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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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und wie interessant die Studien, die man auch hier zur Naturgeschichte der
Ohrwürmer machen kann!

Der größte Mißgriff, der bei der Execution vorgefallen ist, liegt nach hie¬
siger Ansicht darin, daß sie die Bnndescvmmissäre bei Scheel-Plessen in Altona
einquartiert haben, wo dieser gesammtstaatliche Intriguant die Herren in aller
Muße bearbeiten kann. Hier ist auch die Erklärung der wundersamen Schwan¬
kungen des Hofes in Hannover zu suchen, mit welchem Scheel-Plessen, Revent-
low-Jersbeck (der Altenhofer hat sich bekanntlich als guter Patriot benommen).
Blome und Genossen von Alters her in Verbindung stehen. Dazu kommt der
hannoversche Minister v. Platen-Haltermund, der hier große Güter besitzt.
Diese würdigen Herrschaften wollen Dänemark den Genuß einer Junkcrvcrfassung
verschaffen, aber keineswegs die Verbindung mit Dänemark aufheben, alle,
weil sie in Angst vor preußischer Annectirung leben, einige, weil sie in einem
Gesammtstaat eine große Rolle spielen würden (was namentlich von Scheel-
Plessen gilt, der eminente Geschäftstalente haben soll), andere endlich, weil sie
auf Seeland oder Fühnen begütert sind. Der Schlimmste aber ist einer, der
wie die Spinne im Dunkeln seine Fäden webt, und den Sie sich einmal zum
Gegenstande des Studiums machen sollten. Durch niedere Herkunft von einer
glänzenden Stellung am stolzen Welfenhof ausgeschlossen, sucht er seineu Ehr¬
geiz darin, überall seine Hand im Spiele zu haben, und da der Hof ihn über
unsre Verhältnisse zu consultircn pflegt, so hat er sie -- ich meine den
Staatsrath Zimmermann -- wirklich zu unserm Schaden darin. Jnformircn
Sie sich doch über diesen Würdigen genauer; das in halber Verborgenheit blü¬
hende Veilchen ans Licht zu ziehen, könnte des Schweißes der Edeln werth sein.

Man muß übrigens zugestehen, daß die Bundescommissäre sich bis jetzt
trotz der trüben Quelle, an der sie sitzen, musterhaft benommen haben. Nament¬
lich Ihr Landsmann v. Könneritz hat sich hier in Kiel einen großen Stein im
Brete erworben. Die Absetzungen undeutsch gesinnter Beamten erfolgen prompt
und in taktvoller Auswahl. Eine gute Anzahl dieser Schächer ist bereits un"
schädlich gemacht, und andere werden hoffentlich in diesen Tagen nachfolgen.
Viel Freude hat es in Kiel bereitet, daß der Regierungsrath Rosen ebenfalls
gefallen ist, und noch ergötzlicher klang die Nachricht, daß der Curator der
Universität gleichzeitig und zwar mitten unter den dänischen Bagagewagen mit
abgefahren sei. Die Combination nahm sich ein wenig mythologisch aus, ist
aber ebenso thatsächlicher Natur wie die vielen Schulden, die der Lebemann
hinterlassen hat.

Was der Herzog (er wohnt im Eisenbahn-Hotel sehr einfach und ist jetzt
wenig öffentlich zu sehen) sich von der nächsten Zukunft verspricht, weiß ich natürlich
nicht. Im Volke fand ich viel gute Hoffnung und den besten Willen. Weiterblickende
ahnen nichts Gutes, und gewisse Haruspices, die ich sprach, hatten sich nach


und wie interessant die Studien, die man auch hier zur Naturgeschichte der
Ohrwürmer machen kann!

Der größte Mißgriff, der bei der Execution vorgefallen ist, liegt nach hie¬
siger Ansicht darin, daß sie die Bnndescvmmissäre bei Scheel-Plessen in Altona
einquartiert haben, wo dieser gesammtstaatliche Intriguant die Herren in aller
Muße bearbeiten kann. Hier ist auch die Erklärung der wundersamen Schwan¬
kungen des Hofes in Hannover zu suchen, mit welchem Scheel-Plessen, Revent-
low-Jersbeck (der Altenhofer hat sich bekanntlich als guter Patriot benommen).
Blome und Genossen von Alters her in Verbindung stehen. Dazu kommt der
hannoversche Minister v. Platen-Haltermund, der hier große Güter besitzt.
Diese würdigen Herrschaften wollen Dänemark den Genuß einer Junkcrvcrfassung
verschaffen, aber keineswegs die Verbindung mit Dänemark aufheben, alle,
weil sie in Angst vor preußischer Annectirung leben, einige, weil sie in einem
Gesammtstaat eine große Rolle spielen würden (was namentlich von Scheel-
Plessen gilt, der eminente Geschäftstalente haben soll), andere endlich, weil sie
auf Seeland oder Fühnen begütert sind. Der Schlimmste aber ist einer, der
wie die Spinne im Dunkeln seine Fäden webt, und den Sie sich einmal zum
Gegenstande des Studiums machen sollten. Durch niedere Herkunft von einer
glänzenden Stellung am stolzen Welfenhof ausgeschlossen, sucht er seineu Ehr¬
geiz darin, überall seine Hand im Spiele zu haben, und da der Hof ihn über
unsre Verhältnisse zu consultircn pflegt, so hat er sie — ich meine den
Staatsrath Zimmermann — wirklich zu unserm Schaden darin. Jnformircn
Sie sich doch über diesen Würdigen genauer; das in halber Verborgenheit blü¬
hende Veilchen ans Licht zu ziehen, könnte des Schweißes der Edeln werth sein.

