Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Preußens muß beiden Blättern Gedeihen. Stärkung Förderung wünschen. Die
Regierung aber weiß diesen Vertretern ihrer wichtigsten Staatsinteressen gegen¬
über nichts Besseres zu thun, als sie feindlich aus den Grenzen ihres Staates
zu bannen. Dafür wahrlich, gibt es keine Entschuldigung! Denn es ist zwar
begreiflich, daß eine Regierung sich selbst die beste Einsicht und den höchsten
Patriotismus zutraut, es ist deshalb selbstverständlich, daß sie ohne Wohl-
Wollen auf diejenigen blickt, welche ihr diese Eigenschaften bestreiten. aber es
ist kein Zeichen eines festen und patriotischen Urtheils, wenn ein Ministerium
den Patriotismus Anderer nur nach dem persönlichen Verhältniß schätzt, in
welche sich diese Anderen zu ihm stellen und wenn es gar ein offenbares und
unläugbarcs Interesse seines Staates dein Interesse für die eigene Existenz
unterordnet.

Wenn die preußische Regierung bei diesem "erbot die Absicht hatte, dem
Nationalerem ein memento moll zuzurufen, so hat sie ihren Zweck verfehlt.
Und wenn sie gar die Ansicht hegen sollte, diesem Verbot der Zeitungen ein
Verbot des Nationalvcreins selbst folgen zu lassen, so würde eine solche Ma߬
regel nicht nur auf sie selbst, sondern auch auf preußische Verhältnisse wider¬
wärtig zurückwirken. Die Theilnahme am Naiionalvcrcin ist nicht mehr zu ver¬
hindern, die Form ist so einfach, kann so leicht jedem Gesetz angepaßt werden,
die Ideen sind so populär, daß ihre Ausbreitung in Preußen und die Vereini¬
gung der Preußen für die Zwecke des Vereins durch kein Verbot gestört
werden kann.

Wenn aber der Regierung wirklich gelänge, eine offene und loyale Ver¬
einigung kräftiger und gemäßigter Männer zu dämpfen, so würde diese Ma߬
regel nur der Anfang geheimer Gesellschaften werden, und das Ministerium Bis-
nwrck würde die neue Verantwortung auf sich laden. Verhältnisse, wie sie zu
Zeiten in Frankreich, Italien, in dem befreundeten Nußland ausgebildet wor¬
den sind, auch in dem ehrlichen preußischen Volke hervorzurufen.

Für uns ist der Nationalvercin schon in, seiner gegenwärtigen Ausdehnung
e>n Damm, welcher die Fluthen eines unbändigen und gcstaltungsunsähigen
Radikalismus vom deutschen Boden fernhält. Er ist die erste politische Ver¬
einigung, welche die verschiedenen Stämme umfaßt, das erste Beispiel einer
iU'vßen gesetzlichen Agitation in Deutschland. In ihm hat ein beträchtlicher Theil
der Demokratie einen Kampfplatz für praktische und erreichbare Ziele gesunden,
er stellt die Vereinigung verschiedener liberaler Richtungen ,zu einer ge¬
meinsamen Partei dar. Er ist trotz des letzten Jahres preußischer Politik in
fortwährendem Wachsthum begriffen, und er wird, wenn man den Erfahrungen
vertrauen darf, welche in Deutschland auf andern Gebieten geistiger Interessen
Semacht worden sind, in den nächsten Jahren seine Mitglieder nach Hundert¬
tausenden zählen können.


Preußens muß beiden Blättern Gedeihen. Stärkung Förderung wünschen. Die
Regierung aber weiß diesen Vertretern ihrer wichtigsten Staatsinteressen gegen¬
über nichts Besseres zu thun, als sie feindlich aus den Grenzen ihres Staates
zu bannen. Dafür wahrlich, gibt es keine Entschuldigung! Denn es ist zwar
begreiflich, daß eine Regierung sich selbst die beste Einsicht und den höchsten
Patriotismus zutraut, es ist deshalb selbstverständlich, daß sie ohne Wohl-
Wollen auf diejenigen blickt, welche ihr diese Eigenschaften bestreiten. aber es
ist kein Zeichen eines festen und patriotischen Urtheils, wenn ein Ministerium
den Patriotismus Anderer nur nach dem persönlichen Verhältniß schätzt, in
welche sich diese Anderen zu ihm stellen und wenn es gar ein offenbares und
unläugbarcs Interesse seines Staates dein Interesse für die eigene Existenz
unterordnet.

