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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Daher werden auch die von verschiedenen Seiten vorgeschlagenen National¬
belohnungen anstatt der Patente ihre Wirkung wahrscheinlich verfehlen. Es
können dergleichen Ausnahmsbewilligungen einer Gratification an verdienstvolle
Erfinder von Seiten des Staat? zwar ein Antrieb zu nützlichen Unternehmungen
sein -- allein die Prüfung ist schwer, und der Staat darf sich nicht lächerlich
machen. Oft ist eine Erfindung. wie schon früher erwähnt, so unscheinbar, daß
niemand daran denken kann, sie zu Prämiiren, während sich im Laufe der Zeit
daraus die großartigsten Umwälzungen gestalten. Andererseits tritt wiederum
eine Erfindung mit solchem Pomp und Rumor in die Welt, daß jedermann ihr
Beifall zuklatscht -- aber die Erfahrung macht sie zur platzenden Seifenblase.
Man erinnere sich z. B. nur an die von dem deutschen Bunde zweimal gewähr¬
ten Nationalbclohnungen; für die Benutzung des Elektromagnetismus als be¬
wegende Kraft an Wagner, und für, die Erfindung der Schießbaumwolle an
Böttger und Schönbein. Die erstere hat den Erwartungen gar nicht entsprochen;
die letztere hat es nur einer sehr eigenthümlichen Verkettung von. Umständen
zu verdanken, daß sie nutzbarer geworden ist, als die Praxis im Anfang zu¬
gestehen konnte. Ueberdies sind die Völker der Civilisation in der Gegenwart
so herangebildet, daß sie selber aus eigenem Antrieb den Männern zu lohnen
wissen, welche sich praktisch um sie verdient gemacht haben und euren Ersatz
dafür bedürfen. England hat seinem Cobden die Eroberung des Freihandels
mit einer reichen Ehrengabe vergolten; in Deutschland ist dem Begründer der
Arbeiterassociationen der gleiche Beweis der Dankbarkeit zu Theil geworden ;
dem um den Pfennigtarif für Kvhlenfrachten auf den Eisenbahnen unermüdlich
thätigen Justizrath Braun in Coburg hat das deutsche Volk Mühen und Aus¬
lagen reichlich vergütet; es hat auch dem Taucheringenieur Bauer nach Kräften
gegeben, obgleich es sich nur in wenigen Kreisen für seine Künste zu enthusias-
mircn vermochte. Was früher der Staat, das übernimmt jetzt die Gesellschaft:
Vergütung, nicht durch Privilegium oder durch Monopol, sondern durch Absatz
und Anerkennung. Wenn der Erfinder heutzutage etwas Gutes zu Markt
bringt und die nothwendige Geschäftspraxis besitzt, dann kann und wird es
ihm auch an einem Markt nicht fehlen. Diese Wahrheit ist um so unumstö߬
licher, als alljährlich eine Menge neuer Erfindungen auftauchen, die es geradezu
verschmähen, sich durch Patente schützen zu lassen, und dennoch ihren Weg
machen, dennoch ihrem Urheber den erwarteten Lohn eintragen, nebenbei aber
auch gleichzeitig Anderen nützen.

Die Industrie der Neuzeit bedarf weder der künstlichen Stimulationsmittel
mehr, noch des Schutzes und Gängelbandes, um sich naturgemäß in immer
steigender Progression zu entwickeln. Haben wirklich die Patente etwas dazu
beigetragen, sie zu heben -- was noch sehr bezweifelt werden darf, da gerade
die wichtigsten industriellen Erfindungen der Welt in die Zeit vor den Patenten


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Daher werden auch die von verschiedenen Seiten vorgeschlagenen National¬
belohnungen anstatt der Patente ihre Wirkung wahrscheinlich verfehlen. Es
können dergleichen Ausnahmsbewilligungen einer Gratification an verdienstvolle
Erfinder von Seiten des Staat? zwar ein Antrieb zu nützlichen Unternehmungen
sein — allein die Prüfung ist schwer, und der Staat darf sich nicht lächerlich
machen. Oft ist eine Erfindung. wie schon früher erwähnt, so unscheinbar, daß
niemand daran denken kann, sie zu Prämiiren, während sich im Laufe der Zeit
daraus die großartigsten Umwälzungen gestalten. Andererseits tritt wiederum
eine Erfindung mit solchem Pomp und Rumor in die Welt, daß jedermann ihr
Beifall zuklatscht — aber die Erfahrung macht sie zur platzenden Seifenblase.
Man erinnere sich z. B. nur an die von dem deutschen Bunde zweimal gewähr¬
ten Nationalbclohnungen; für die Benutzung des Elektromagnetismus als be¬
wegende Kraft an Wagner, und für, die Erfindung der Schießbaumwolle an
Böttger und Schönbein. Die erstere hat den Erwartungen gar nicht entsprochen;
die letztere hat es nur einer sehr eigenthümlichen Verkettung von. Umständen
zu verdanken, daß sie nutzbarer geworden ist, als die Praxis im Anfang zu¬
gestehen konnte. Ueberdies sind die Völker der Civilisation in der Gegenwart
so herangebildet, daß sie selber aus eigenem Antrieb den Männern zu lohnen
wissen, welche sich praktisch um sie verdient gemacht haben und euren Ersatz
dafür bedürfen. England hat seinem Cobden die Eroberung des Freihandels
mit einer reichen Ehrengabe vergolten; in Deutschland ist dem Begründer der
Arbeiterassociationen der gleiche Beweis der Dankbarkeit zu Theil geworden ;
dem um den Pfennigtarif für Kvhlenfrachten auf den Eisenbahnen unermüdlich
thätigen Justizrath Braun in Coburg hat das deutsche Volk Mühen und Aus¬
lagen reichlich vergütet; es hat auch dem Taucheringenieur Bauer nach Kräften
gegeben, obgleich es sich nur in wenigen Kreisen für seine Künste zu enthusias-
mircn vermochte. Was früher der Staat, das übernimmt jetzt die Gesellschaft:
Vergütung, nicht durch Privilegium oder durch Monopol, sondern durch Absatz
und Anerkennung. Wenn der Erfinder heutzutage etwas Gutes zu Markt
bringt und die nothwendige Geschäftspraxis besitzt, dann kann und wird es
ihm auch an einem Markt nicht fehlen. Diese Wahrheit ist um so unumstö߬
licher, als alljährlich eine Menge neuer Erfindungen auftauchen, die es geradezu
verschmähen, sich durch Patente schützen zu lassen, und dennoch ihren Weg
machen, dennoch ihrem Urheber den erwarteten Lohn eintragen, nebenbei aber
auch gleichzeitig Anderen nützen.

