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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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cestershirische Patois, welches der ehrenwerthe Herr Schaal gesprochen haben
mag. vorstellen und vertreten. Die Einrichtung und Ausstattung der Schlu߬
scene des vierten Auszugs verdient alles Lob. Das Zimmer, in dem Hein¬
rich stirbt, heißt Jerusalem, was durch die an den Wänden angebrachten Bil¬
der und Scenen aus der Keiligen Stadt sinnig erklärt wird. Als der König
seine letzten Worte


IZllt dear Mo de> trat, ebitinbör; there l'II lie:
In r,bg.t ^örusalsm sbirll Rarr^ 6is,

die nun nach der scenischen Einrichtung und der Verwandlung des irmvi' rM't
"l tliL room bei Shakespeare in den Vordergrund unserer Bühne einige Ver¬
änderung erleiden, gesprochen hat, strömt auf das Läuten der Glocke die
Dienerschaft des Palastes herbei und gestaltet sich mit den Prinzen zu einer male¬
rischen Gruppe um die Leiche des Königs.

Diese Schlußscene ist von ergreifender Tiefe: noch einmal taucht der ster¬
bende König unter in die Erinnerung an das Vergangene. Wie er die Krone
durch Raub gewonnen und wie ein Leben voll steter Sorge und nie ruhender
Kämpfe der Lohn des Unrechts war, tritt ihm vor Augen. Aber nun ist die
Sünde gebüßt: sein Sohn Heinrich wird die vom Vater übel erworbene Krone
nach bestem Erbrecht tragen:


Ilow I eams dz? tbs cronn, 0 <Zoä, torgivö,
^.nÄ graut it. may with tliss in tru<z xsaes live.

Nun aber zu der oben angekündigten Principienfrage. Dingelstedt bat sich
im Streichen einzelner Sachen und ganzer Personen und in den mannigfaltigsten
Veränderungen, welche hier aufzuzählen mir unmöglich und, wenn möglich,
nicht nothwendig erscheint, mit größter Freiheit bei seiner Bearbeitung bewegt.
Ich habe dies schon oben ausgesprochen und hinzugesetzt, daß ich weit entfernt
von jener scrupulöser Pietät, die ein Wort zu ändern bei Shakespeare für eine
Art von ästhetischem Hochverrath erklärt, und sehr geneigt bin. dem Bearbeiter die
weitgehendsten Zugeständnisse zu machen. Aber in dem vorliegenden Drama
hat Dingelstedt eine Veränderung vorgenommen, die über alles, was man zu¬
gestehen kann, weit hinausreicht. Die Sache ist folgende.

Act II. Scene 3 wird von Lady Northumberland und der Wittwe Percyö
der Versuch gemacht, den alten Northumberland von der Theilnahme am Auf¬
stand zurückzuhalten. Die Rolle der Lady Northumberland ist von Dingelstedt
gestrichen: gut. Es bleibt also die Rede der Wittwe. Was führt sie für
Gründe an, den Vater ihres Gemahls zurückzuhalten? Hören wir.


Um Gottes willen, nicht in diesen Krieg!
Einst habt ihr, Vater, euer Wort gebrochen,
Da ihr ihm mehr verbunden wart, als jetzt;
Als euer Percy, mein herzlicher Percy

cestershirische Patois, welches der ehrenwerthe Herr Schaal gesprochen haben
mag. vorstellen und vertreten. Die Einrichtung und Ausstattung der Schlu߬
scene des vierten Auszugs verdient alles Lob. Das Zimmer, in dem Hein¬
rich stirbt, heißt Jerusalem, was durch die an den Wänden angebrachten Bil¬
der und Scenen aus der Keiligen Stadt sinnig erklärt wird. Als der König
seine letzten Worte


IZllt dear Mo de> trat, ebitinbör; there l'II lie:
In r,bg.t ^örusalsm sbirll Rarr^ 6is,

die nun nach der scenischen Einrichtung und der Verwandlung des irmvi' rM't
»l tliL room bei Shakespeare in den Vordergrund unserer Bühne einige Ver¬
änderung erleiden, gesprochen hat, strömt auf das Läuten der Glocke die
Dienerschaft des Palastes herbei und gestaltet sich mit den Prinzen zu einer male¬
rischen Gruppe um die Leiche des Königs.

Diese Schlußscene ist von ergreifender Tiefe: noch einmal taucht der ster¬
bende König unter in die Erinnerung an das Vergangene. Wie er die Krone
durch Raub gewonnen und wie ein Leben voll steter Sorge und nie ruhender
Kämpfe der Lohn des Unrechts war, tritt ihm vor Augen. Aber nun ist die
Sünde gebüßt: sein Sohn Heinrich wird die vom Vater übel erworbene Krone
nach bestem Erbrecht tragen:


Ilow I eams dz? tbs cronn, 0 <Zoä, torgivö,
^.nÄ graut it. may with tliss in tru<z xsaes live.

Nun aber zu der oben angekündigten Principienfrage. Dingelstedt bat sich
im Streichen einzelner Sachen und ganzer Personen und in den mannigfaltigsten
Veränderungen, welche hier aufzuzählen mir unmöglich und, wenn möglich,
nicht nothwendig erscheint, mit größter Freiheit bei seiner Bearbeitung bewegt.
Ich habe dies schon oben ausgesprochen und hinzugesetzt, daß ich weit entfernt
von jener scrupulöser Pietät, die ein Wort zu ändern bei Shakespeare für eine
Art von ästhetischem Hochverrath erklärt, und sehr geneigt bin. dem Bearbeiter die
weitgehendsten Zugeständnisse zu machen. Aber in dem vorliegenden Drama
hat Dingelstedt eine Veränderung vorgenommen, die über alles, was man zu¬
gestehen kann, weit hinausreicht. Die Sache ist folgende.

Act II. Scene 3 wird von Lady Northumberland und der Wittwe Percyö
der Versuch gemacht, den alten Northumberland von der Theilnahme am Auf¬
stand zurückzuhalten. Die Rolle der Lady Northumberland ist von Dingelstedt
gestrichen: gut. Es bleibt also die Rede der Wittwe. Was führt sie für
Gründe an, den Vater ihres Gemahls zurückzuhalten? Hören wir.


Um Gottes willen, nicht in diesen Krieg!
Einst habt ihr, Vater, euer Wort gebrochen,
Da ihr ihm mehr verbunden wart, als jetzt;
Als euer Percy, mein herzlicher Percy

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/108>, abgerufen am 24.07.2024.