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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Der mecklenburgische Landtag von 1862.
i.

Die kleine Stadt Malchin theilt mit der noch kleineren Stadt Sternberg
das landesverglcichsmäßige Vorrecht, ein Jahr um das andere die "hoch-
ansehnliche" Landtagsversammlung in ihrer Mitte zu beherbergen. Für die
Hausbesitzer wie für die Kaufleute und Gewerbetreibenden beider Orte hat
dieses Vorrecht natürlich seine kleinen Vortheile, und auch die Stadtkasse hat
ihren directen Nutzen davon, indem für das Sitzungslocal des Landtags eine
Miethe an die Stadt gezahlt wird. Anderweitige Vortheile bieten die genann¬
ten Orte als Landtagssitzc begreiflich nicht dar, wohl aber mancherlei Nach¬
theile. Keiner von beiden wird bis dahin von einer Eisenbahn b-ruhvt, Stop"-
berg entbehrt auch noch der Telegraphenverbindung. Die landesherrlichen
Commissarien müssen mit einem großartigen Apparat von Tafel- und Küchen¬
gerät!), Wein, Spielkarten u. s. w. die Uebersiedlung vollziehen, um ihren ge¬
selligen Pflichten gegen die Landstände in gebührendem Maße entsprechen zu kön¬
nen. Ihre geschäftliche Verbindung mit den Landesregierungen zu Schwerin
und zu Neustrelitz läßt sich, wegen der Avgelegenheit der Orte und der Mangel-
haftigkeit der Communicationsmittel, nur auf beschwerlichem Wege und nicht
anders als schriftlich unterhalten. Die ständischen Beamten sind genöthigt, aus
ihrem zu Rostock befindlichen Archive große Actenstöße mit sich zu führen, um für
alle Eventualitäten sogleich die nöthigen Informationsquellen bereit zu halte",
und doch kommen häufig genug unvorhergesehene Fälle vor, wo das erforder¬
liche Actenbund nicht zur Hand ist. Die Städte haben auch keine Garnison,
und es muß daher jedesmal, um der Landtagsversammlung die nöthige Sicher¬
heit zu bieten und für sonst etwa vorkommende Veranlassungen zum Einschreiten,
aus dem nächstbelegenen Garnisonsort, welcher von Malchin acht Meilen ent¬
fernt ist, ein Detachement von SO Mann gestellt werden, welches unter Com-
mando eines Lieutenants dort Quartiere bezieht. Aber welches Gewicht dür¬
fen diese Unbequemlichkeiten und Mißstände beanspruchen? Es entspricht einmal
dem Gesetz und Herkommen, daß der ordentliche Landtag abwechselnd in Mal¬
chin und Sternberg und nicht am Sitz der Landesregierung gehalten wird,


Greujbotc" l. i863, 11
Der mecklenburgische Landtag von 1862.
i.

