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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Süddeutsche Zeitung ist von Mitgliedern der preußischen Partei gegründet, um
den östreichischen Tendenzen der Augsburger Allgemeinen in Bayern, Schwaben
und am Main entgegenzuarbeiten, sie hat, vortrefflich redigirt, auf sehr
schmierigen Terrain sich Geltung erworben und ihren Kampf tapfer und nicht
ohne Erfolge fortgeführt. Allerdings haben beide Blätter die Politik des
Ministeriums Vismarck nicht für eine dem preußischen Staat heilbringende ge¬
halten, aber diesen Standpunkt theilen sie mit jedem nicht preußischen Blatte
in Europa und mit der weit überwiegenden Mehrheit der preußischen Zeitungen.
Das Ministerium müßt?, um consequent zu sein, wenn es seine Gegner in der
Presse durch administrative Machtmittel, statt durch Gründe und Thaten wider¬
legen will, die gesammte Presse Europas für Preußen verbieten, oder richtiger
gesagt, es dürfte jede andere Zeitung eher verbieten, als gerade diese beiden.

Aber die Opposition dieser Blätter war besonders eifrig und hat deshalb
mehr als der Widerspruch anderer Zeitungen- gereizt! Sicher ist die Kritik
eines unzufriedenen und tief verletzten Freundes empfindlicher, als der gleich-
giltige oder schadenfrohe Tadel von Fremden und Feinden. Denn was öst¬
reichische Blätter oder gar die großen englischen Zeitungen über das herrschende
System Preußens gesagt haben, übertrifft doch bei weitem den schärfsten An¬
griff der beiden Geschenken. Das Ministerium setzt sich deshalb durch dies
Verbot der Deutung aus, als ob es in diesen Organen der Presse einen Act
persönlichen Unwillens gegen politische Parteien geübt habe, mit denen es in
seinem eigenen Abgeordnetenhause unwillkommene Conflicte zu bestehen hat-
Einen solchen Vorwurf soll keine Negierung von Selbstgefühl auf sich laden.

Aber die Regierung hat sich durch dies Verbot noch einer ärgeren Mi߬
deutung ausgesetzt. Es ist wahr, die beiden Zeitungen haben die gegenwärtige
Regierung Preußens befehdet, weil sie dieselbe nicht für die zeitgemäße Ver¬
waltung hielten, welche dem Staat ihrer Hoffnung zur Durchführung einer
großen Politik nöthig sei. Aber sie sind für jeden, welcher unbefangen ihre
Haltung beurtheilte, immer gut preußisch gewesen. Und wenn sie das Unge¬
nügende der bestehenden Staatsleitung vorstellten, so haben sie nicht verfehlt,
auf die unveränderliche Bedeutung des Staates für Deutschland hinzuweisen,
das, was ihnen gesund und tüchtig erschien, zu würdigen, von der Gegenwart
auf die Zukunft zu vertrösten. Ja noch mehr, sie haben in allen Fragen, bei
denen ihre Ueberzeugung ihnen dies möglich machte, auch solche Interessen
Preußens, welche das Ministerium zu den seinen gemacht hat. verfochten. Sie
find energische Streiter für den Handelsvertrag mit Frankreich, für eine Ver¬
jüngung des Zollvereins im preußischen Interesse, sie sind rastlose Gegner der
Würzburger Politik und der Uebergriffe Oestreichs. Sie sind für diese Lebens¬
fragen des preußischen Staates in Süddeutschland. etwa Baden ausgenommen,
fast die einzigen Vertreter Preußens. Und doch verboten. Jeder Freund


Süddeutsche Zeitung ist von Mitgliedern der preußischen Partei gegründet, um
den östreichischen Tendenzen der Augsburger Allgemeinen in Bayern, Schwaben
und am Main entgegenzuarbeiten, sie hat, vortrefflich redigirt, auf sehr
schmierigen Terrain sich Geltung erworben und ihren Kampf tapfer und nicht
ohne Erfolge fortgeführt. Allerdings haben beide Blätter die Politik des
Ministeriums Vismarck nicht für eine dem preußischen Staat heilbringende ge¬
halten, aber diesen Standpunkt theilen sie mit jedem nicht preußischen Blatte
in Europa und mit der weit überwiegenden Mehrheit der preußischen Zeitungen.
Das Ministerium müßt?, um consequent zu sein, wenn es seine Gegner in der
Presse durch administrative Machtmittel, statt durch Gründe und Thaten wider¬
legen will, die gesammte Presse Europas für Preußen verbieten, oder richtiger
gesagt, es dürfte jede andere Zeitung eher verbieten, als gerade diese beiden.

Aber die Opposition dieser Blätter war besonders eifrig und hat deshalb
mehr als der Widerspruch anderer Zeitungen- gereizt! Sicher ist die Kritik
eines unzufriedenen und tief verletzten Freundes empfindlicher, als der gleich-
giltige oder schadenfrohe Tadel von Fremden und Feinden. Denn was öst¬
reichische Blätter oder gar die großen englischen Zeitungen über das herrschende
System Preußens gesagt haben, übertrifft doch bei weitem den schärfsten An¬
griff der beiden Geschenken. Das Ministerium setzt sich deshalb durch dies
Verbot der Deutung aus, als ob es in diesen Organen der Presse einen Act
persönlichen Unwillens gegen politische Parteien geübt habe, mit denen es in
seinem eigenen Abgeordnetenhause unwillkommene Conflicte zu bestehen hat-
Einen solchen Vorwurf soll keine Negierung von Selbstgefühl auf sich laden.

