Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.wiederholte: "Nach den Umständen!" worauf Entlassung des Eilboten durch Wohl war es für Seydlitz eine Ehre, einen König zum Censor zu haben, zu¬ Charakterbilder aus der preußischen Geschichte sür Schule und Haus. Bearbeitet von Heinrich Reiser. Stuttgart, Hallberger. 1863. 294 S. Ein ziemlich wunderliches Buch, namentlich in seiner letzten Hälfte, welche die wiederholte: „Nach den Umständen!" worauf Entlassung des Eilboten durch Wohl war es für Seydlitz eine Ehre, einen König zum Censor zu haben, zu¬ Charakterbilder aus der preußischen Geschichte sür Schule und Haus. Bearbeitet von Heinrich Reiser. Stuttgart, Hallberger. 1863. 294 S. Ein ziemlich wunderliches Buch, namentlich in seiner letzten Hälfte, welche die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0401" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188428"/> <p xml:id="ID_1268" prev="#ID_1267"> wiederholte: „Nach den Umständen!" worauf Entlassung des Eilboten durch<lb/> allergnädigste Handbewegung. Als Seydlitz dann im Jahre 1820 die Handschrist<lb/> seines Tagebuchs, wie vorgeschrieben, der militärischen Censurbehörde einreichte,<lb/> wurden mehre Stellen und namentlich eine, in welcher gesagt war „York habe bei<lb/> Uebernahme seines Kommandos weder eine öffentliche noch eine geheime Instruction<lb/> gehabt", beanstandet und dem König zu sclbsteigcnstcr Entscheidung vorgelegt. Der¬<lb/> selbe bemerkte zu jener Stelle eigenhändig: „Der Nichtcxistcnz geheimer Instruc-<lb/> tionen für den General York darf keine Erwähnung geschehen", und die Stelle<lb/> wurde gestrichen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1269"> Wohl war es für Seydlitz eine Ehre, einen König zum Censor zu haben, zu¬<lb/> mal einen König, der, wie uns seine Biographen sagen, Wahrheit und Recht über<lb/> Alles liebte. Wir aber ziehen es bis auf Weiteres vor, uns an Yorks Meinung<lb/> über die Sache zu halten. Als Seydlitz demselben 1823 die ihm zur Benutzung<lb/> bei Ausarbeitung seines Tagebuchs überlassenen Papiere durch Valentin! zurückschickte,<lb/> schrieb York an letzteren: „Vielleicht, daß durch diese Papiere in der Zukunft ein¬<lb/> mal bewiesen wird, daß ich aus eignem Gefühl gehandelt. Jetzt glaubt Mancher<lb/> noch, ich habe geheime Befehle gehabt und sei von andrer Seite impulsirt worden.<lb/> Mein Sohn kann einst Gebrauch davon machen, wenn man, wie es in der Regel<lb/> geschieht, meine Handlungen verkümmern will." Der Zeitpunkt für den Sohn<lb/> scheint uns jetzt gekommen, das Jubeljahr wäre die rechte Zeit zur Veröffentlichung.<lb/> Ist auch das wahre Sachverhältniß allen Wissenden bekannt, seine Einzelheiten find<lb/> es mit Ausnahme der angeführten nicht.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Charakterbilder aus der preußischen Geschichte sür Schule und<lb/> Haus. Bearbeitet von Heinrich Reiser. Stuttgart, Hallberger. 1863. 294 S.</head><lb/> <p xml:id="ID_1270" next="#ID_1271"> Ein ziemlich wunderliches Buch, namentlich in seiner letzten Hälfte, welche die<lb/> Personen und Ereignisse seit der Schlacht bei Jena zu schildern unternimmt. Alles<lb/> Große und Gute ist durch Preußens Könige geschehen, von ihnen wirb fast aus¬<lb/> schließlich geredet und zwar im Tone jener allerunterthänigster, in Ehrfurcht und<lb/> Begeisterung ersterbenden Manier des vorigen Jahrhunderts, die an Fürsten und Höfen<lb/> nur Preiswürdiges, niemals Schatten und Mängel sieht. Das Capitel „Züge aus dem<lb/> Leben der hochverehrten Königin Luise" ist sechsundzwanzig, das über die Freiheitskriege<lb/> mit Einrechnung eines langen Gedichts blos siebzehn Seiten lang. Von Stein ist<lb/> kaum, von Yorks That zu Poschcrun gar nicht die Rede. Ausführlich wird über<lb/> das Privatleben Friedrich Wilhelms des Dritten, über die Huldigungsfeierlichkeitcn<lb/> beim Regierungsantritt seines Nachfolgers, dessen Tod und Beerdigung, das letzte<lb/> Krönungsfest in Königsberg und dergleichen mehr berichtet, aber sür das, was wirk¬<lb/> lich die Zeit bewegte, für die Vcrfassungskämpfe der letzten Jahrzehnte hat der Ver¬<lb/> fasser kein Wort oder doch nur ein paar dürftige frostige Redensarten. Die