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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Zudem werden die beiden Fachzeitungen der Natur der Sache nach nur von
einem kleineren Theile des Publicums gelesen, und dann zumeist von solchen, die
am wenigsten eines derartigen Anhalts bedürfen. Die politischen Zeitungen end¬
lich sind bei der Ueberfülle ihres Hauptmaterials leicht im Raume beschränkt
und fesseln die Aufmerksamkeit ihrer Leser in erster Linie durch den politischen
Theil, wobei dann das Feuilleton mitunter etwas ungünstig gestellt ist.
Das leipziger Tageblatt hingegen ist so verbreitet, wird vermöge seiner Un-
entbehrlichkeit so durchaus von allen Theilen des Publicums gelesen, welchem
Bildungsgrade. Stande und welcher politischen Farbe sie auch angehören mö¬
gen, daß es als der geeignetste Ort für die oben gewünschte Tagcskritik er¬
scheint. Sicherlich würde es erfreulich sein, wenn Lust und Liebe auch für die
Musik die Unternehmer jenes Blattes zu dem gewünschten Entschlüsse trieben,
wie ja bereits die Vertretung, welche sie den Interessen der bildenden Kunst
gewähren, gewiß allseitig dankbar anerkannt wird. Daß die materielle Seite
dieser Frage in den Vordergrund gerückt werde, läßt sich nickt fürchten, da der
Haupttheil des Blattes wohl genügende Sicherheit für diese Interessen bieten
dürfte, und wir andrerseits gewiß mit ungetheilter Zustimmung glauben müs¬
sen, daß es der -- in letzter Zeit hierzulande lebhaft in den Vordergrund ge¬
rückten -- "Würde der Presse" besser entspricht, mit verhältnißmäßig geringen
Opfern einen Concertreferenten zu gewinnen, als aus irgendwelcher Ursache
eine auch für die Stadt durchaus wichtige Erscheinung zu ignoriren. Sicher¬
lich würde eine solche Einrichtung auch von der Direction mit Freuden begrüßt
werden, welche einsichtig genug sein wird, um das etwaige Mißvergnügen und
das vornehme Unbehagen, welches manche Naturen gegen jedes Kritisirtwerdcn
empfinden, vor einer so augenfälligen Förderung ihres Unternehmens zurück¬
treten zu lassen.

Wenn auf diesem Wege dem Bedürfnisse des größeren Publicums ab¬
geholfen würde, so bliebe doch noch Eines zu thun übrig, was in der Hand
des Directoriums liegt. Wir denken hierbei nickt an die im ersten Abschnitte
erwähnte Vergrößerung der Cvncerträume. Sie wird -- früher oder später --
stattfinden müssen, schon um der wachsenden Betheiligung willen. Aber freilich
wird sie auch für das förderlich sein, was wir als durchaus nothwendig zum
wahrhaften Gedeihen des ganzen Instituts betrachten, zur Hereinziehung größe¬
rer Chorwerke, insbesondere des Oratoriums in den Kreis der aufzuführenden
Musiken. Wir glauben nicht, dem Einwände speciell begegnen zu müssen, daß
hiermit einem großen Theile des jetzigen Publicums wenig gedient wäre. Denn
das Publicum ist ein lenksames und bestimmbares Wesen und läßt sich gerade
vom Schlechteren zum Besseren gern hinanführen, während es, um den um¬
gekehrten Schritt zur Verschlechterung zu machen, keines Führers bedarf. Und
wenn selbst ein Theil der jetzigen Besucher, welche nach dem goetheschen


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Zudem werden die beiden Fachzeitungen der Natur der Sache nach nur von
einem kleineren Theile des Publicums gelesen, und dann zumeist von solchen, die
am wenigsten eines derartigen Anhalts bedürfen. Die politischen Zeitungen end¬
lich sind bei der Ueberfülle ihres Hauptmaterials leicht im Raume beschränkt
und fesseln die Aufmerksamkeit ihrer Leser in erster Linie durch den politischen
Theil, wobei dann das Feuilleton mitunter etwas ungünstig gestellt ist.
Das leipziger Tageblatt hingegen ist so verbreitet, wird vermöge seiner Un-
entbehrlichkeit so durchaus von allen Theilen des Publicums gelesen, welchem
Bildungsgrade. Stande und welcher politischen Farbe sie auch angehören mö¬
gen, daß es als der geeignetste Ort für die oben gewünschte Tagcskritik er¬
scheint. Sicherlich würde es erfreulich sein, wenn Lust und Liebe auch für die
Musik die Unternehmer jenes Blattes zu dem gewünschten Entschlüsse trieben,
wie ja bereits die Vertretung, welche sie den Interessen der bildenden Kunst
gewähren, gewiß allseitig dankbar anerkannt wird. Daß die materielle Seite
dieser Frage in den Vordergrund gerückt werde, läßt sich nickt fürchten, da der
Haupttheil des Blattes wohl genügende Sicherheit für diese Interessen bieten
dürfte, und wir andrerseits gewiß mit ungetheilter Zustimmung glauben müs¬
sen, daß es der — in letzter Zeit hierzulande lebhaft in den Vordergrund ge¬
rückten — „Würde der Presse" besser entspricht, mit verhältnißmäßig geringen
Opfern einen Concertreferenten zu gewinnen, als aus irgendwelcher Ursache
eine auch für die Stadt durchaus wichtige Erscheinung zu ignoriren. Sicher¬
lich würde eine solche Einrichtung auch von der Direction mit Freuden begrüßt
werden, welche einsichtig genug sein wird, um das etwaige Mißvergnügen und
das vornehme Unbehagen, welches manche Naturen gegen jedes Kritisirtwerdcn
empfinden, vor einer so augenfälligen Förderung ihres Unternehmens zurück¬
treten zu lassen.

Wenn auf diesem Wege dem Bedürfnisse des größeren Publicums ab¬
geholfen würde, so bliebe doch noch Eines zu thun übrig, was in der Hand
des Directoriums liegt. Wir denken hierbei nickt an die im ersten Abschnitte
erwähnte Vergrößerung der Cvncerträume. Sie wird — früher oder später —
stattfinden müssen, schon um der wachsenden Betheiligung willen. Aber freilich
wird sie auch für das förderlich sein, was wir als durchaus nothwendig zum
wahrhaften Gedeihen des ganzen Instituts betrachten, zur Hereinziehung größe¬
rer Chorwerke, insbesondere des Oratoriums in den Kreis der aufzuführenden
Musiken. Wir glauben nicht, dem Einwände speciell begegnen zu müssen, daß
hiermit einem großen Theile des jetzigen Publicums wenig gedient wäre. Denn
das Publicum ist ein lenksames und bestimmbares Wesen und läßt sich gerade
vom Schlechteren zum Besseren gern hinanführen, während es, um den um¬
gekehrten Schritt zur Verschlechterung zu machen, keines Führers bedarf. Und
wenn selbst ein Theil der jetzigen Besucher, welche nach dem goetheschen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/189>, abgerufen am 04.07.2024.