Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Fowler zu verkaufen; was dieser daraus zu machen wußte, geht aus dem Ob¬
ject des Processes hervor: es handelte sich um die, an drei berühmte Maschinen¬
bauanstalten für je 30,000 Pfd. Se. verkaufte Erlaubniß, den Dampspflug
nachbauen zu dürfen; also circa 600,000 Thaler blos für die Patentmitbenutzung!
Die Gerechtigkeit der Belohnung kann daher unmöglich ein Argument für Bei¬
behaltung des Patentschutzes sein.

Die seit ungefähr fünfzehn Jahren in den industriellen Ländern gährende Agi¬
tation gegen die bestehende Patentgesetzgebung ist jedenfalls ein deutliches Zei¬
chen, daß hier etwas faul ist im Staate. Aber sonderbar -- in England, wo
das öffentliche Anmeldeverfahren eingeführt, ist man der Prüfung geneigt, ver¬
langt ein im Princip mit dem zollvcreinlichen übereinstimmendes Verfahren der
amtlichen Voruntersuchung hinsichtlich des Werthes und der Neuheit der zu paten-
tirenden Erfindungen -- in Deutschland dagegen reden alle, welche ohne den
Patentschutz die Industrie gefährdet glauben, dem englischen seitherigen Ver¬
fahren das Wort, indem sie die geheime Prüfung verdammen. Aus dieser
Thatsache scheint hervorzugehen, daß beide Verfahren ungeeignet sind, ein
Verdacht, welcher dadurch bestätigt wird, daß viele bedeutende Stimmen dies¬
seits und jenseits des Kanals sich in gleichem Sinne aussprechen und die gänz¬
liche Abschaffung der Patente befürworten. Auch die in Dresden vom 14.--16.
September tagende sechste Versammlung des (Kongresses deutscher Volkswirthe
stimmte mit großer Majorität dem von Prince-Smith im Namen der ernannten
Commission gestellten Antrage bei, welcher lautete: In Erwägung 1) daß Pa¬
tente den Fortschritt der Erfindung nicht begünstigen, vielmehr deren Zustande¬
kommen erschweren; 2) daß sie die rasche, allgemeine Anwendung nützlicher
Erfindung hemmen; 3) daß sie den Erfindern selbst im Ganzen mehr Nachtheil
als Vortheil bringen und daher eine höchst trügliche Form der Belohnung sind
-- beschließt der Kongreß deutscher Volkswirthe zu erklären: daß Erfindungs¬
patente dem Gemeinwohl schädlich sind! -- Die Minorität der Commission,
durch Max Wirth") vertreten, empfahl vor allem einheitliche Gesetzgebung in
ganz Deutschland, Prüfung nur bei Einspruch von Interessenten, Zulässigkeit
mehrer Patentinhaber, Dauer des Patents von fünfzehn Jahren mit Progressiv¬
steuer vom fünften Jahre ab, u. f. w. Man sieht, daß hierdurch wenig ge¬
bessert worden wäre; halbe Maßregeln sind in derartigen Fällen fast noch schlim¬
mer, wie gar keine.



-) In den "Grundzügen der Nationalökonomie" hat Max Wirth die Patentfrage ganz
umgangen. Dagegen findet sich darin u. a. der bemerkenswerthe Satz: "Das Erbrecht läßt
sich gewissermaßen auch naturrechtlich begründen.' Die Physiologie lehrt uns, daß Gebrechen
der Eltern sich oft auf Kind und Kindeskinder vererben. Wenn das Uebel nun infolge einer
Naturnothwendigkeitsich vererbt, warum soll es nicht auch mit dem Guten, mit den Gütern,
so geschehen?" -- (I. S. 336.)

Fowler zu verkaufen; was dieser daraus zu machen wußte, geht aus dem Ob¬
ject des Processes hervor: es handelte sich um die, an drei berühmte Maschinen¬
bauanstalten für je 30,000 Pfd. Se. verkaufte Erlaubniß, den Dampspflug
nachbauen zu dürfen; also circa 600,000 Thaler blos für die Patentmitbenutzung!
Die Gerechtigkeit der Belohnung kann daher unmöglich ein Argument für Bei¬
behaltung des Patentschutzes sein.

