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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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die Bedingungen eingelassen, unter denen der preußische König vielleicht sich zur
Annahme der dargebotenen Kaiserkrone hätte verstehen mögen, nachdem daraus
(Ans. April) die Zurückweisung dieser Krone erfolgt war, gingen in Berlin die
schwachen Rücksichten gegen die deutsche Nationalversammlung, die noch zu
Gunsten der Schleswig^holsteinischen Sache sprachen, ihrem gänzlichen Ende ent¬
gegen. Gewaltiger und gewaltiger erhob sich in der europäischen Diplomatie
Rußland. Diese Macht hatte jetzt offenbar ihre Freude daran, durch augen¬
fällige Förderung ihres Schützlings Dänemark dem preussischen Staate für
seine verschiedenartigen Versuche im Felde liberaler und nationaler Politik und
so auch für seine, wenn schon noch so mattherzige Gunst gegen die schleswig¬
holsteinische Sache eine Lection zu ertheilen. In Preußen selbst aber fand die
russische Regierung die beste Unterstützung an der Partei, welche, in Rußland
den wahren Hort der konservativen Interessen verehrend, sich selbst den
Namen der russischen zuzog -- an der Partei der Neuen preußischen Zeitung.
Schon im April war man sich in den Herzogthümern von Preußen und dem
Minister des Auswärtigen, Grafen H. Fr. v. Arnim, der schlimmsten Dinge
gewärtig. Der Bevollmächtigte der Schleswig-holsteinischen Statthalterschaft bei
der Centralgewalt, Franke, rief in der Nationalversammlung zu Frankfurt Ver¬
rath. Die Neue preußische Zeitung antwortete damit, daß sie die Hoffnung
aussprach. Preußen werde sich vor der Schande bewahren, abermals sich von
der Revolution ins Schlepptau nehmen zu lassen. Prvtestirende Erklärungen
der Statthalterschaft gegen eine Lvstrcnnung Schleswigs von Holstein waren
vergeblich. Am 14. Mai erfolgte vollends der offene Bruch der preußischen Re¬
gierung mit der deutschen Nationalversammlung; am 18. erklärte die erstere auch,
ihre Unterhandlungen mit der dänischen Negierung ohne Rücksicht auf die Cen¬
tralgewalt zuführen, gleichzeitig den General Prittwitz anweisend, hinfort nur
von Berlin Jnsiructionen anzunehmen. Nun denke man dazu, welche Kraft
damals durch die Auflösung der preußischen Kammern (d. 27. Apr.), durch die
Maiunruhcn, durch den badischen Aufstand die preußische Reaction erhielt.
Bald war die Centralgewalt in Frankfurt a. M. höchst ohnmächtig, dagegen in
Norddeutschland durch das Dreikönigsbündniß vom 26. Mai eine gewisse Hege¬
monie von Preußen fürs Erste anerkannt. Aber kein Gedanke daran, dieser
Hegemonie durch eine neue Betreibung des Schleswig-holsteinischen Kampfes eine
höhere Berechtigung und Popularität zu geben. Vielmehr scheint jetzt der
preußische Wunsch, Holstein für den engeren, von Preußen zu gründenden und
zu leitenden Bund in Deutschland zu gewinnen, in welchen auch Schleswig
hineinzuziehen man nicht wohl hoffen konnte, den dänischen Absichten auf Lösung
der zwischen Schleswig und Holstein bestehenden Bande einigermaßen begegnet
zu sein. Daß im stärksten Gegensatze dazu die Schleswig-holsteinische Landes-
Versammlung, gereizt durch die steigende Gefahr, in einer Adresse die Sehnsucht


die Bedingungen eingelassen, unter denen der preußische König vielleicht sich zur
Annahme der dargebotenen Kaiserkrone hätte verstehen mögen, nachdem daraus
(Ans. April) die Zurückweisung dieser Krone erfolgt war, gingen in Berlin die
schwachen Rücksichten gegen die deutsche Nationalversammlung, die noch zu
Gunsten der Schleswig^holsteinischen Sache sprachen, ihrem gänzlichen Ende ent¬
gegen. Gewaltiger und gewaltiger erhob sich in der europäischen Diplomatie
Rußland. Diese Macht hatte jetzt offenbar ihre Freude daran, durch augen¬
fällige Förderung ihres Schützlings Dänemark dem preussischen Staate für
seine verschiedenartigen Versuche im Felde liberaler und nationaler Politik und
so auch für seine, wenn schon noch so mattherzige Gunst gegen die schleswig¬
holsteinische Sache eine Lection zu ertheilen. In Preußen selbst aber fand die
russische Regierung die beste Unterstützung an der Partei, welche, in Rußland
den wahren Hort der konservativen Interessen verehrend, sich selbst den
Namen der russischen zuzog — an der Partei der Neuen preußischen Zeitung.
Schon im April war man sich in den Herzogthümern von Preußen und dem
Minister des Auswärtigen, Grafen H. Fr. v. Arnim, der schlimmsten Dinge
gewärtig. Der Bevollmächtigte der Schleswig-holsteinischen Statthalterschaft bei
der Centralgewalt, Franke, rief in der Nationalversammlung zu Frankfurt Ver¬
rath. Die Neue preußische Zeitung antwortete damit, daß sie die Hoffnung
aussprach. Preußen werde sich vor der Schande bewahren, abermals sich von
der Revolution ins Schlepptau nehmen zu lassen. Prvtestirende Erklärungen
der Statthalterschaft gegen eine Lvstrcnnung Schleswigs von Holstein waren
vergeblich. Am 14. Mai erfolgte vollends der offene Bruch der preußischen Re¬
gierung mit der deutschen Nationalversammlung; am 18. erklärte die erstere auch,
ihre Unterhandlungen mit der dänischen Negierung ohne Rücksicht auf die Cen¬
tralgewalt zuführen, gleichzeitig den General Prittwitz anweisend, hinfort nur
von Berlin Jnsiructionen anzunehmen. Nun denke man dazu, welche Kraft
damals durch die Auflösung der preußischen Kammern (d. 27. Apr.), durch die
Maiunruhcn, durch den badischen Aufstand die preußische Reaction erhielt.
Bald war die Centralgewalt in Frankfurt a. M. höchst ohnmächtig, dagegen in
Norddeutschland durch das Dreikönigsbündniß vom 26. Mai eine gewisse Hege¬
monie von Preußen fürs Erste anerkannt. Aber kein Gedanke daran, dieser
Hegemonie durch eine neue Betreibung des Schleswig-holsteinischen Kampfes eine
höhere Berechtigung und Popularität zu geben. Vielmehr scheint jetzt der
preußische Wunsch, Holstein für den engeren, von Preußen zu gründenden und
zu leitenden Bund in Deutschland zu gewinnen, in welchen auch Schleswig
hineinzuziehen man nicht wohl hoffen konnte, den dänischen Absichten auf Lösung
der zwischen Schleswig und Holstein bestehenden Bande einigermaßen begegnet
zu sein. Daß im stärksten Gegensatze dazu die Schleswig-holsteinische Landes-
Versammlung, gereizt durch die steigende Gefahr, in einer Adresse die Sehnsucht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/236>, abgerufen am 24.07.2024.