Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.wandelt, lief der Schwester nach und blökte: "Bah, Pulja! das, Pulja!" -- Bald darauf kamen des Königs Knechte, um die Pferde zu tränken. Wie Da gingen die Knechte zum Sohne des Königs und sagten ihm, daß wandelt, lief der Schwester nach und blökte: „Bah, Pulja! das, Pulja!" — Bald darauf kamen des Königs Knechte, um die Pferde zu tränken. Wie Da gingen die Knechte zum Sohne des Königs und sagten ihm, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187566"/> <p xml:id="ID_215" prev="#ID_214"> wandelt, lief der Schwester nach und blökte: „Bah, Pulja! das, Pulja!" —<lb/> „Komm mir nach," sagte diese und ging noch ein Stück weiter, fand die<lb/> Quelle des Königs, neben der ein hoher Cypressenbaum stand, und trank Wasser.<lb/> Darauf sagte sie zum Schäfchen: „Bleibe Du hier mit dem Hunde, mein<lb/> Herz!" und während das Lämmcken graste, betete sie zu Gott: „Lieber Gott!<lb/> gibst Du mir nicht Kraft, auf die Cypresse zu steigen?" Sowie sie ihr Gebet<lb/> vollendet hatte, hob sie die Kraft Gottes auf die Cypresse, und es ward dort<lb/> ein goldener Thron, auf den sich das Mädchen setzte; das Lamm aber blieb<lb/> mit dem Hunde unter dem Baume und weidete.</p><lb/> <p xml:id="ID_216"> Bald darauf kamen des Königs Knechte, um die Pferde zu tränken. Wie<lb/> aber die Pferde in die Nähe der Cypresse kamen, da zerrissen sie die Halfter<lb/> und liefen davon, denn sie scheuten vor den Strahlen der Pulja, die<lb/> wunderschön war. „Komm herunter," riefen ihr die Knechte zu, „damit die<lb/> Pferde saufen können, denn sie scheuen sich vor Dir." — „Ich thu's nicht,"<lb/> erwiderte sie, „ich hindere Euch nicht, laßt die Pferde saufen, so viel sie wollen."<lb/> — „Komm herunter," riefen diese abermals. Aber sie hörte nicht auf sie und<lb/> blieb aus dem Baume sitzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_217" next="#ID_218"> Da gingen die Knechte zum Sohne des Königs und sagten ihm, daß<lb/> auf dem Cypressenbaume ein wunderschönes Mädchen sitze und mit ihren Strah¬<lb/> len die Pferde nicht saufen lasse und doch nicht herunterkommen wolle. Als<lb/> der Prinz das hörte, ging er selbst zur Quelle und befahl dem Mädchen, vom<lb/> Baume zu steigen; aber sie weigerte sich, und zum zweiten und dritten Male<lb/> rief er: „Steige herunter, sonst fällen wir den Baum." — „Fällt ihn immer¬<lb/> hin, ich komme nicht hinunter." Da holten sie Leute, um den Baum um¬<lb/> zuschlagen; während diese aber hieben, kam das Lamm herzu und leckte die<lb/> Cypresse, und davon ward sie noch zweimal so dick. Sie hieben und hieben,<lb/> und konnten sie nicht umhauen. Endlich wurde der Prinz ungeduldig, schickte<lb/> die Leute heim, ging zu einer alten Frau und sagte zu ihr: „Wenn Du mir<lb/> jenes Mädchen von dem Baume herunterbringst, so gebe ich Dir so viel Gold,<lb/> als in Deine Haube geht." Die Alte versprach es ihm und nahm eine Mulde,<lb/> ein Sieb und einen Sack Mehl und ging damit unter die Cypresse. AIs sie<lb/> nun vor dem Baume stand, stürzte sie die Mulde verkehrt aus die Erde,<lb/> nahm das Sieb verkehrt in die Hand und siebte. Da rief das Mädchen<lb/> vom Baume : „Herum mit der Mulde, herum mit dem Sieb!" Die Alte that,<lb/> als hörte sie nicht, und sagte: „Wer bist Du, Schätzchen? ich höre nicht."<lb/> — „Herum mit der Mulde, herum mit dem Siebe!" rief das Mädchen zum<lb/> zweiten und dritten Male. Drauf sagte die Alte: „Schätzchen, ich höre nicht;<lb/> wer bist Du? ich sehe Dich nicht; komm und zeige mir, wie man sieben muß, und<lb/> Gottes Segen sei mit Dir!" Da kam das Mädchen nach und nach herunter,<lb/> und während sie zur Alten ging, um ihr's zu zeigen, sprang der Prinz aus</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
wandelt, lief der Schwester nach und blökte: „Bah, Pulja! das, Pulja!" —
„Komm mir nach," sagte diese und ging noch ein Stück weiter, fand die
Quelle des Königs, neben der ein hoher Cypressenbaum stand, und trank Wasser.
