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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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zu erklären; erschien doch, diesem Entwürfe zufolge, in mehren wichtigen
Punkten die Schleswig-holsteinische Erhebung, die vom deutschen Bund und
von der preußischen Negierung verfochtene Sache geradezu in der Lage einer ver¬
urteilten und schon halbbesicgten Rebellion. Dennoch brachte der preußische
Unterhändler, der Graf Pourtales, der in Begleitung deö schwedischen Grafen
Manderstrvm mit den verabredeten Bedingungen nach Berlin reiste, von dort
die Genehmigung derselben seitens der preußischen Negierung'nach den Herzog-
thümern und den Befehl an den General Wrangel, auf Grund der Artikel
die militärische Evuventivn mit dem dänischen Befehlshaber abzuschließen.

Erst jetzt aber, und eben durch das Geschehene brach nun die schlimmste
Verwickelung über die ganze Angelegenheit herein. Während nämlich Graf
Pourtales nach Berlin gegangen, hatte die provisorische Negierung der Herzog-
thümer, obwohl nur unvollständig von dem Inhalte des Vertrags unterrichtet,
sowohl im Hauptquartier Wrangels als in Frankfurt und bei der preußischen
Negierung selbst alles aufzubieten beschlossen, das drohende Unheil abzuwenden.
In der That zeigte sich der General Wrangel und dessen Generalstabschef,
v. Stvckhausen, über die Bedingungen des Stillstandes so entrüstet, daß der Erstere
einen seiner Adjutanten nach Berlin schickte, um Gegenvorstellungen zu macheu.
In einer lebhaften Debatte der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt
erhoben sich starke Stimmen gegen ein unwürdiges Abkommen und man deutete
darauf hin, daß es nicht Sache Preußens allein sei. abzuschließen. Unter
solchen Umständen trat denn auch die preußische Negierung selbst einen Schritt
zurück. Vom Grafen Reventlow persönlich gedrängt, wies der Minister v. Auers-
wald den General Wrangel an, in seinen Verhandlungen mit dem dänischen Be¬
fehlshaber Einiges zur Geltung zu bringen, was in den zu Malmö festgestellten
Artikeln entweder gar nicht, oder nicht mit gehöriger Ausdrücklichkeit enthalten
war. Diesen Weisungen gemäß wurden im Hauptquartier des Generals Wrangel,
in welches sich Graf Reventlow von Berlin aus begeben, von diesen und dem
Grafen Pourtales die Abänderungen getroffen und in den Conferenzen zu
Bellevue bei Holting dem dänischen General Hedemann und dem Kammerherrn
von Ncedtz vorgelegt. Aber statt daß eine Verständigung erfolgt wäre, ergriff
jetzt Dänemark die willkommene Veranlassung, über Preußens Handlungsweise,
über das eigenmächtige Eingreifen des General Wrangel, über das Zurückwei¬
chen von dem einmal Zugestandncn, die schwerste Klage zu erheben, und alle
die Regierungen, die sich für die Verhandlung interessirten, stimmten ein in
scharfem Tadel des preußischen Verfahrens. Mit einem Male war- die preußische
Regierung in die verdrießlichste Lage gesetzt; mitten in ihrer eigenen Unlust an
dem Kriege sah sie sich doch in Folge einiger Rücksichten, die sie nothgedrungen
auf die verschiedenen Elemente der von ihr vertretenen Partei, auf die provi¬
sorische Negierung in Kiel, aus Frankfurt, auf die Stimmung in Deutschland


zu erklären; erschien doch, diesem Entwürfe zufolge, in mehren wichtigen
Punkten die Schleswig-holsteinische Erhebung, die vom deutschen Bund und
von der preußischen Negierung verfochtene Sache geradezu in der Lage einer ver¬
urteilten und schon halbbesicgten Rebellion. Dennoch brachte der preußische
Unterhändler, der Graf Pourtales, der in Begleitung deö schwedischen Grafen
Manderstrvm mit den verabredeten Bedingungen nach Berlin reiste, von dort
die Genehmigung derselben seitens der preußischen Negierung'nach den Herzog-
thümern und den Befehl an den General Wrangel, auf Grund der Artikel
die militärische Evuventivn mit dem dänischen Befehlshaber abzuschließen.

Erst jetzt aber, und eben durch das Geschehene brach nun die schlimmste
Verwickelung über die ganze Angelegenheit herein. Während nämlich Graf
Pourtales nach Berlin gegangen, hatte die provisorische Negierung der Herzog-
thümer, obwohl nur unvollständig von dem Inhalte des Vertrags unterrichtet,
sowohl im Hauptquartier Wrangels als in Frankfurt und bei der preußischen
Negierung selbst alles aufzubieten beschlossen, das drohende Unheil abzuwenden.
In der That zeigte sich der General Wrangel und dessen Generalstabschef,
v. Stvckhausen, über die Bedingungen des Stillstandes so entrüstet, daß der Erstere
einen seiner Adjutanten nach Berlin schickte, um Gegenvorstellungen zu macheu.
In einer lebhaften Debatte der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt
erhoben sich starke Stimmen gegen ein unwürdiges Abkommen und man deutete
darauf hin, daß es nicht Sache Preußens allein sei. abzuschließen. Unter
solchen Umständen trat denn auch die preußische Negierung selbst einen Schritt
zurück. Vom Grafen Reventlow persönlich gedrängt, wies der Minister v. Auers-
wald den General Wrangel an, in seinen Verhandlungen mit dem dänischen Be¬
fehlshaber Einiges zur Geltung zu bringen, was in den zu Malmö festgestellten
Artikeln entweder gar nicht, oder nicht mit gehöriger Ausdrücklichkeit enthalten
war. Diesen Weisungen gemäß wurden im Hauptquartier des Generals Wrangel,
in welches sich Graf Reventlow von Berlin aus begeben, von diesen und dem
Grafen Pourtales die Abänderungen getroffen und in den Conferenzen zu
Bellevue bei Holting dem dänischen General Hedemann und dem Kammerherrn
von Ncedtz vorgelegt. Aber statt daß eine Verständigung erfolgt wäre, ergriff
jetzt Dänemark die willkommene Veranlassung, über Preußens Handlungsweise,
über das eigenmächtige Eingreifen des General Wrangel, über das Zurückwei¬
chen von dem einmal Zugestandncn, die schwerste Klage zu erheben, und alle
die Regierungen, die sich für die Verhandlung interessirten, stimmten ein in
scharfem Tadel des preußischen Verfahrens. Mit einem Male war- die preußische
Regierung in die verdrießlichste Lage gesetzt; mitten in ihrer eigenen Unlust an
dem Kriege sah sie sich doch in Folge einiger Rücksichten, die sie nothgedrungen
auf die verschiedenen Elemente der von ihr vertretenen Partei, auf die provi¬
sorische Negierung in Kiel, aus Frankfurt, auf die Stimmung in Deutschland


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/220>, abgerufen am 24.07.2024.