Wenn die preußische Regierung bei diesem «erbot die Absicht hatte, dem
Nationalerem ein memento moll zuzurufen, so hat sie ihren Zweck verfehlt.
Und wenn sie gar die Ansicht hegen sollte, diesem Verbot der Zeitungen ein
Verbot des Nationalvcreins selbst folgen zu lassen, so würde eine solche Ma߬
regel nicht nur auf sie selbst, sondern auch auf preußische Verhältnisse wider¬
wärtig zurückwirken. Die Theilnahme am Naiionalvcrcin ist nicht mehr zu ver¬
hindern, die Form ist so einfach, kann so leicht jedem Gesetz angepaßt werden,
die Ideen sind so populär, daß ihre Ausbreitung in Preußen und die Vereini¬
gung der Preußen für die Zwecke des Vereins durch kein Verbot gestört
werden kann.

Wenn aber der Regierung wirklich gelänge, eine offene und loyale Ver¬
einigung kräftiger und gemäßigter Männer zu dämpfen, so würde diese Ma߬
regel nur der Anfang geheimer Gesellschaften werden, und das Ministerium Bis-
nwrck würde die neue Verantwortung auf sich laden. Verhältnisse, wie sie zu
Zeiten in Frankreich, Italien, in dem befreundeten Nußland ausgebildet wor¬
den sind, auch in dem ehrlichen preußischen Volke hervorzurufen.