Die Industrie der Neuzeit bedarf weder der künstlichen Stimulationsmittel
mehr, noch des Schutzes und Gängelbandes, um sich naturgemäß in immer
steigender Progression zu entwickeln. Haben wirklich die Patente etwas dazu
beigetragen, sie zu heben — was noch sehr bezweifelt werden darf, da gerade
die wichtigsten industriellen Erfindungen der Welt in die Zeit vor den Patenten


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[0141] Daher werden auch die von verschiedenen Seiten vorgeschlagenen National¬ belohnungen anstatt der Patente ihre Wirkung wahrscheinlich verfehlen. Es können dergleichen Ausnahmsbewilligungen einer Gratification an verdienstvolle Erfinder von Seiten des Staat? zwar ein Antrieb zu nützlichen Unternehmungen sein — allein die Prüfung ist schwer, und der Staat darf sich nicht lächerlich machen. Oft ist eine Erfindung. wie schon früher erwähnt, so unscheinbar, daß niemand daran denken kann, sie zu Prämiiren, während sich im Laufe der Zeit daraus die großartigsten Umwälzungen gestalten. Andererseits tritt wiederum eine Erfindung mit solchem Pomp und Rumor in die Welt, daß jedermann ihr Beifall zuklatscht — aber die Erfahrung macht sie zur platzenden Seifenblase. Man erinnere sich z. B. nur an die von dem deutschen Bunde zweimal gewähr¬ ten Nationalbclohnungen; für die Benutzung des Elektromagnetismus als be¬ wegende Kraft an Wagner, und für, die Erfindung der Schießbaumwolle an Böttger und Schönbein. Die erstere hat den Erwartungen gar nicht entsprochen; die letztere hat es nur einer sehr eigenthümlichen Verkettung von. Umständen zu verdanken, daß sie nutzbarer geworden ist, als die Praxis im Anfang zu¬ gestehen konnte. Ueberdies sind die Völker der Civilisation in der Gegenwart so herangebildet, daß sie selber aus eigenem Antrieb den Männern zu lohnen wissen, welche sich praktisch um sie verdient gemacht haben und euren Ersatz dafür bedürfen. England hat seinem Cobden die Eroberung des Freihandels mit einer reichen Ehrengabe vergolten; in Deutschland ist dem Begründer der Arbeiterassociationen der gleiche Beweis der Dankbarkeit zu Theil geworden ; dem um den Pfennigtarif für Kvhlenfrachten auf den Eisenbahnen unermüdlich thätigen Justizrath Braun in Coburg hat das deutsche Volk Mühen und Aus¬ lagen reichlich vergütet; es hat auch dem Taucheringenieur Bauer nach Kräften gegeben, obgleich es sich nur in wenigen Kreisen für seine Künste zu enthusias- mircn vermochte. Was früher der Staat, das übernimmt jetzt die Gesellschaft: Vergütung, nicht durch Privilegium oder durch Monopol, sondern durch Absatz und Anerkennung. Wenn der Erfinder heutzutage etwas Gutes zu Markt bringt und die nothwendige Geschäftspraxis besitzt, dann kann und wird es ihm auch an einem Markt nicht fehlen. Diese Wahrheit ist um so unumstö߬ licher, als alljährlich eine Menge neuer Erfindungen auftauchen, die es geradezu verschmähen, sich durch Patente schützen zu lassen, und dennoch ihren Weg machen, dennoch ihrem Urheber den erwarteten Lohn eintragen, nebenbei aber auch gleichzeitig Anderen nützen. Die Industrie der Neuzeit bedarf weder der künstlichen Stimulationsmittel mehr, noch des Schutzes und Gängelbandes, um sich naturgemäß in immer steigender Progression zu entwickeln. Haben wirklich die Patente etwas dazu beigetragen, sie zu heben — was noch sehr bezweifelt werden darf, da gerade die wichtigsten industriellen Erfindungen der Welt in die Zeit vor den Patenten 17"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/141>, abgerufen am 24.07.2024.