Aber die Regierung hat sich durch dies Verbot noch einer ärgeren Mi߬
deutung ausgesetzt. Es ist wahr, die beiden Zeitungen haben die gegenwärtige
Regierung Preußens befehdet, weil sie dieselbe nicht für die zeitgemäße Ver¬
waltung hielten, welche dem Staat ihrer Hoffnung zur Durchführung einer
großen Politik nöthig sei. Aber sie sind für jeden, welcher unbefangen ihre
Haltung beurtheilte, immer gut preußisch gewesen. Und wenn sie das Unge¬
nügende der bestehenden Staatsleitung vorstellten, so haben sie nicht verfehlt,
auf die unveränderliche Bedeutung des Staates für Deutschland hinzuweisen,
das, was ihnen gesund und tüchtig erschien, zu würdigen, von der Gegenwart
auf die Zukunft zu vertrösten. Ja noch mehr, sie haben in allen Fragen, bei
denen ihre Ueberzeugung ihnen dies möglich machte, auch solche Interessen
Preußens, welche das Ministerium zu den seinen gemacht hat. verfochten. Sie
find energische Streiter für den Handelsvertrag mit Frankreich, für eine Ver¬
jüngung des Zollvereins im preußischen Interesse, sie sind rastlose Gegner der
Würzburger Politik und der Uebergriffe Oestreichs. Sie sind für diese Lebens¬
fragen des preußischen Staates in Süddeutschland. etwa Baden ausgenommen,
fast die einzigen Vertreter Preußens. Und doch verboten. Jeder Freund


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[0154] Süddeutsche Zeitung ist von Mitgliedern der preußischen Partei gegründet, um den östreichischen Tendenzen der Augsburger Allgemeinen in Bayern, Schwaben und am Main entgegenzuarbeiten, sie hat, vortrefflich redigirt, auf sehr schmierigen Terrain sich Geltung erworben und ihren Kampf tapfer und nicht ohne Erfolge fortgeführt. Allerdings haben beide Blätter die Politik des Ministeriums Vismarck nicht für eine dem preußischen Staat heilbringende ge¬ halten, aber diesen Standpunkt theilen sie mit jedem nicht preußischen Blatte in Europa und mit der weit überwiegenden Mehrheit der preußischen Zeitungen. Das Ministerium müßt?, um consequent zu sein, wenn es seine Gegner in der Presse durch administrative Machtmittel, statt durch Gründe und Thaten wider¬ legen will, die gesammte Presse Europas für Preußen verbieten, oder richtiger gesagt, es dürfte jede andere Zeitung eher verbieten, als gerade diese beiden. Aber die Opposition dieser Blätter war besonders eifrig und hat deshalb mehr als der Widerspruch anderer Zeitungen- gereizt! Sicher ist die Kritik eines unzufriedenen und tief verletzten Freundes empfindlicher, als der gleich- giltige oder schadenfrohe Tadel von Fremden und Feinden. Denn was öst¬ reichische Blätter oder gar die großen englischen Zeitungen über das herrschende System Preußens gesagt haben, übertrifft doch bei weitem den schärfsten An¬ griff der beiden Geschenken. Das Ministerium setzt sich deshalb durch dies Verbot der Deutung aus, als ob es in diesen Organen der Presse einen Act persönlichen Unwillens gegen politische Parteien geübt habe, mit denen es in seinem eigenen Abgeordnetenhause unwillkommene Conflicte zu bestehen hat- Einen solchen Vorwurf soll keine Negierung von Selbstgefühl auf sich laden. Aber die Regierung hat sich durch dies Verbot noch einer ärgeren Mi߬ deutung ausgesetzt. Es ist wahr, die beiden Zeitungen haben die gegenwärtige Regierung Preußens befehdet, weil sie dieselbe nicht für die zeitgemäße Ver¬ waltung hielten, welche dem Staat ihrer Hoffnung zur Durchführung einer großen Politik nöthig sei. Aber sie sind für jeden, welcher unbefangen ihre Haltung beurtheilte, immer gut preußisch gewesen. Und wenn sie das Unge¬ nügende der bestehenden Staatsleitung vorstellten, so haben sie nicht verfehlt, auf die unveränderliche Bedeutung des Staates für Deutschland hinzuweisen, das, was ihnen gesund und tüchtig erschien, zu würdigen, von der Gegenwart auf die Zukunft zu vertrösten. Ja noch mehr, sie haben in allen Fragen, bei denen ihre Ueberzeugung ihnen dies möglich machte, auch solche Interessen Preußens, welche das Ministerium zu den seinen gemacht hat. verfochten. Sie find energische Streiter für den Handelsvertrag mit Frankreich, für eine Ver¬ jüngung des Zollvereins im preußischen Interesse, sie sind rastlose Gegner der Würzburger Politik und der Uebergriffe Oestreichs. Sie sind für diese Lebens¬ fragen des preußischen Staates in Süddeutschland. etwa Baden ausgenommen, fast die einzigen Vertreter Preußens. Und doch verboten. Jeder Freund

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/154>, abgerufen am 27.09.2024.