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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Im Folgenden versuche ich Ihrem Wunsche, einiges Nähere über hiesige
Zustände zu erfahren, soweit mir für jetzt möglich, zu entsprechen. Ob Ihnen
der Brief zukommen wird, weiß ich nicht zu sagen, da über das dänische Post-
comptoir in Hamburg eigenthümliche Gerüchte gehen. Ueber den Empfang der
Bundestruppen, dann über die Feierlichkeiten, mit denen man den Herzog ehrte,
weiß ich Ihnen nichts zu schreiben, was nicht schon in den Tagesblättern zu
lesen gewesen wäre. Ihre Landsleute. die Sachsen, haben sich hier einen
recht guten Namen gemacht, vorzüglich die älteren Offiziere und der gemeine
Soldat. Wenn Herr v. Schimpfs die blaurothweiße Fahne nicht liebt und diese
Abneigung durchaus aussprechen mußte, so hält man das hier für kein welt¬
geschichtliches Ereignis;, sondern nur für die Verirrung eines Privatgeschmacks.
Die ihm verhaßten Farben bleiben darum doch die legitimen, und der Herr
General wird für dieselben zu thun und zu lassen haben, was ihm wie jedem
Gemeinen von Dresden aus zu thun und zu lassen befohlen wird. Wenn ferner
der eine oder der andere jüngere Offizier sich unpatriotische Airs giebt, ein Leutnant
z. B. sitzen blieb, als in der kieler Harmonie ein Toast auf den Herzog aus¬
gebracht wurde, so verzeiht man das seiner Jugend und freut sich, daß Andere
geläutertere Begriffe von Anstand haben. Man verzeiht dies um so mehr, als
der hannöversche Offizier -- es sind fast lauter Vollblutjunker. -- noch weniger
Verstand und gute Gesinnung zeigen soll.

Interessanter als diese Kleinigkeiten ist, was ich hier über die Herren Von
der Universität in Erfahrung brachte. Im Ganzen und Großen verdient diese
Classe das Lob, das ihr in den Zeitungen gespendet wird, reichlich, und nach
allem, was ich höre, möchte ich den Senat sehen, der sich unter gleichen Um¬
ständen tapferer hielte, wie der hiesige sich gehalten hat, als die Forderung an
ihn gestellt wurde, dem Protokollherzog den Homagialeid zu leisten. Planck,
Behn, Karsten, Thaulow, die große Mehrzahl der älteren Professoren und,
soviel ich weiß, alle jüngeren Docenten haben sich über alles Lob erhaben be¬
nommen. Doch gab es unter den Rechtgläubigen auch etliche heimliche Juden
und Magier, die sich unzweifelhaft vor dem dänischen Götzen gebeugt hätten,
wenn die Execution ihn nicht aus dem Lande geworfen hätte, und da ein Bild
ohne Schatten kein wahres ist, so mögen einige Andeutungen hierüber von
Nutzen sein.


Im Folgenden versuche ich Ihrem Wunsche, einiges Nähere über hiesige
Zustände zu erfahren, soweit mir für jetzt möglich, zu entsprechen. Ob Ihnen
der Brief zukommen wird, weiß ich nicht zu sagen, da über das dänische Post-
comptoir in Hamburg eigenthümliche Gerüchte gehen. Ueber den Empfang der
Bundestruppen, dann über die Feierlichkeiten, mit denen man den Herzog ehrte,
weiß ich Ihnen nichts zu schreiben, was nicht schon in den Tagesblättern zu
lesen gewesen wäre. Ihre Landsleute. die Sachsen, haben sich hier einen
recht guten Namen gemacht, vorzüglich die älteren Offiziere und der gemeine
Soldat. Wenn Herr v. Schimpfs die blaurothweiße Fahne nicht liebt und diese
Abneigung durchaus aussprechen mußte, so hält man das hier für kein welt¬
geschichtliches Ereignis;, sondern nur für die Verirrung eines Privatgeschmacks.
Die ihm verhaßten Farben bleiben darum doch die legitimen, und der Herr
General wird für dieselben zu thun und zu lassen haben, was ihm wie jedem
Gemeinen von Dresden aus zu thun und zu lassen befohlen wird. Wenn ferner
der eine oder der andere jüngere Offizier sich unpatriotische Airs giebt, ein Leutnant
z. B. sitzen blieb, als in der kieler Harmonie ein Toast auf den Herzog aus¬
gebracht wurde, so verzeiht man das seiner Jugend und freut sich, daß Andere
geläutertere Begriffe von Anstand haben. Man verzeiht dies um so mehr, als
der hannöversche Offizier — es sind fast lauter Vollblutjunker. — noch weniger
Verstand und gute Gesinnung zeigen soll.

