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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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währ. In den einzelnen deutschen Zollvereinsstaaten aber am allerwenigsten.
Denn hier macht, wie das Gutachten des Aeltestencollegiums der berliner Kauf¬
mannschaft mit Recht besonders betont, in der Mehrheit der Fälle schon der
Umstand ein Lcmdespatcnt fast werthlos für den Besitzer, daß die Einführung
patentirter Fabrikate aus anderen Zollvereinsstaaten nicht verhindert werden
kann. Wer sich also schützen will, der muß der Reihe nach bei allen um das
Patent einkommen; weicher Aufenthalt, welche Umwege, welche Kosten! Ist
aber endlich ein Erfinder im festen Besitz seines Patentes, so ist er durch das¬
selbe in vielen Fällen noch nichts weniger, als geschützt. Es giebt bekanntlich
eine Menge Wege, die Patentgesetze zu umgehen, geradezu zu verhöhnen, wie
fast ein jeder Fabrikant nur zu gut weiß. Man eignet sich die patentirte Er¬
findung an, giebt ihr eine veränderte Form, unwesentliche Zuthaten, Ver-
deckungen -- und überläßt es dann ruhig dem Patentinhaber, wenn er sich
beeinträchtigt fühlt, auf verletztes Recht zu klagen. Die Seltenheit der Patent¬
processe in Deuschland sagt besser, als es jede Deduction vermöchte, was dabei
herauskömmt! Der Sachverständigenbewcis ist bekanntlich der schwierigste und
kostspieligste, die Instanz bildet aber die Patentcvmmissivn des Ministeriums
selber, die sich an Beschreibung und Zeichnung in ihren Acten hält. Wo
könnte da ein genügender Rechtsschutz herkommen?

Unbedingt vorzuziehen ist das öffentliche oder Anmeldcverfahren. In Eng¬
land ist die Erlangung eines Patents mit gar keinen Schwierigkeiten, dagegen
mit hohen Kosten verknüpft. Durch die letzteren glaubt man eine Gewähr da¬
für zu erhalten, daß niemand sich um ein werthloses Patent bewerben, sondern
vorher nachrechnen werde, ob das Epitheton "patentirt" an und für sich schon
die Ausgabe verlohne. Ist die Erfindung nichts werth, bricht sie sich also keine
Bahn, so ist die Patcntgebühr eine Geldstrafe für den leichtsinnigen oder un¬
wissenden Inhaber gewesen. Das Patentoffice befaßt sich nicht mit der Prü¬
fung der Neuheit der Erfindung, sondern überläßt es, was nicht ganz mit den
Grundsätzen des positiven Rechtes vereinbar, den Interessenten, welche sich
durch unberechtigten Patentschutz benachteiligt glauben, ihre Ansprüche auf
dem Wege der Civilklage geltend zu machen. Dagegen verlangt oder bewirkt
es eine sofortige Veröffentlichung der Patentspecification. Hierdurch wird
jeder Industrielle a>u kalt gesetzt und vermag selber abzumessen, ob er beein¬
trächtigt oder beeinträchtigt wird. Wird von einem Unberechtigten ein Patent
verletzt, so entscheidet darüber eine mit richterlicher Beihilfe erwählte Sach-
vcrständigencommission; das Gesetz ist streng, das Verfahren dabei ziemlich
rasch, aber höchst kostspielig, so sehr, daß die Proceßkosten oft in einem wahr¬
haft komischen Verhältniß zu der dictirten. Entschädigung oder Strafe stehen.
Das Anmeldeverfahren findet, wie gesagt, in Frankreich, in Oestreich, überhaupt
in allen europäischen Ländern, welche Patentgesetze haben, mit Ausnahme des


währ. In den einzelnen deutschen Zollvereinsstaaten aber am allerwenigsten.
Denn hier macht, wie das Gutachten des Aeltestencollegiums der berliner Kauf¬
mannschaft mit Recht besonders betont, in der Mehrheit der Fälle schon der
Umstand ein Lcmdespatcnt fast werthlos für den Besitzer, daß die Einführung
patentirter Fabrikate aus anderen Zollvereinsstaaten nicht verhindert werden
kann. Wer sich also schützen will, der muß der Reihe nach bei allen um das
Patent einkommen; weicher Aufenthalt, welche Umwege, welche Kosten! Ist
aber endlich ein Erfinder im festen Besitz seines Patentes, so ist er durch das¬
selbe in vielen Fällen noch nichts weniger, als geschützt. Es giebt bekanntlich
eine Menge Wege, die Patentgesetze zu umgehen, geradezu zu verhöhnen, wie
fast ein jeder Fabrikant nur zu gut weiß. Man eignet sich die patentirte Er¬
findung an, giebt ihr eine veränderte Form, unwesentliche Zuthaten, Ver-
deckungen — und überläßt es dann ruhig dem Patentinhaber, wenn er sich
beeinträchtigt fühlt, auf verletztes Recht zu klagen. Die Seltenheit der Patent¬
processe in Deuschland sagt besser, als es jede Deduction vermöchte, was dabei
herauskömmt! Der Sachverständigenbewcis ist bekanntlich der schwierigste und
kostspieligste, die Instanz bildet aber die Patentcvmmissivn des Ministeriums
selber, die sich an Beschreibung und Zeichnung in ihren Acten hält. Wo
könnte da ein genügender Rechtsschutz herkommen?

Unbedingt vorzuziehen ist das öffentliche oder Anmeldcverfahren. In Eng¬
land ist die Erlangung eines Patents mit gar keinen Schwierigkeiten, dagegen
mit hohen Kosten verknüpft. Durch die letzteren glaubt man eine Gewähr da¬
für zu erhalten, daß niemand sich um ein werthloses Patent bewerben, sondern
vorher nachrechnen werde, ob das Epitheton „patentirt" an und für sich schon
die Ausgabe verlohne. Ist die Erfindung nichts werth, bricht sie sich also keine
Bahn, so ist die Patcntgebühr eine Geldstrafe für den leichtsinnigen oder un¬
wissenden Inhaber gewesen. Das Patentoffice befaßt sich nicht mit der Prü¬
fung der Neuheit der Erfindung, sondern überläßt es, was nicht ganz mit den
Grundsätzen des positiven Rechtes vereinbar, den Interessenten, welche sich
durch unberechtigten Patentschutz benachteiligt glauben, ihre Ansprüche auf
dem Wege der Civilklage geltend zu machen. Dagegen verlangt oder bewirkt
es eine sofortige Veröffentlichung der Patentspecification. Hierdurch wird
jeder Industrielle a>u kalt gesetzt und vermag selber abzumessen, ob er beein¬
trächtigt oder beeinträchtigt wird. Wird von einem Unberechtigten ein Patent
verletzt, so entscheidet darüber eine mit richterlicher Beihilfe erwählte Sach-
vcrständigencommission; das Gesetz ist streng, das Verfahren dabei ziemlich
rasch, aber höchst kostspielig, so sehr, daß die Proceßkosten oft in einem wahr¬
haft komischen Verhältniß zu der dictirten. Entschädigung oder Strafe stehen.
Das Anmeldeverfahren findet, wie gesagt, in Frankreich, in Oestreich, überhaupt
in allen europäischen Ländern, welche Patentgesetze haben, mit Ausnahme des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/135>, abgerufen am 24.07.2024.