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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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im raschen Schritt zu reiten, soweit dies ihre lahmen Pferde vermochten. Das
genügte mir nicht, und so hieß ich sie traben; sie nahmen uns zwischen
sich, und indem wir uns an den Steigbügel hielten, trabten wir munter mit.
Dies wurde eine gute halbe Stunde lang fortgesetzt, und so gelang es uns
das Dorf eher zu erreichen, als die Bauern, und hier hatte auch alle Noth
ein Ende. In dem Dorfe befanden sich Kosaken mit Fuhrwerk und Pferden.
Es war nur ein Unteroffizier dabei, an den ich mich mit der Frage wendete,
ob er mir nicht ein Pferd verkaufen könnte? Er war gleich dazu bereit und
zeigte mir einen abgetriebenen Rappen, der aber sonst gesund und ein junges
Thier war und nur ermüdet schien. Leider konnte der Kosak mir keinen Sat¬
tel dazu geben, und als Zaum erhielt ich nur eine schlechte Trense. Ich be¬
stieg meinen Rappen sogleich, war glückselig, mich ausruhen zu können, trieb
das Pferd an, und siehe da, es ging, da es viel Temperament hatte, sogar Ga¬
lopp. Um nach Bourbonne les Bains zu kommen, das nur noch zwei Lieues
entfernt war, mußten wir einen Wald Passiren; noch ehe wir ihn betraten, er¬
reichten wir ein würtcmbcrgischcs Depot von kranken Pferden, etwa 150 Stück,
das ebenfalls nach Bourbonne marschirte; es war ein Offizier dabei, den
ich begrüßte und den ich fragte, ob er von dem Zusammenrollen der Bauern
noch nichts bemerkt habe? Er sagte mir, daß es ihm allerdings so geschie¬
nen, daß er aber aus Erfahrung noch nicht sprechen könne; übrigens mar-
schire er vorsichtig. Er habe zwar nur fünfzig Mann, und mancker habe vier
bis fünf Pferde, weil er sich so einrichten müsse, um einige Leute zur Be¬
deckung übrig zu behalten.

Vor uns lag ein Wald, den wir Passiren mußten; ich machte ihn darauf
aufmerksam, und er schickte eine Patrouille von drei Husaren voraus. Diese
kam nach etwa einer guten Viertelstunde zurück und meldete, sie habe nichts
Verdächtiges bemerkt. Wir betraten nun den Wald, der ziemlich dicht war, so
daß man nicht weit sehen konnte. Etwa eine Viertelstunde mochten wir marschirt
sein, als plötzlich vorn ein Schuß fiel. "Sehen Sie wohl," sagte ich, "der
Wald ist von Bauern besetzt." Er befahl nun Trab, aber kaum waren wir
einige 30 Schritte gekräht, als mehre SMsse krachten. Sofort setzten wir uns
in Galopp, und nach einer guten Viertelstunde hatten wir den Wald durch¬
ritten. Als wir ins Freie kamen, wo alles ruhig und sicher war, fand es sich,
daß ein Husar und zwei Pferde blessirt waren.

Nach etwa einer Stunde erreichten wir denn Bourbonne les Bains, ein
kleines Städtchen, wo ein östreichischer Rittmeister von den ungarischen Husaren
Commandant war. Ich erhielt ein recht gutes Quartier, wo ich mich ausruhen
und mein Auge Pflegen konnte, welches durch das Tags vorher in Bourmvnt
le Bourg erhaltene Medicament bedeutend besser geworden war, so daß ich es
nicht mehr verbunden zu halten brauchte.


Grenzboten I. 18V4. - 14

im raschen Schritt zu reiten, soweit dies ihre lahmen Pferde vermochten. Das
genügte mir nicht, und so hieß ich sie traben; sie nahmen uns zwischen
sich, und indem wir uns an den Steigbügel hielten, trabten wir munter mit.
Dies wurde eine gute halbe Stunde lang fortgesetzt, und so gelang es uns
das Dorf eher zu erreichen, als die Bauern, und hier hatte auch alle Noth
ein Ende. In dem Dorfe befanden sich Kosaken mit Fuhrwerk und Pferden.
Es war nur ein Unteroffizier dabei, an den ich mich mit der Frage wendete,
ob er mir nicht ein Pferd verkaufen könnte? Er war gleich dazu bereit und
zeigte mir einen abgetriebenen Rappen, der aber sonst gesund und ein junges
Thier war und nur ermüdet schien. Leider konnte der Kosak mir keinen Sat¬
tel dazu geben, und als Zaum erhielt ich nur eine schlechte Trense. Ich be¬
stieg meinen Rappen sogleich, war glückselig, mich ausruhen zu können, trieb
das Pferd an, und siehe da, es ging, da es viel Temperament hatte, sogar Ga¬
lopp. Um nach Bourbonne les Bains zu kommen, das nur noch zwei Lieues
entfernt war, mußten wir einen Wald Passiren; noch ehe wir ihn betraten, er¬
reichten wir ein würtcmbcrgischcs Depot von kranken Pferden, etwa 150 Stück,
das ebenfalls nach Bourbonne marschirte; es war ein Offizier dabei, den
ich begrüßte und den ich fragte, ob er von dem Zusammenrollen der Bauern
noch nichts bemerkt habe? Er sagte mir, daß es ihm allerdings so geschie¬
nen, daß er aber aus Erfahrung noch nicht sprechen könne; übrigens mar-
schire er vorsichtig. Er habe zwar nur fünfzig Mann, und mancker habe vier
bis fünf Pferde, weil er sich so einrichten müsse, um einige Leute zur Be¬
deckung übrig zu behalten.

Vor uns lag ein Wald, den wir Passiren mußten; ich machte ihn darauf
aufmerksam, und er schickte eine Patrouille von drei Husaren voraus. Diese
kam nach etwa einer guten Viertelstunde zurück und meldete, sie habe nichts
Verdächtiges bemerkt. Wir betraten nun den Wald, der ziemlich dicht war, so
daß man nicht weit sehen konnte. Etwa eine Viertelstunde mochten wir marschirt
sein, als plötzlich vorn ein Schuß fiel. „Sehen Sie wohl," sagte ich, „der
Wald ist von Bauern besetzt." Er befahl nun Trab, aber kaum waren wir
einige 30 Schritte gekräht, als mehre SMsse krachten. Sofort setzten wir uns
in Galopp, und nach einer guten Viertelstunde hatten wir den Wald durch¬
ritten. Als wir ins Freie kamen, wo alles ruhig und sicher war, fand es sich,
daß ein Husar und zwei Pferde blessirt waren.

Nach etwa einer Stunde erreichten wir denn Bourbonne les Bains, ein
kleines Städtchen, wo ein östreichischer Rittmeister von den ungarischen Husaren
Commandant war. Ich erhielt ein recht gutes Quartier, wo ich mich ausruhen
und mein Auge Pflegen konnte, welches durch das Tags vorher in Bourmvnt
le Bourg erhaltene Medicament bedeutend besser geworden war, so daß ich es
nicht mehr verbunden zu halten brauchte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/115>, abgerufen am 24.07.2024.