Für uns ist der Nationalvercin schon in, seiner gegenwärtigen Ausdehnung
e>n Damm, welcher die Fluthen eines unbändigen und gcstaltungsunsähigen
Radikalismus vom deutschen Boden fernhält. Er ist die erste politische Ver¬
einigung, welche die verschiedenen Stämme umfaßt, das erste Beispiel einer
iU'vßen gesetzlichen Agitation in Deutschland. In ihm hat ein beträchtlicher Theil
der Demokratie einen Kampfplatz für praktische und erreichbare Ziele gesunden,
er stellt die Vereinigung verschiedener liberaler Richtungen ,zu einer ge¬
meinsamen Partei dar. Er ist trotz des letzten Jahres preußischer Politik in
fortwährendem Wachsthum begriffen, und er wird, wenn man den Erfahrungen
vertrauen darf, welche in Deutschland auf andern Gebieten geistiger Interessen
Semacht worden sind, in den nächsten Jahren seine Mitglieder nach Hundert¬
tausenden zählen können.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0155" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188182"/>
          <p xml:id="ID_510" prev="#ID_509"> Preußens muß beiden Blättern Gedeihen. Stärkung Förderung wünschen. Die<lb/>
Regierung aber weiß diesen Vertretern ihrer wichtigsten Staatsinteressen gegen¬<lb/>
über nichts Besseres zu thun, als sie feindlich aus den Grenzen ihres Staates<lb/>
zu bannen. Dafür wahrlich, gibt es keine Entschuldigung! Denn es ist zwar<lb/>
begreiflich, daß eine Regierung sich selbst die beste Einsicht und den höchsten<lb/>
Patriotismus zutraut, es ist deshalb selbstverständlich, daß sie ohne Wohl-<lb/>
Wollen auf diejenigen blickt, welche ihr diese Eigenschaften bestreiten. aber es<lb/>
ist kein Zeichen eines festen und patriotischen Urtheils, wenn ein Ministerium<lb/>
den Patriotismus Anderer nur nach dem persönlichen Verhältniß schätzt, in<lb/>
welche sich diese Anderen zu ihm stellen und wenn es gar ein offenbares und<lb/>
unläugbarcs Interesse seines Staates dein Interesse für die eigene Existenz<lb/>
unterordnet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_511"> Wenn die preußische Regierung bei diesem «erbot die Absicht hatte, dem<lb/>
Nationalerem ein memento moll zuzurufen, so hat sie ihren Zweck verfehlt.<lb/>
Und wenn sie gar die Ansicht hegen sollte, diesem Verbot der Zeitungen ein<lb/>
Verbot des Nationalvcreins selbst folgen zu lassen, so würde eine solche Ma߬<lb/>
regel nicht nur auf sie selbst, sondern auch auf preußische Verhältnisse wider¬<lb/>
wärtig zurückwirken. Die Theilnahme am Naiionalvcrcin ist nicht mehr zu ver¬<lb/>
hindern, die Form ist so einfach, kann so leicht jedem Gesetz angepaßt werden,<lb/>
die Ideen sind so populär, daß ihre Ausbreitung in Preußen und die Vereini¬<lb/>
gung der Preußen für die Zwecke des Vereins durch kein Verbot gestört<lb/>
werden kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_512"> Wenn aber der Regierung wirklich gelänge, eine offene und loyale Ver¬<lb/>
einigung kräftiger und gemäßigter Männer zu dämpfen, so würde diese Ma߬<lb/>
regel nur der Anfang geheimer Gesellschaften werden, und das Ministerium Bis-<lb/>
nwrck würde die neue Verantwortung auf sich laden. Verhältnisse, wie sie zu<lb/>
Zeiten in Frankreich, Italien, in dem befreundeten Nußland ausgebildet wor¬<lb/>
den sind, auch in dem ehrlichen preußischen Volke hervorzurufen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_513"> Für uns ist der Nationalvercin schon in, seiner gegenwärtigen Ausdehnung<lb/>
e&gt;n Damm, welcher die Fluthen eines unbändigen und gcstaltungsunsähigen<lb/>
Radikalismus vom deutschen Boden fernhält. Er ist die erste politische Ver¬<lb/>
einigung, welche die verschiedenen Stämme umfaßt, das erste Beispiel einer<lb/>
iU'vßen gesetzlichen Agitation in Deutschland. In ihm hat ein beträchtlicher Theil<lb/>
der Demokratie einen Kampfplatz für praktische und erreichbare Ziele gesunden,<lb/>
er stellt die Vereinigung verschiedener liberaler Richtungen ,zu einer ge¬<lb/>
meinsamen Partei dar. Er ist trotz des letzten Jahres preußischer Politik in<lb/>
fortwährendem Wachsthum begriffen, und er wird, wenn man den Erfahrungen<lb/>
vertrauen darf, welche in Deutschland auf andern Gebieten geistiger Interessen<lb/>
Semacht worden sind, in den nächsten Jahren seine Mitglieder nach Hundert¬<lb/>
tausenden zählen können.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0155] Preußens muß beiden Blättern Gedeihen. Stärkung Förderung wünschen. Die Regierung aber weiß diesen Vertretern ihrer wichtigsten Staatsinteressen gegen¬ über nichts Besseres zu thun, als sie feindlich aus den Grenzen ihres Staates zu bannen. Dafür wahrlich, gibt es keine Entschuldigung! Denn es ist zwar begreiflich, daß eine Regierung sich selbst die beste Einsicht und den höchsten Patriotismus zutraut, es ist deshalb selbstverständlich, daß sie ohne Wohl- Wollen auf diejenigen blickt, welche ihr diese Eigenschaften bestreiten. aber es ist kein Zeichen eines festen und patriotischen Urtheils, wenn ein Ministerium den Patriotismus Anderer nur nach dem persönlichen Verhältniß schätzt, in welche sich diese Anderen zu ihm stellen und wenn es gar ein offenbares und unläugbarcs Interesse seines Staates dein Interesse für die eigene Existenz unterordnet. Wenn die preußische Regierung bei diesem «erbot die Absicht hatte, dem Nationalerem ein memento moll zuzurufen, so hat sie ihren Zweck verfehlt. Und wenn sie gar die Ansicht hegen sollte, diesem Verbot der Zeitungen ein Verbot des Nationalvcreins selbst folgen zu lassen, so würde eine solche Ma߬ regel nicht nur auf sie selbst, sondern auch auf preußische Verhältnisse wider¬ wärtig zurückwirken. Die Theilnahme am Naiionalvcrcin ist nicht mehr zu ver¬ hindern, die Form ist so einfach, kann so leicht jedem Gesetz angepaßt werden, die Ideen sind so populär, daß ihre Ausbreitung in Preußen und die Vereini¬ gung der Preußen für die Zwecke des Vereins durch kein Verbot gestört werden kann. Wenn aber der Regierung wirklich gelänge, eine offene und loyale Ver¬ einigung kräftiger und gemäßigter Männer zu dämpfen, so würde diese Ma߬ regel nur der Anfang geheimer Gesellschaften werden, und das Ministerium Bis- nwrck würde die neue Verantwortung auf sich laden. Verhältnisse, wie sie zu Zeiten in Frankreich, Italien, in dem befreundeten Nußland ausgebildet wor¬ den sind, auch in dem ehrlichen preußischen Volke hervorzurufen. Für uns ist der Nationalvercin schon in, seiner gegenwärtigen Ausdehnung e>n Damm, welcher die Fluthen eines unbändigen und gcstaltungsunsähigen Radikalismus vom deutschen Boden fernhält. Er ist die erste politische Ver¬ einigung, welche die verschiedenen Stämme umfaßt, das erste Beispiel einer iU'vßen gesetzlichen Agitation in Deutschland. In ihm hat ein beträchtlicher Theil der Demokratie einen Kampfplatz für praktische und erreichbare Ziele gesunden, er stellt die Vereinigung verschiedener liberaler Richtungen ,zu einer ge¬ meinsamen Partei dar. Er ist trotz des letzten Jahres preußischer Politik in fortwährendem Wachsthum begriffen, und er wird, wenn man den Erfahrungen vertrauen darf, welche in Deutschland auf andern Gebieten geistiger Interessen Semacht worden sind, in den nächsten Jahren seine Mitglieder nach Hundert¬ tausenden zählen können.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/155
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/155>, abgerufen am 20.10.2024.