Die kleine Stadt Malchin theilt mit der noch kleineren Stadt Sternberg
das landesverglcichsmäßige Vorrecht, ein Jahr um das andere die „hoch-
ansehnliche" Landtagsversammlung in ihrer Mitte zu beherbergen. Für die
Hausbesitzer wie für die Kaufleute und Gewerbetreibenden beider Orte hat
dieses Vorrecht natürlich seine kleinen Vortheile, und auch die Stadtkasse hat
ihren directen Nutzen davon, indem für das Sitzungslocal des Landtags eine
Miethe an die Stadt gezahlt wird. Anderweitige Vortheile bieten die genann¬
ten Orte als Landtagssitzc begreiflich nicht dar, wohl aber mancherlei Nach¬
theile. Keiner von beiden wird bis dahin von einer Eisenbahn b-ruhvt, Stop»-
berg entbehrt auch noch der Telegraphenverbindung. Die landesherrlichen
Commissarien müssen mit einem großartigen Apparat von Tafel- und Küchen¬
gerät!), Wein, Spielkarten u. s. w. die Uebersiedlung vollziehen, um ihren ge¬
selligen Pflichten gegen die Landstände in gebührendem Maße entsprechen zu kön¬
nen. Ihre geschäftliche Verbindung mit den Landesregierungen zu Schwerin
und zu Neustrelitz läßt sich, wegen der Avgelegenheit der Orte und der Mangel-
haftigkeit der Communicationsmittel, nur auf beschwerlichem Wege und nicht
anders als schriftlich unterhalten. Die ständischen Beamten sind genöthigt, aus
ihrem zu Rostock befindlichen Archive große Actenstöße mit sich zu führen, um für
alle Eventualitäten sogleich die nöthigen Informationsquellen bereit zu halte»,
und doch kommen häufig genug unvorhergesehene Fälle vor, wo das erforder¬
liche Actenbund nicht zur Hand ist. Die Städte haben auch keine Garnison,
und es muß daher jedesmal, um der Landtagsversammlung die nöthige Sicher¬
heit zu bieten und für sonst etwa vorkommende Veranlassungen zum Einschreiten,
aus dem nächstbelegenen Garnisonsort, welcher von Malchin acht Meilen ent¬
fernt ist, ein Detachement von SO Mann gestellt werden, welches unter Com-
mando eines Lieutenants dort Quartiere bezieht. Aber welches Gewicht dür¬
fen diese Unbequemlichkeiten und Mißstände beanspruchen? Es entspricht einmal
dem Gesetz und Herkommen, daß der ordentliche Landtag abwechselnd in Mal¬
chin und Sternberg und nicht am Sitz der Landesregierung gehalten wird,


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[0089] Der mecklenburgische Landtag von 1862. i. Die kleine Stadt Malchin theilt mit der noch kleineren Stadt Sternberg das landesverglcichsmäßige Vorrecht, ein Jahr um das andere die „hoch- ansehnliche" Landtagsversammlung in ihrer Mitte zu beherbergen. Für die Hausbesitzer wie für die Kaufleute und Gewerbetreibenden beider Orte hat dieses Vorrecht natürlich seine kleinen Vortheile, und auch die Stadtkasse hat ihren directen Nutzen davon, indem für das Sitzungslocal des Landtags eine Miethe an die Stadt gezahlt wird. Anderweitige Vortheile bieten die genann¬ ten Orte als Landtagssitzc begreiflich nicht dar, wohl aber mancherlei Nach¬ theile. Keiner von beiden wird bis dahin von einer Eisenbahn b-ruhvt, Stop»- berg entbehrt auch noch der Telegraphenverbindung. Die landesherrlichen Commissarien müssen mit einem großartigen Apparat von Tafel- und Küchen¬ gerät!), Wein, Spielkarten u. s. w. die Uebersiedlung vollziehen, um ihren ge¬ selligen Pflichten gegen die Landstände in gebührendem Maße entsprechen zu kön¬ nen. Ihre geschäftliche Verbindung mit den Landesregierungen zu Schwerin und zu Neustrelitz läßt sich, wegen der Avgelegenheit der Orte und der Mangel- haftigkeit der Communicationsmittel, nur auf beschwerlichem Wege und nicht anders als schriftlich unterhalten. Die ständischen Beamten sind genöthigt, aus ihrem zu Rostock befindlichen Archive große Actenstöße mit sich zu führen, um für alle Eventualitäten sogleich die nöthigen Informationsquellen bereit zu halte», und doch kommen häufig genug unvorhergesehene Fälle vor, wo das erforder¬ liche Actenbund nicht zur Hand ist. Die Städte haben auch keine Garnison, und es muß daher jedesmal, um der Landtagsversammlung die nöthige Sicher¬ heit zu bieten und für sonst etwa vorkommende Veranlassungen zum Einschreiten, aus dem nächstbelegenen Garnisonsort, welcher von Malchin acht Meilen ent¬ fernt ist, ein Detachement von SO Mann gestellt werden, welches unter Com- mando eines Lieutenants dort Quartiere bezieht. Aber welches Gewicht dür¬ fen diese Unbequemlichkeiten und Mißstände beanspruchen? Es entspricht einmal dem Gesetz und Herkommen, daß der ordentliche Landtag abwechselnd in Mal¬ chin und Sternberg und nicht am Sitz der Landesregierung gehalten wird, Greujbotc» l. i863, 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/89>, abgerufen am 28.11.2024.