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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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nicht unter Hamburgischen Schutz stände, mit etwas herberem Namen von mir
benannt sein würde. Aber die Goldschmidt ist sehr schön.

Vorgestern Nacht um ein Uhr reiste ich ab von Cuxhaven. Es war eine
wilde Nacht und meine Stimmung war auch nicht von der sanftesten Sorte.
Das Schiff lag hoch auf der Rhede und die Jolle, worin ich abfuhr um es
zu erreichen, wurde dreimal von den unklugen Wellen in den Hafen zurück¬
geschlagen. Das kleine Fahrzeug bäumte sich wie ein Pferd und wenig fehlte,
baß nicht eine Menge ungeschriebener Seebilder nebst ihrem Verfasser zu Grunde
gingen. Dennoch --- möge mir der Herr d-er Athomen die Sünde verzeihen
-- war mir in dem Augenblick sehr wohl zu Muthe. Ich hatte nichts zu
verlieren!

Hier sieht es sehr lebhaft aus. Die schöne Frau ist schon hier, sowie auch
die Fürstin Solms mit der ich vorig Jahr sehr angenehme Tage hier verlebte.
Hab auch schon gespielt und mit mehr Glück als zu Cuxhaven, wo ich fünf
Louisd'or verloren. Ich würde Dir heute mehr schreiben, aber das viele Bücken
wird mir sauer. Der Tisch in der kleinen Fischerhütte, worin ich jetzt schreibend
sitze, ist, zu niedrig. Gott weiß ob überhaupt aus diesem Tische jemals schon ge¬
schrieben worden. Er ist grün und schwarz angestrichen -- ich komme wohl¬
feil zu dieser Bemerkung. -

Haben die Hamburger Pöbelblätter noch etwas gegen mich losgelassen,
so bitte ich Dich es mir mitzutheilen. -- Verbannter Tisch!

Ich schreibe Dir nächsten Tag mehr -- verdammter Tisch -- und ich
denke auch bald einen Brief von Dir zu erhalten. Der liebevolle Antheil den
Du an dem schlimmen Heine nimmst erfreut mich unsäglich --

O wie ist es doch erfreulich
Solchen Jüngling noch zu finden
Jetzt in unsrer Zeit wo täglich u. s. w. --

Du siehst aus diesen Versen welch ein schlechter Mensch ich bin, und wie wenig
ich die Güte und Liebe meiner Freunde verdiene! Doch zu unserm Trost sei es
sicsagt, statt jener Verse war ich im Begriff etwas innigst Freundschaftlich seelen-
volles zu sagen und der ironische Teufel hat mir wieder wie gewöhnlich ent
gegcngesetzte Worte untergeschoben. --

Leb wohl, und so glücklich als es einem honetten Menschen jetzt mög¬
lich ist.

d. 28. July 1826.

Die Post ist noch nicht abgegangen und ich kann noch einige Zeilen nachschicken.
Es ist hier sehr amüsant. Wellengeräusch, schöne Frauen, gutes Essen
und göttliche Ruhe. Dennoch fühl ich mich sehr niedergedrückt. Es ist Er¬
schlaffung die nach großen Stürmen eintritt. Gedanken von pirpit-i- in-rolriZ,


nicht unter Hamburgischen Schutz stände, mit etwas herberem Namen von mir
benannt sein würde. Aber die Goldschmidt ist sehr schön.

Vorgestern Nacht um ein Uhr reiste ich ab von Cuxhaven. Es war eine
wilde Nacht und meine Stimmung war auch nicht von der sanftesten Sorte.
Das Schiff lag hoch auf der Rhede und die Jolle, worin ich abfuhr um es
zu erreichen, wurde dreimal von den unklugen Wellen in den Hafen zurück¬
geschlagen. Das kleine Fahrzeug bäumte sich wie ein Pferd und wenig fehlte,
baß nicht eine Menge ungeschriebener Seebilder nebst ihrem Verfasser zu Grunde
gingen. Dennoch —- möge mir der Herr d-er Athomen die Sünde verzeihen
— war mir in dem Augenblick sehr wohl zu Muthe. Ich hatte nichts zu
verlieren!

Hier sieht es sehr lebhaft aus. Die schöne Frau ist schon hier, sowie auch
die Fürstin Solms mit der ich vorig Jahr sehr angenehme Tage hier verlebte.
Hab auch schon gespielt und mit mehr Glück als zu Cuxhaven, wo ich fünf
Louisd'or verloren. Ich würde Dir heute mehr schreiben, aber das viele Bücken
wird mir sauer. Der Tisch in der kleinen Fischerhütte, worin ich jetzt schreibend
sitze, ist, zu niedrig. Gott weiß ob überhaupt aus diesem Tische jemals schon ge¬
schrieben worden. Er ist grün und schwarz angestrichen — ich komme wohl¬
feil zu dieser Bemerkung. -

Haben die Hamburger Pöbelblätter noch etwas gegen mich losgelassen,
so bitte ich Dich es mir mitzutheilen. — Verbannter Tisch!

Ich schreibe Dir nächsten Tag mehr — verdammter Tisch — und ich
denke auch bald einen Brief von Dir zu erhalten. Der liebevolle Antheil den
Du an dem schlimmen Heine nimmst erfreut mich unsäglich —

O wie ist es doch erfreulich
Solchen Jüngling noch zu finden
Jetzt in unsrer Zeit wo täglich u. s. w. —

Du siehst aus diesen Versen welch ein schlechter Mensch ich bin, und wie wenig
ich die Güte und Liebe meiner Freunde verdiene! Doch zu unserm Trost sei es
sicsagt, statt jener Verse war ich im Begriff etwas innigst Freundschaftlich seelen-
volles zu sagen und der ironische Teufel hat mir wieder wie gewöhnlich ent
gegcngesetzte Worte untergeschoben. —

Leb wohl, und so glücklich als es einem honetten Menschen jetzt mög¬
lich ist.

d. 28. July 1826.

Die Post ist noch nicht abgegangen und ich kann noch einige Zeilen nachschicken.
Es ist hier sehr amüsant. Wellengeräusch, schöne Frauen, gutes Essen
und göttliche Ruhe. Dennoch fühl ich mich sehr niedergedrückt. Es ist Er¬
schlaffung die nach großen Stürmen eintritt. Gedanken von pirpit-i- in-rolriZ,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/187>, abgerufen am 28.09.2024.