heilige<lb/> Allianz ist ihm ein „schöner Bund, der zu allen Zeiten ein vollgiltiges Zeugniß für<lb/> die hohen und edlen Gesinnungen und die Gerechtigkeitsliebe seiner Stifter bleiben<lb/> wird". Die octroyirte preußische Verfassung vom 5. Den. 1343, „welche vom Kö¬<lb/> nig selbst verfaßt war." „wurde mit Jubel aufgenommen". Denn „das Volk zog<lb/> die Geschenke der Krone den zweifelhaften Errungenschaften der Revolution vor<lb/> und ließ sich in seiner Freude durch kein Bedenken stören". Sollte der Verfasser<lb/> nicht irgendwo Hosbcdicnter sein? Jedenfalls ist seine lakaienhafte Gesinnung</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0401]
wiederholte: „Nach den Umständen!" worauf Entlassung des Eilboten durch
allergnädigste Handbewegung. Als Seydlitz dann im Jahre 1820 die Handschrist
seines Tagebuchs, wie vorgeschrieben, der militärischen Censurbehörde einreichte,
wurden mehre Stellen und namentlich eine, in welcher gesagt war „York habe bei
Uebernahme seines Kommandos weder eine öffentliche noch eine geheime Instruction
gehabt", beanstandet und dem König zu sclbsteigcnstcr Entscheidung vorgelegt. Der¬
selbe bemerkte zu jener Stelle eigenhändig: „Der Nichtcxistcnz geheimer Instruc-
tionen für den General York darf keine Erwähnung geschehen", und die Stelle
wurde gestrichen.
Wohl war es für Seydlitz eine Ehre, einen König zum Censor zu haben, zu¬
mal einen König, der, wie uns seine Biographen sagen, Wahrheit und Recht über
Alles liebte. Wir aber ziehen es bis auf Weiteres vor, uns an Yorks Meinung
über die Sache zu halten. Als Seydlitz demselben 1823 die ihm zur Benutzung
bei Ausarbeitung seines Tagebuchs überlassenen Papiere durch Valentin! zurückschickte,
schrieb York an letzteren: „Vielleicht, daß durch diese Papiere in der Zukunft ein¬
mal bewiesen wird, daß ich aus eignem Gefühl gehandelt. Jetzt glaubt Mancher
noch, ich habe geheime Befehle gehabt und sei von andrer Seite impulsirt worden.
Mein Sohn kann einst Gebrauch davon machen, wenn man, wie es in der Regel
geschieht, meine Handlungen verkümmern will." Der Zeitpunkt für den Sohn
scheint uns jetzt gekommen, das Jubeljahr wäre die rechte Zeit zur Veröffentlichung.
Ist auch das wahre Sachverhältniß allen Wissenden bekannt, seine Einzelheiten find
es mit Ausnahme der angeführten nicht.
Charakterbilder aus der preußischen Geschichte sür Schule und
Haus. Bearbeitet von Heinrich Reiser. Stuttgart, Hallberger. 1863. 294 S.
Ein ziemlich wunderliches Buch, namentlich in seiner letzten Hälfte, welche die
Personen und Ereignisse seit der Schlacht bei Jena zu schildern unternimmt. Alles
Große und Gute ist durch Preußens Könige geschehen, von ihnen wirb fast aus¬
schließlich geredet und zwar im Tone jener allerunterthänigster, in Ehrfurcht und
Begeisterung ersterbenden Manier des vorigen Jahrhunderts, die an Fürsten und Höfen
nur Preiswürdiges, niemals Schatten und Mängel sieht. Das Capitel „Züge aus dem
Leben der hochverehrten Königin Luise" ist sechsundzwanzig, das über die Freiheitskriege
mit Einrechnung eines langen Gedichts blos siebzehn Seiten lang. Von Stein ist
kaum, von Yorks That zu Poschcrun gar nicht die Rede. Ausführlich wird über
das Privatleben Friedrich Wilhelms des Dritten, über die Huldigungsfeierlichkeitcn
beim Regierungsantritt seines Nachfolgers, dessen Tod und Beerdigung, das letzte
Krönungsfest in Königsberg und dergleichen mehr berichtet, aber sür das, was wirk¬
lich die Zeit bewegte, für die Vcrfassungskämpfe der letzten Jahrzehnte hat der Ver¬
fasser kein Wort oder doch nur ein paar dürftige frostige Redensarten. Die heilige
Allianz ist ihm ein „schöner Bund, der zu allen Zeiten ein vollgiltiges Zeugniß für
die hohen und edlen Gesinnungen und die Gerechtigkeitsliebe seiner Stifter bleiben
wird". Die octroyirte preußische Verfassung vom 5. Den. 1343, „welche vom Kö¬
nig selbst verfaßt war." „wurde mit Jubel aufgenommen". Denn „das Volk zog
die Geschenke der Krone den zweifelhaften Errungenschaften der Revolution vor
und ließ sich in seiner Freude durch kein Bedenken stören". Sollte der Verfasser
nicht irgendwo Hosbcdicnter sein? Jedenfalls ist seine lakaienhafte Gesinnung
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