Interessanter als diese Kleinigkeiten ist, was ich hier über die Herren Von
der Universität in Erfahrung brachte. Im Ganzen und Großen verdient diese
Classe das Lob, das ihr in den Zeitungen gespendet wird, reichlich, und nach
allem, was ich höre, möchte ich den Senat sehen, der sich unter gleichen Um¬
ständen tapferer hielte, wie der hiesige sich gehalten hat, als die Forderung an
ihn gestellt wurde, dem Protokollherzog den Homagialeid zu leisten. Planck,
Behn, Karsten, Thaulow, die große Mehrzahl der älteren Professoren und,
soviel ich weiß, alle jüngeren Docenten haben sich über alles Lob erhaben be¬
nommen. Doch gab es unter den Rechtgläubigen auch etliche heimliche Juden
und Magier, die sich unzweifelhaft vor dem dänischen Götzen gebeugt hätten,
wenn die Execution ihn nicht aus dem Lande geworfen hätte, und da ein Bild
ohne Schatten kein wahres ist, so mögen einige Andeutungen hierüber von
Nutzen sein.


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[0122] Im Folgenden versuche ich Ihrem Wunsche, einiges Nähere über hiesige Zustände zu erfahren, soweit mir für jetzt möglich, zu entsprechen. Ob Ihnen der Brief zukommen wird, weiß ich nicht zu sagen, da über das dänische Post- comptoir in Hamburg eigenthümliche Gerüchte gehen. Ueber den Empfang der Bundestruppen, dann über die Feierlichkeiten, mit denen man den Herzog ehrte, weiß ich Ihnen nichts zu schreiben, was nicht schon in den Tagesblättern zu lesen gewesen wäre. Ihre Landsleute. die Sachsen, haben sich hier einen recht guten Namen gemacht, vorzüglich die älteren Offiziere und der gemeine Soldat. Wenn Herr v. Schimpfs die blaurothweiße Fahne nicht liebt und diese Abneigung durchaus aussprechen mußte, so hält man das hier für kein welt¬ geschichtliches Ereignis;, sondern nur für die Verirrung eines Privatgeschmacks. Die ihm verhaßten Farben bleiben darum doch die legitimen, und der Herr General wird für dieselben zu thun und zu lassen haben, was ihm wie jedem Gemeinen von Dresden aus zu thun und zu lassen befohlen wird. Wenn ferner der eine oder der andere jüngere Offizier sich unpatriotische Airs giebt, ein Leutnant z. B. sitzen blieb, als in der kieler Harmonie ein Toast auf den Herzog aus¬ gebracht wurde, so verzeiht man das seiner Jugend und freut sich, daß Andere geläutertere Begriffe von Anstand haben. Man verzeiht dies um so mehr, als der hannöversche Offizier — es sind fast lauter Vollblutjunker. — noch weniger Verstand und gute Gesinnung zeigen soll. Interessanter als diese Kleinigkeiten ist, was ich hier über die Herren Von der Universität in Erfahrung brachte. Im Ganzen und Großen verdient diese Classe das Lob, das ihr in den Zeitungen gespendet wird, reichlich, und nach allem, was ich höre, möchte ich den Senat sehen, der sich unter gleichen Um¬ ständen tapferer hielte, wie der hiesige sich gehalten hat, als die Forderung an ihn gestellt wurde, dem Protokollherzog den Homagialeid zu leisten. Planck, Behn, Karsten, Thaulow, die große Mehrzahl der älteren Professoren und, soviel ich weiß, alle jüngeren Docenten haben sich über alles Lob erhaben be¬ nommen. Doch gab es unter den Rechtgläubigen auch etliche heimliche Juden und Magier, die sich unzweifelhaft vor dem dänischen Götzen gebeugt hätten, wenn die Execution ihn nicht aus dem Lande geworfen hätte, und da ein Bild ohne Schatten kein wahres ist, so mögen einige Andeutungen hierüber von Nutzen sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/122>, abgerufen am 04.07.2024.