der Insel Fünen hinübergeschifft. Durch ein paar zurück¬
gelassene Bataillone ließ sich Prittwitz Tage lang täuschen und als er einen
warnenden Boten an Bonin absendete, war es zu spät. Aber die mannich-
fachsten Warnungen für Bonin kamen ihm von Personen aus seiner Nähe und
lagen vor ihm in Umständen, die ihm kaum entgehn konnten; durch hartnäckiges
Festhalten an einmal gefaßten Ansichten blieb er unzugänglich für alle. Am
3., 4. und 6. Juli setzte die angesammelte Truppenmasse nach Fridericia über ;
20,000 Mann waren gegen die 10,000 Mann starke Belagerungsarmee concen-
trirt. Am 6. Juli früh 1 Uhr erfolgte der Angriff. Mit furchtbarer Gewalt
brach die dänische Uebermacht aus der Festung heraus in die Lücken der schief-


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aussprach, zwischen den Herzogthümern und Dänemark auch die Personal-Union
verschwinden zu sehn, konnte jetzt als Antastung der legitimen landesherrlichen Auto¬
rität am berliner Hofe gewiß eher Aergerniß als irgendeinen andern Eindruck hervor¬
bringen. Unter dem Drohen der Großmächte, unter der Abneigung gegen die fernere
Unterstützung einer revolutionären Erhebung verhandelte man in Berlin mit
einem dänischen Gesandten über einen Waffenstillstand mit Friedenspräliminarien;
und für diese letzteren ließ sich Preußen (abermals ein Zeichen, wie man tiefer
und tiefer herabkam) jenen russisch-englischen Gedanken vom März 1849 gefallen,
Selbständigkeit Schleswigs unbeschadet seiner politischen Verbindung mit Däne¬
mark, Gemeinschaft zwischen Schleswig und Holstein nur in gewissen nicht¬
politischen Verhältnissen finanzieller und gemeinnütziger Natur — das waren jetzt
die Grundlagen, auf die der Friede gebaut werden sollte.

Die Präliminarien des Friedens und die Bedingungen des Waffenstillstandes
waren schon am 8. Juli festgestellt; gewiß hat also die dänische Regierung dem
Abschlüsse bereits seit Anfang Juli mit ziemlicher Sicherheit entgegensehen können.
Wie vergalt sie aber nun jene zärtliche Sorgfalt für das Gedeihen der Unterhand¬
lungen, durch welche offenbar die Operationen des preußischen Oberbefehlshabers
so lahm gelegt worden waren? Dadurch, daß sie eben jetzt einen grimmigen
Schlag gegen die gehaßte Armee Schleswig-Holsteins führte. Fast zwei Monate
lag General Bonin vor Fridericia, ohne, bei seinen unzureichenden Mitteln,
etwas Wesentliches auszurichten. Man verlebte in dem Lager heitere und sorg¬
lose Tage; aber auch einen schweren Verlust erlitt die Armee durch den Tod,
den eine Kanonenkugel dem trefflichen Gehilfen Bonins, dem Hauptmann Delius,
brachte. Um den verschiedenen Erfordernissen der Belagerung zu genügen,
dehnten sich die Stellungen des kleinen Heeres weiter und weiter aus, wurden
die Verbindungen zwischen den einzelnen Abtheilungen immer unsicherer. Aus
Seiten der Dänen beschloß man jetzt in ähnlicher Art wie im vorigen Jahre
die Vortheile zu benutzen, welche die Beherrschung der See an die Hand gab.
Von der Insel Alsen ward ein Theil der dort befindlichen Truppen, aus dem
nördlichen Jütland das Corps des General Rye, das dort dem Neichshcere
gegenüberlag, nach der Insel Fünen hinübergeschifft. Durch ein paar zurück¬
gelassene Bataillone ließ sich Prittwitz Tage lang täuschen und als er einen
warnenden Boten an Bonin absendete, war es zu spät. Aber die mannich-
fachsten Warnungen für Bonin kamen ihm von Personen aus seiner Nähe und
lagen vor ihm in Umständen, die ihm kaum entgehn konnten; durch hartnäckiges
Festhalten an einmal gefaßten Ansichten blieb er unzugänglich für alle. Am
3., 4. und 6. Juli setzte die angesammelte Truppenmasse nach Fridericia über ;
20,000 Mann waren gegen die 10,000 Mann starke Belagerungsarmee concen-
trirt. Am 6. Juli früh 1 Uhr erfolgte der Angriff. Mit furchtbarer Gewalt
brach die dänische Uebermacht aus der Festung heraus in die Lücken der schief-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/237>, abgerufen am 24.07.2024.