Die seit ungefähr fünfzehn Jahren in den industriellen Ländern gährende Agi¬
tation gegen die bestehende Patentgesetzgebung ist jedenfalls ein deutliches Zei¬
chen, daß hier etwas faul ist im Staate. Aber sonderbar — in England, wo
das öffentliche Anmeldeverfahren eingeführt, ist man der Prüfung geneigt, ver¬
langt ein im Princip mit dem zollvcreinlichen übereinstimmendes Verfahren der
amtlichen Voruntersuchung hinsichtlich des Werthes und der Neuheit der zu paten-
tirenden Erfindungen — in Deutschland dagegen reden alle, welche ohne den
Patentschutz die Industrie gefährdet glauben, dem englischen seitherigen Ver¬
fahren das Wort, indem sie die geheime Prüfung verdammen. Aus dieser
Thatsache scheint hervorzugehen, daß beide Verfahren ungeeignet sind, ein
Verdacht, welcher dadurch bestätigt wird, daß viele bedeutende Stimmen dies¬
seits und jenseits des Kanals sich in gleichem Sinne aussprechen und die gänz¬
liche Abschaffung der Patente befürworten. Auch die in Dresden vom 14.—16.
September tagende sechste Versammlung des (Kongresses deutscher Volkswirthe
stimmte mit großer Majorität dem von Prince-Smith im Namen der ernannten
Commission gestellten Antrage bei, welcher lautete: In Erwägung 1) daß Pa¬
tente den Fortschritt der Erfindung nicht begünstigen, vielmehr deren Zustande¬
kommen erschweren; 2) daß sie die rasche, allgemeine Anwendung nützlicher
Erfindung hemmen; 3) daß sie den Erfindern selbst im Ganzen mehr Nachtheil
als Vortheil bringen und daher eine höchst trügliche Form der Belohnung sind
— beschließt der Kongreß deutscher Volkswirthe zu erklären: daß Erfindungs¬
patente dem Gemeinwohl schädlich sind! — Die Minorität der Commission,
durch Max Wirth") vertreten, empfahl vor allem einheitliche Gesetzgebung in
ganz Deutschland, Prüfung nur bei Einspruch von Interessenten, Zulässigkeit
mehrer Patentinhaber, Dauer des Patents von fünfzehn Jahren mit Progressiv¬
steuer vom fünften Jahre ab, u. f. w. Man sieht, daß hierdurch wenig ge¬
bessert worden wäre; halbe Maßregeln sind in derartigen Fällen fast noch schlim¬
mer, wie gar keine.