Man muß übrigens zugestehen, daß die Bundescommissäre sich bis jetzt
trotz der trüben Quelle, an der sie sitzen, musterhaft benommen haben. Nament¬
lich Ihr Landsmann v. Könneritz hat sich hier in Kiel einen großen Stein im
Brete erworben. Die Absetzungen undeutsch gesinnter Beamten erfolgen prompt
und in taktvoller Auswahl. Eine gute Anzahl dieser Schächer ist bereits un"
schädlich gemacht, und andere werden hoffentlich in diesen Tagen nachfolgen.
Viel Freude hat es in Kiel bereitet, daß der Regierungsrath Rosen ebenfalls
gefallen ist, und noch ergötzlicher klang die Nachricht, daß der Curator der
Universität gleichzeitig und zwar mitten unter den dänischen Bagagewagen mit
abgefahren sei. Die Combination nahm sich ein wenig mythologisch aus, ist
aber ebenso thatsächlicher Natur wie die vielen Schulden, die der Lebemann
hinterlassen hat.

Was der Herzog (er wohnt im Eisenbahn-Hotel sehr einfach und ist jetzt
wenig öffentlich zu sehen) sich von der nächsten Zukunft verspricht, weiß ich natürlich
nicht. Im Volke fand ich viel gute Hoffnung und den besten Willen. Weiterblickende
ahnen nichts Gutes, und gewisse Haruspices, die ich sprach, hatten sich nach


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[0124] und wie interessant die Studien, die man auch hier zur Naturgeschichte der Ohrwürmer machen kann! Der größte Mißgriff, der bei der Execution vorgefallen ist, liegt nach hie¬ siger Ansicht darin, daß sie die Bnndescvmmissäre bei Scheel-Plessen in Altona einquartiert haben, wo dieser gesammtstaatliche Intriguant die Herren in aller Muße bearbeiten kann. Hier ist auch die Erklärung der wundersamen Schwan¬ kungen des Hofes in Hannover zu suchen, mit welchem Scheel-Plessen, Revent- low-Jersbeck (der Altenhofer hat sich bekanntlich als guter Patriot benommen). Blome und Genossen von Alters her in Verbindung stehen. Dazu kommt der hannoversche Minister v. Platen-Haltermund, der hier große Güter besitzt. Diese würdigen Herrschaften wollen Dänemark den Genuß einer Junkcrvcrfassung verschaffen, aber keineswegs die Verbindung mit Dänemark aufheben, alle, weil sie in Angst vor preußischer Annectirung leben, einige, weil sie in einem Gesammtstaat eine große Rolle spielen würden (was namentlich von Scheel- Plessen gilt, der eminente Geschäftstalente haben soll), andere endlich, weil sie auf Seeland oder Fühnen begütert sind. Der Schlimmste aber ist einer, der wie die Spinne im Dunkeln seine Fäden webt, und den Sie sich einmal zum Gegenstande des Studiums machen sollten. Durch niedere Herkunft von einer glänzenden Stellung am stolzen Welfenhof ausgeschlossen, sucht er seineu Ehr¬ geiz darin, überall seine Hand im Spiele zu haben, und da der Hof ihn über unsre Verhältnisse zu consultircn pflegt, so hat er sie — ich meine den Staatsrath Zimmermann — wirklich zu unserm Schaden darin. Jnformircn Sie sich doch über diesen Würdigen genauer; das in halber Verborgenheit blü¬ hende Veilchen ans Licht zu ziehen, könnte des Schweißes der Edeln werth sein. Man muß übrigens zugestehen, daß die Bundescommissäre sich bis jetzt trotz der trüben Quelle, an der sie sitzen, musterhaft benommen haben. Nament¬ lich Ihr Landsmann v. Könneritz hat sich hier in Kiel einen großen Stein im Brete erworben. Die Absetzungen undeutsch gesinnter Beamten erfolgen prompt und in taktvoller Auswahl. Eine gute Anzahl dieser Schächer ist bereits un" schädlich gemacht, und andere werden hoffentlich in diesen Tagen nachfolgen. Viel Freude hat es in Kiel bereitet, daß der Regierungsrath Rosen ebenfalls gefallen ist, und noch ergötzlicher klang die Nachricht, daß der Curator der Universität gleichzeitig und zwar mitten unter den dänischen Bagagewagen mit abgefahren sei. Die Combination nahm sich ein wenig mythologisch aus, ist aber ebenso thatsächlicher Natur wie die vielen Schulden, die der Lebemann hinterlassen hat. Was der Herzog (er wohnt im Eisenbahn-Hotel sehr einfach und ist jetzt wenig öffentlich zu sehen) sich von der nächsten Zukunft verspricht, weiß ich natürlich nicht. Im Volke fand ich viel gute Hoffnung und den besten Willen. Weiterblickende ahnen nichts Gutes, und gewisse Haruspices, die ich sprach, hatten sich nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/124>, abgerufen am 01.07.2024.