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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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und daß auch der Engere Ausschuß, das die Ritter- und Landschaft außerhalb
Landtags repräsentirende Collegium, mit allen Acten, Büchern, Kassen u. s. w.
gleichfalls an einem andern Orte, nämlich in Rostock, residirt. Und selbst wenn
die Stände wollten, so konnten sie dieses Verhältniß gar nicht ändern, da
Mecklenburg zwar nur eine Ritter- und Landschaft, aber zwei Landesherren
und zwei Landesregierungen hat, so daß die Verlegung der ständischen Ver¬
waltungsorgane, Institute und Zusammenkünfte nur immer einen der beiden
Regierungssitze zum Ziele nehmen konnte, wogegen der andere leer ausgehen
würde.

Am 19. November v. I. ward, nach Auswechselung der üblichen gegen¬
seitigen "ergebensten Empfehlungen" zwischen den landesherrlichen Commissarien
und den Ständen, der Landtag unter dein herkömmlichen Ceremoniell eröffnet,
und nach ungefähr fünf Wochen, am 22. December, waren seine Berathungen
bereits beendigt, so daß er durch Verkündigung der großherzoglichen Landtags-
abschiede geschlossen werden konnte.

Die Physiognomie des letzten Landtags war nicht ganz die gewohnte, da
die aus einer Anzahl von bürgerlichen Mitgliedern der Ritterschaft bestehende
constitutionelle Partei noch schwächer vertreten war als bisher. Es lag dieser
Zurückhaltung eine veränderte Anschauung von dem Nutzen zu Grunde, den
die Freunde der constitutionellen Staatsverfassung durch ihre allerdings mit
Opfern verbundene Anwesenheit auf dem Landtage erzielen könnten. Früher
hatte man gehofft. Anträge auf Wiedereinführung U"" Repräsentativverfassung
wenigstens zur Verhandlung bringe" zu können. Seitdem man sich aber
wiederholt davon hatte überzeugen müssen, daß dies nicht durchzusetzen sei, war
die ohnehin sehr laue Theilnahme vieler Mitglieder an den Bestrebungen der
Partei noch mehr gesunken, und die Mehrzahl hielt es für nutzlos, noch fer¬
ner das Opfer an Geld und Zeit a" den Landtagsbcsuch zu wenden Wir
billigen diese Entschließung nicht, die überdies bei manchen bisherigen Mit¬
gliedern der Partei nicht als Ausdruck politischer Taktik aufzufassen, sondern
aus bloßer Liebe zur Bequemlichkeit oder aus Stumpfsinn oder aus anderen
mit Politik in keiner Verwandtschaft stehenden Ursachen abzuleiten ist. Wir
sind vielmehr überzeugt, daß jeder wahrhaft von politischem Geist durchdrungene
Mann durch die scheinbare Erfolglosigkeit der bisherigen Bestrebungen seiner Partei
sich nicht bestimmen lassen wird, den Kampf aufzugeben und der ferneren Ent¬
wickelung der Dinge unthätig zuzusehen. Und selbst wenn es unmöglich wäre
sür die Genossen der liberalen Partei, auf Landtagen das Gute positiv zu för¬
dern, so würden sie doch noch immer im Stande sein, durch ihre Stimmen man¬
chen Schaden und Nachtheil abzuwenden. Indessen war nun einmal bei ihnen die
entgegengesetzte Ansicht zur Herrschaft gelangt. Die Folge war, daß nur der Füh¬
rer der Partei, der Rittergutsbesitzer Pogge auf Pölitz (früher auf Jaöbitz) dem


und daß auch der Engere Ausschuß, das die Ritter- und Landschaft außerhalb
Landtags repräsentirende Collegium, mit allen Acten, Büchern, Kassen u. s. w.
gleichfalls an einem andern Orte, nämlich in Rostock, residirt. Und selbst wenn
die Stände wollten, so konnten sie dieses Verhältniß gar nicht ändern, da
Mecklenburg zwar nur eine Ritter- und Landschaft, aber zwei Landesherren
und zwei Landesregierungen hat, so daß die Verlegung der ständischen Ver¬
waltungsorgane, Institute und Zusammenkünfte nur immer einen der beiden
Regierungssitze zum Ziele nehmen konnte, wogegen der andere leer ausgehen
würde.

Am 19. November v. I. ward, nach Auswechselung der üblichen gegen¬
seitigen „ergebensten Empfehlungen" zwischen den landesherrlichen Commissarien
und den Ständen, der Landtag unter dein herkömmlichen Ceremoniell eröffnet,
und nach ungefähr fünf Wochen, am 22. December, waren seine Berathungen
bereits beendigt, so daß er durch Verkündigung der großherzoglichen Landtags-
abschiede geschlossen werden konnte.

Die Physiognomie des letzten Landtags war nicht ganz die gewohnte, da
die aus einer Anzahl von bürgerlichen Mitgliedern der Ritterschaft bestehende
constitutionelle Partei noch schwächer vertreten war als bisher. Es lag dieser
Zurückhaltung eine veränderte Anschauung von dem Nutzen zu Grunde, den
die Freunde der constitutionellen Staatsverfassung durch ihre allerdings mit
Opfern verbundene Anwesenheit auf dem Landtage erzielen könnten. Früher
hatte man gehofft. Anträge auf Wiedereinführung U»« Repräsentativverfassung
wenigstens zur Verhandlung bringe» zu können. Seitdem man sich aber
wiederholt davon hatte überzeugen müssen, daß dies nicht durchzusetzen sei, war
die ohnehin sehr laue Theilnahme vieler Mitglieder an den Bestrebungen der
Partei noch mehr gesunken, und die Mehrzahl hielt es für nutzlos, noch fer¬
ner das Opfer an Geld und Zeit a» den Landtagsbcsuch zu wenden Wir
billigen diese Entschließung nicht, die überdies bei manchen bisherigen Mit¬
gliedern der Partei nicht als Ausdruck politischer Taktik aufzufassen, sondern
aus bloßer Liebe zur Bequemlichkeit oder aus Stumpfsinn oder aus anderen
mit Politik in keiner Verwandtschaft stehenden Ursachen abzuleiten ist. Wir
sind vielmehr überzeugt, daß jeder wahrhaft von politischem Geist durchdrungene
Mann durch die scheinbare Erfolglosigkeit der bisherigen Bestrebungen seiner Partei
sich nicht bestimmen lassen wird, den Kampf aufzugeben und der ferneren Ent¬
wickelung der Dinge unthätig zuzusehen. Und selbst wenn es unmöglich wäre
sür die Genossen der liberalen Partei, auf Landtagen das Gute positiv zu för¬
dern, so würden sie doch noch immer im Stande sein, durch ihre Stimmen man¬
chen Schaden und Nachtheil abzuwenden. Indessen war nun einmal bei ihnen die
entgegengesetzte Ansicht zur Herrschaft gelangt. Die Folge war, daß nur der Füh¬
rer der Partei, der Rittergutsbesitzer Pogge auf Pölitz (früher auf Jaöbitz) dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/90>, abgerufen am 24.11.2024.