-) In den „Grundzügen der Nationalökonomie" hat Max Wirth die Patentfrage ganz
umgangen. Dagegen findet sich darin u. a. der bemerkenswerthe Satz: „Das Erbrecht läßt
sich gewissermaßen auch naturrechtlich begründen.' Die Physiologie lehrt uns, daß Gebrechen
der Eltern sich oft auf Kind und Kindeskinder vererben. Wenn das Uebel nun infolge einer
Naturnothwendigkeitsich vererbt, warum soll es nicht auch mit dem Guten, mit den Gütern,
so geschehen?» — (I. S. 336.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116606"/>
          <p xml:id="ID_393" prev="#ID_392"> Fowler zu verkaufen; was dieser daraus zu machen wußte, geht aus dem Ob¬<lb/>
ject des Processes hervor: es handelte sich um die, an drei berühmte Maschinen¬<lb/>
bauanstalten für je 30,000 Pfd. Se. verkaufte Erlaubniß, den Dampspflug<lb/>
nachbauen zu dürfen; also circa 600,000 Thaler blos für die Patentmitbenutzung!<lb/>
Die Gerechtigkeit der Belohnung kann daher unmöglich ein Argument für Bei¬<lb/>
behaltung des Patentschutzes sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_394"> Die seit ungefähr fünfzehn Jahren in den industriellen Ländern gährende Agi¬<lb/>
tation gegen die bestehende Patentgesetzgebung ist jedenfalls ein deutliches Zei¬<lb/>
chen, daß hier etwas faul ist im Staate. Aber sonderbar &#x2014; in England, wo<lb/>
das öffentliche Anmeldeverfahren eingeführt, ist man der Prüfung geneigt, ver¬<lb/>
langt ein im Princip mit dem zollvcreinlichen übereinstimmendes Verfahren der<lb/>
amtlichen Voruntersuchung hinsichtlich des Werthes und der Neuheit der zu paten-<lb/>
tirenden Erfindungen &#x2014; in Deutschland dagegen reden alle, welche ohne den<lb/>
Patentschutz die Industrie gefährdet glauben, dem englischen seitherigen Ver¬<lb/>
fahren das Wort, indem sie die geheime Prüfung verdammen. Aus dieser<lb/>
Thatsache scheint hervorzugehen, daß beide Verfahren ungeeignet sind, ein<lb/>
Verdacht, welcher dadurch bestätigt wird, daß viele bedeutende Stimmen dies¬<lb/>
seits und jenseits des Kanals sich in gleichem Sinne aussprechen und die gänz¬<lb/>
liche Abschaffung der Patente befürworten. Auch die in Dresden vom 14.&#x2014;16.<lb/>
September tagende sechste Versammlung des (Kongresses deutscher Volkswirthe<lb/>
stimmte mit großer Majorität dem von Prince-Smith im Namen der ernannten<lb/>
Commission gestellten Antrage bei, welcher lautete: In Erwägung 1) daß Pa¬<lb/>
tente den Fortschritt der Erfindung nicht begünstigen, vielmehr deren Zustande¬<lb/>
kommen erschweren; 2) daß sie die rasche, allgemeine Anwendung nützlicher<lb/>
Erfindung hemmen; 3) daß sie den Erfindern selbst im Ganzen mehr Nachtheil<lb/>
als Vortheil bringen und daher eine höchst trügliche Form der Belohnung sind<lb/>
&#x2014; beschließt der Kongreß deutscher Volkswirthe zu erklären: daß Erfindungs¬<lb/>
patente dem Gemeinwohl schädlich sind! &#x2014; Die Minorität der Commission,<lb/>
durch Max Wirth") vertreten, empfahl vor allem einheitliche Gesetzgebung in<lb/>
ganz Deutschland, Prüfung nur bei Einspruch von Interessenten, Zulässigkeit<lb/>
mehrer Patentinhaber, Dauer des Patents von fünfzehn Jahren mit Progressiv¬<lb/>
steuer vom fünften Jahre ab, u. f. w. Man sieht, daß hierdurch wenig ge¬<lb/>
bessert worden wäre; halbe Maßregeln sind in derartigen Fällen fast noch schlim¬<lb/>
mer, wie gar keine.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_16" place="foot"> -) In den &#x201E;Grundzügen der Nationalökonomie" hat Max Wirth die Patentfrage ganz<lb/>
umgangen. Dagegen findet sich darin u. a. der bemerkenswerthe Satz: &#x201E;Das Erbrecht läßt<lb/>
sich gewissermaßen auch naturrechtlich begründen.' Die Physiologie lehrt uns, daß Gebrechen<lb/>
der Eltern sich oft auf Kind und Kindeskinder vererben. Wenn das Uebel nun infolge einer<lb/>
Naturnothwendigkeitsich vererbt, warum soll es nicht auch mit dem Guten, mit den Gütern,<lb/>
so geschehen?» &#x2014; (I. S. 336.)</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0140] Fowler zu verkaufen; was dieser daraus zu machen wußte, geht aus dem Ob¬ ject des Processes hervor: es handelte sich um die, an drei berühmte Maschinen¬ bauanstalten für je 30,000 Pfd. Se. verkaufte Erlaubniß, den Dampspflug nachbauen zu dürfen; also circa 600,000 Thaler blos für die Patentmitbenutzung! Die Gerechtigkeit der Belohnung kann daher unmöglich ein Argument für Bei¬ behaltung des Patentschutzes sein. Die seit ungefähr fünfzehn Jahren in den industriellen Ländern gährende Agi¬ tation gegen die bestehende Patentgesetzgebung ist jedenfalls ein deutliches Zei¬ chen, daß hier etwas faul ist im Staate. Aber sonderbar — in England, wo das öffentliche Anmeldeverfahren eingeführt, ist man der Prüfung geneigt, ver¬ langt ein im Princip mit dem zollvcreinlichen übereinstimmendes Verfahren der amtlichen Voruntersuchung hinsichtlich des Werthes und der Neuheit der zu paten- tirenden Erfindungen — in Deutschland dagegen reden alle, welche ohne den Patentschutz die Industrie gefährdet glauben, dem englischen seitherigen Ver¬ fahren das Wort, indem sie die geheime Prüfung verdammen. Aus dieser Thatsache scheint hervorzugehen, daß beide Verfahren ungeeignet sind, ein Verdacht, welcher dadurch bestätigt wird, daß viele bedeutende Stimmen dies¬ seits und jenseits des Kanals sich in gleichem Sinne aussprechen und die gänz¬ liche Abschaffung der Patente befürworten. Auch die in Dresden vom 14.—16. September tagende sechste Versammlung des (Kongresses deutscher Volkswirthe stimmte mit großer Majorität dem von Prince-Smith im Namen der ernannten Commission gestellten Antrage bei, welcher lautete: In Erwägung 1) daß Pa¬ tente den Fortschritt der Erfindung nicht begünstigen, vielmehr deren Zustande¬ kommen erschweren; 2) daß sie die rasche, allgemeine Anwendung nützlicher Erfindung hemmen; 3) daß sie den Erfindern selbst im Ganzen mehr Nachtheil als Vortheil bringen und daher eine höchst trügliche Form der Belohnung sind — beschließt der Kongreß deutscher Volkswirthe zu erklären: daß Erfindungs¬ patente dem Gemeinwohl schädlich sind! — Die Minorität der Commission, durch Max Wirth") vertreten, empfahl vor allem einheitliche Gesetzgebung in ganz Deutschland, Prüfung nur bei Einspruch von Interessenten, Zulässigkeit mehrer Patentinhaber, Dauer des Patents von fünfzehn Jahren mit Progressiv¬ steuer vom fünften Jahre ab, u. f. w. Man sieht, daß hierdurch wenig ge¬ bessert worden wäre; halbe Maßregeln sind in derartigen Fällen fast noch schlim¬ mer, wie gar keine. -) In den „Grundzügen der Nationalökonomie" hat Max Wirth die Patentfrage ganz umgangen. Dagegen findet sich darin u. a. der bemerkenswerthe Satz: „Das Erbrecht läßt sich gewissermaßen auch naturrechtlich begründen.' Die Physiologie lehrt uns, daß Gebrechen der Eltern sich oft auf Kind und Kindeskinder vererben. Wenn das Uebel nun infolge einer Naturnothwendigkeitsich vererbt, warum soll es nicht auch mit dem Guten, mit den Gütern, so geschehen?» — (I. S. 336.)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/140
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/140>, abgerufen am 24.07.2024.