Darauf sagte sie zum Schäfchen: „Bleibe Du hier mit dem Hunde, mein
Herz!" und während das Lämmcken graste, betete sie zu Gott: „Lieber Gott!
gibst Du mir nicht Kraft, auf die Cypresse zu steigen?" Sowie sie ihr Gebet
vollendet hatte, hob sie die Kraft Gottes auf die Cypresse, und es ward dort
ein goldener Thron, auf den sich das Mädchen setzte; das Lamm aber blieb
mit dem Hunde unter dem Baume und weidete.
Bald darauf kamen des Königs Knechte, um die Pferde zu tränken. Wie
aber die Pferde in die Nähe der Cypresse kamen, da zerrissen sie die Halfter
und liefen davon, denn sie scheuten vor den Strahlen der Pulja, die
wunderschön war. „Komm herunter," riefen ihr die Knechte zu, „damit die
Pferde saufen können, denn sie scheuen sich vor Dir." — „Ich thu's nicht,"
erwiderte sie, „ich hindere Euch nicht, laßt die Pferde saufen, so viel sie wollen."
— „Komm herunter," riefen diese abermals. Aber sie hörte nicht auf sie und
blieb aus dem Baume sitzen.
Da gingen die Knechte zum Sohne des Königs und sagten ihm, daß
auf dem Cypressenbaume ein wunderschönes Mädchen sitze und mit ihren Strah¬
len die Pferde nicht saufen lasse und doch nicht herunterkommen wolle. Als
der Prinz das hörte, ging er selbst zur Quelle und befahl dem Mädchen, vom
Baume zu steigen; aber sie weigerte sich, und zum zweiten und dritten Male
rief er: „Steige herunter, sonst fällen wir den Baum." — „Fällt ihn immer¬
hin, ich komme nicht hinunter." Da holten sie Leute, um den Baum um¬
zuschlagen; während diese aber hieben, kam das Lamm herzu und leckte die
Cypresse, und davon ward sie noch zweimal so dick. Sie hieben und hieben,
und konnten sie nicht umhauen. Endlich wurde der Prinz ungeduldig, schickte
die Leute heim, ging zu einer alten Frau und sagte zu ihr: „Wenn Du mir
jenes Mädchen von dem Baume herunterbringst, so gebe ich Dir so viel Gold,
als in Deine Haube geht." Die Alte versprach es ihm und nahm eine Mulde,
ein Sieb und einen Sack Mehl und ging damit unter die Cypresse. AIs sie
nun vor dem Baume stand, stürzte sie die Mulde verkehrt aus die Erde,
nahm das Sieb verkehrt in die Hand und siebte. Da rief das Mädchen
vom Baume : „Herum mit der Mulde, herum mit dem Sieb!" Die Alte that,
als hörte sie nicht, und sagte: „Wer bist Du, Schätzchen? ich höre nicht."
— „Herum mit der Mulde, herum mit dem Siebe!" rief das Mädchen zum
zweiten und dritten Male. Drauf sagte die Alte: „Schätzchen, ich höre nicht;
wer bist Du? ich sehe Dich nicht; komm und zeige mir, wie man sieben muß, und
Gottes Segen sei mit Dir!" Da kam das Mädchen nach und nach herunter,
und während sie zur Alten ging, um ihr's zu zeigen, sprang der Prinz aus
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