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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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sechste 13, das siebente 20 Fi., für jedes weitere bis zu 16 Jahren je 6 Fi.
Durch die Verbindung der steigenden Scala mit dem Anmeldeverfahren ist ein
großer Nachtheil des letzteren, die Ueberfluthung, großentheils in Wegfall ge¬
kommen. Es ist aber nothwendig, daß die Steigerung von Jahr zu Jahr
stattfindet, nicht in größeren Zwischenräumen. Erfahrungsgemäß überlebt als¬
dann nur ein geringer Theil der genommenen Patente das dritte, aber niemals
mehr als fünf bis zehn Procent das sechste Jahr. Es ist keine Frage, daß
hierdurch schon vieles gewonnen wird, und daß. wenn man denn einmal ein
Patentgesetz für durchaus nothwendig erachtet, das öffentliche Verfahren mit
steigender Scala wohl am besten dem Zweck entspricht.

Aber ist denn überhaupt ein Patentgesetz nothwendig? Die berliner Kauf¬
mannschaft hat in einem sehr gründlichen Expose die Frage bejaht, allerdings
im Widerspruch zu vielen anderen kaufmännischen und industriellen Corporatio-
nen. Ihr Gutachten lautet: Das in Preußen geltende System geheim gehalte¬
ner, auf Grund einer amtlichen Voruntersuchung ertheilter Patente verwerfen
wir unbedingt und befürworten die baldmöglichste Beseitigung dieses Gesetzes,
Dagegen erachten wir die Ertheilung von Ersindungspatenten mit unbedingter
Publicationsverpflichtung für unentbehrlich und können daher die Abschaffung
der Erfindungspatente überhaupt nicht befürworten. Als das zweckmäßigste
Patcntgesetz erachten wir ein solches mit Anmeldevcrfahren, consultativer Vor¬
untersuchung, richterlichen Schutz des Erfinders, wie des Publicums. Wir em-
fehlcn Patentabgabensystcm mit steigender Scala. Wir können nur in einem
internationalen, oder doch mindestens das ganze Zollgebiet umfassenden, eine
seitlichen Patentgesetze mit gemeinschaftlichen Institutionen einen völlig be¬
friedigenden Abschluß dieser schwierigen, für die fernere gedeihliche Entwickelung
der Industrie und des Handels überaus wichtigen Frage erkennen. -- Die Mo¬
tive dieses Gutachtens sind hauptsächlich folgende: Ohne Patentschutz, also ohne
Belohnung, wird den Befähigten entweder die Lust vergehen, Erfindungen zu
machen, oder sie werden dieselben sorgfältig geheim halten; beides ist ein Nach¬
theil für die Industrie und das Publicum. Es würde demzufolge Geheimnih-
krcimerei an die Stelle freudiger Entwickelung der Technik treten. Es ist( ge¬
recht, daß ein Erfinder für sein Talent und seine Opfer den gebührenden Lohn
erhalte; derselbe kann ihm nicht einfacher und zweckmäßiger werden,Hole durch
Patentverleihung. Die Industrie kann die Patente nicht entbehren; die mit
ihnen verknüpften Uebelstände aber können durch ein entsprechendes Patent¬
gesetz verringert oder gänzlich beseitigt werden.

Dem läßt sich entgegnen: Die wenigsten Erfindungen werden wohl ge¬
macht in der vorausgcsprochenen Absicht, sie gerade durch ein Patent aus¬
zunutzen. Fällt das letztere hinweg, so wird die Geheimniße'rämerei um nicht
Viel größer werden können, als bei dem jetzigen Prüfungsverfahren; bei diesem


sechste 13, das siebente 20 Fi., für jedes weitere bis zu 16 Jahren je 6 Fi.
Durch die Verbindung der steigenden Scala mit dem Anmeldeverfahren ist ein
großer Nachtheil des letzteren, die Ueberfluthung, großentheils in Wegfall ge¬
kommen. Es ist aber nothwendig, daß die Steigerung von Jahr zu Jahr
stattfindet, nicht in größeren Zwischenräumen. Erfahrungsgemäß überlebt als¬
dann nur ein geringer Theil der genommenen Patente das dritte, aber niemals
mehr als fünf bis zehn Procent das sechste Jahr. Es ist keine Frage, daß
hierdurch schon vieles gewonnen wird, und daß. wenn man denn einmal ein
Patentgesetz für durchaus nothwendig erachtet, das öffentliche Verfahren mit
steigender Scala wohl am besten dem Zweck entspricht.

Aber ist denn überhaupt ein Patentgesetz nothwendig? Die berliner Kauf¬
mannschaft hat in einem sehr gründlichen Expose die Frage bejaht, allerdings
im Widerspruch zu vielen anderen kaufmännischen und industriellen Corporatio-
nen. Ihr Gutachten lautet: Das in Preußen geltende System geheim gehalte¬
ner, auf Grund einer amtlichen Voruntersuchung ertheilter Patente verwerfen
wir unbedingt und befürworten die baldmöglichste Beseitigung dieses Gesetzes,
Dagegen erachten wir die Ertheilung von Ersindungspatenten mit unbedingter
Publicationsverpflichtung für unentbehrlich und können daher die Abschaffung
der Erfindungspatente überhaupt nicht befürworten. Als das zweckmäßigste
Patcntgesetz erachten wir ein solches mit Anmeldevcrfahren, consultativer Vor¬
untersuchung, richterlichen Schutz des Erfinders, wie des Publicums. Wir em-
fehlcn Patentabgabensystcm mit steigender Scala. Wir können nur in einem
internationalen, oder doch mindestens das ganze Zollgebiet umfassenden, eine
seitlichen Patentgesetze mit gemeinschaftlichen Institutionen einen völlig be¬
friedigenden Abschluß dieser schwierigen, für die fernere gedeihliche Entwickelung
der Industrie und des Handels überaus wichtigen Frage erkennen. — Die Mo¬
tive dieses Gutachtens sind hauptsächlich folgende: Ohne Patentschutz, also ohne
Belohnung, wird den Befähigten entweder die Lust vergehen, Erfindungen zu
machen, oder sie werden dieselben sorgfältig geheim halten; beides ist ein Nach¬
theil für die Industrie und das Publicum. Es würde demzufolge Geheimnih-
krcimerei an die Stelle freudiger Entwickelung der Technik treten. Es ist( ge¬
recht, daß ein Erfinder für sein Talent und seine Opfer den gebührenden Lohn
erhalte; derselbe kann ihm nicht einfacher und zweckmäßiger werden,Hole durch
Patentverleihung. Die Industrie kann die Patente nicht entbehren; die mit
ihnen verknüpften Uebelstände aber können durch ein entsprechendes Patent¬
gesetz verringert oder gänzlich beseitigt werden.

Dem läßt sich entgegnen: Die wenigsten Erfindungen werden wohl ge¬
macht in der vorausgcsprochenen Absicht, sie gerade durch ein Patent aus¬
zunutzen. Fällt das letztere hinweg, so wird die Geheimniße'rämerei um nicht
Viel größer werden können, als bei dem jetzigen Prüfungsverfahren; bei diesem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/138>, abgerufen am 24.07.2024.