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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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genommen, von allen an der Herstellung des Friedens arbeitenden Mächten be¬
schuldigt, in muthwilliger Weise die erregten Hoffnungen durch Widerruf des
schon Bewilligten gestört zu baden. Insbesondre aber drängte sich dabei Ein
Punkt in den Vordergrund und wurde nicht blos zu einem Steine des Anstoßes
für das vorliegende Geschäft, sondern entwickelte noch für ganz andere Ver¬
hältnisse als die Schleswig-holsteinischen die weitreichendsten Wirkungen.

Von dem deutschen Bunde mit der Leitung der Unterhandlungen beauftragt,
war Preußen bisher, für Abschluß eines Friedens oder eines bedeutendem, nicht
rein militärischen Waffenstillstandes, an die Genehmigung der Bundesversamm¬
lung gebunden gewesen. In dem Waffenstillstandsvcrtrag von Malmö fand
sich indeß preußischerseits kein Vorbehalt auf eine solche Genehmigung gestellt.
Freilich waren damals die Tage der Bundesversammlung gezählt. Am 12.
Juli trat, durch die deutsche Nationalversammlung (den 29. Juni) eingesetzt
und durch die Regierungen anerkannt, die provisorische Centralgewalt in der
Person des Erzherzog Johann als Reichsverwesers an die Spitze von Deutschland.
Eben auf diese" Reichsverweser aber, der an die Stelle des Bundestags gekommen,
war nun sowohl in der Nationalversammlung zu Frankfurt, als auch von der pro¬
visorischen Regierung Schleswig-Holsteins bei ihren Bemühungen, den widerwär¬
tigen Vertrag abzuwenden, hingewiesen worden ; ohne die Zustimmung der Central¬
gewalt dürfe nach der Beschaffenheit der Vollmachten, auf deren Grund Preußen die
deutsche Sacke gegen Dänemark vertrete, und nach der ganzen Natur des Krieges
als eines deutschen, ein bedeutender Waffenstillstand nicht abgeschlossen werden. Und
der Minister v. Auerswald hatte Bedenken getragen, sich hiergegen zu verschließen.
Unter den Weisungen zu einer Modification des Waffenstillstands, die er dem
General Wrangel hatte zukommen lassen, hatte sich auch die befunden, die Ge¬
nehmigung der Centralgewalt vorzubehalten. Aber wunderbar, welche Auf¬
regung diese Hindeutung auf die Centralgewalt hervorbrachte. Wenn man sich
dabei, zur Zurückweisung.des preußischen Vorbehalts, auf den Umstand bezog,
daß die deutsche Centralgewalt bei den außerdeutschen Mächten noch nicht zur
officiellen Anerkennung gekommen sei, so lag doch der wahre Grund, ihre Er¬
wähnung so übel aufzunehmen, zunächst für Dänemark natürlich ganz anderswo.
Wurden nämlich die Verhandlungen, infolge jenes Vorbehalts, an den Reichs¬
verweser gebracht, so geriethen sie voraussichtlich unter den directen Einfluß der
deutschen Nationalversammlung; diese aber erschien damals noch in einer Macht
und einer Haltung, in welcher sie zwar die Leitung des Kriegs nicht wohl in
ihre eigene Hand nehmen konnte, doch aber einen energischen und achtung¬
gebietenden Widerstand gegen einen Waffenstillstandsentwurf wie den gegen¬
wärtigen erwarten ließ. Vermochte man hingegen Preußen, dessen Regierung
bisher vor allen deutschen Regierungen die Hauptlast des Krieges, dessen Be¬
völkerung die Hauptverluste von der Blockade und den sonstigen Handelsbeein-


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genommen, von allen an der Herstellung des Friedens arbeitenden Mächten be¬
schuldigt, in muthwilliger Weise die erregten Hoffnungen durch Widerruf des
schon Bewilligten gestört zu baden. Insbesondre aber drängte sich dabei Ein
Punkt in den Vordergrund und wurde nicht blos zu einem Steine des Anstoßes
für das vorliegende Geschäft, sondern entwickelte noch für ganz andere Ver¬
hältnisse als die Schleswig-holsteinischen die weitreichendsten Wirkungen.

Von dem deutschen Bunde mit der Leitung der Unterhandlungen beauftragt,
war Preußen bisher, für Abschluß eines Friedens oder eines bedeutendem, nicht
rein militärischen Waffenstillstandes, an die Genehmigung der Bundesversamm¬
lung gebunden gewesen. In dem Waffenstillstandsvcrtrag von Malmö fand
sich indeß preußischerseits kein Vorbehalt auf eine solche Genehmigung gestellt.
Freilich waren damals die Tage der Bundesversammlung gezählt. Am 12.
Juli trat, durch die deutsche Nationalversammlung (den 29. Juni) eingesetzt
und durch die Regierungen anerkannt, die provisorische Centralgewalt in der
Person des Erzherzog Johann als Reichsverwesers an die Spitze von Deutschland.
Eben auf diese» Reichsverweser aber, der an die Stelle des Bundestags gekommen,
war nun sowohl in der Nationalversammlung zu Frankfurt, als auch von der pro¬
visorischen Regierung Schleswig-Holsteins bei ihren Bemühungen, den widerwär¬
tigen Vertrag abzuwenden, hingewiesen worden ; ohne die Zustimmung der Central¬
gewalt dürfe nach der Beschaffenheit der Vollmachten, auf deren Grund Preußen die
deutsche Sacke gegen Dänemark vertrete, und nach der ganzen Natur des Krieges
als eines deutschen, ein bedeutender Waffenstillstand nicht abgeschlossen werden. Und
der Minister v. Auerswald hatte Bedenken getragen, sich hiergegen zu verschließen.
Unter den Weisungen zu einer Modification des Waffenstillstands, die er dem
General Wrangel hatte zukommen lassen, hatte sich auch die befunden, die Ge¬
nehmigung der Centralgewalt vorzubehalten. Aber wunderbar, welche Auf¬
regung diese Hindeutung auf die Centralgewalt hervorbrachte. Wenn man sich
dabei, zur Zurückweisung.des preußischen Vorbehalts, auf den Umstand bezog,
daß die deutsche Centralgewalt bei den außerdeutschen Mächten noch nicht zur
officiellen Anerkennung gekommen sei, so lag doch der wahre Grund, ihre Er¬
wähnung so übel aufzunehmen, zunächst für Dänemark natürlich ganz anderswo.
Wurden nämlich die Verhandlungen, infolge jenes Vorbehalts, an den Reichs¬
verweser gebracht, so geriethen sie voraussichtlich unter den directen Einfluß der
deutschen Nationalversammlung; diese aber erschien damals noch in einer Macht
und einer Haltung, in welcher sie zwar die Leitung des Kriegs nicht wohl in
ihre eigene Hand nehmen konnte, doch aber einen energischen und achtung¬
gebietenden Widerstand gegen einen Waffenstillstandsentwurf wie den gegen¬
wärtigen erwarten ließ. Vermochte man hingegen Preußen, dessen Regierung
bisher vor allen deutschen Regierungen die Hauptlast des Krieges, dessen Be¬
völkerung die Hauptverluste von der Blockade und den sonstigen Handelsbeein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/221>, abgerufen am 24.07.2024.