Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.lehrer Mikus, der gleichfalls vom Typhus befallen war. bei dem jetzigen Wetter, 68*
lehrer Mikus, der gleichfalls vom Typhus befallen war. bei dem jetzigen Wetter, 68*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0467" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187961"/> lehrer Mikus, der gleichfalls vom Typhus befallen war. bei dem jetzigen Wetter,<lb/> während des heftigsten Fiebers in leichten Betten nach dem zwei bis drei<lb/> Meilen entfernten Krankenhause schaffen lassen. Erstarrt, sprachlos u. f. w.<lb/> im Hospitale angelangt, ist Mikus dort am zweiten Tage. 9. December 1862.<lb/> gestorben.<lb/> Da haben Sie ein Bild dessen, was sich hier begibt. Line irs. et swcliv<lb/> habe ich es gezeichnet, wo ich es nur irgend durfte, die Schwächen der Deutschen<lb/> und die Vorzüge der Polen hervorhebend; dennoch erschien uns die Bewegung,<lb/> hervorgerufen von wenigen, unter sich uneinigen Männern, welche auf die<lb/> Führer der Nation und auf diese selbst einen schweren Druck üben, un¬<lb/> gerecht in ihren Ansprüchen, unwahr in ihren Klagen, bald unreif, bald un¬<lb/> lauter in ihren Mitteln und über ihre letzten Ziele völlig unklar. Mit schnei¬<lb/> dendem Witze beschreibt Kattner, wie sich unter der erstrebten Nationalität<lb/> jeder etwas Anderes denke:<lb/> „Polnische Frauen: die katholische Religion mit Wachskerzen und Weih¬<lb/> rauch; die Junker: Woiwodschaften, Starosteien, schuldenfreie Güter und Zeit¬<lb/> vertreib mit Juden und Deutschen; die Pfaffen: Oberaufsicht über König und<lb/> Staat, geistliche Gerichte und Ketzerhetzcn; die Schulbuben: viereckige Mützen.<lb/> Abschaffung der Mathematik, ununterbrochenen Masurek; Dr. Metzig: das Mi¬<lb/> nisterium für polnische Medicinalangelegenheiten und den Se. Stcuiislausorden<lb/> erster Classe; Graf Montalembert: ein Bollwerk gegen den Protestantismus<lb/> und die Kirchenspaltung; Lord Russell: ein Bollwerk gegen das indiengicrige<lb/> Nußland."<lb/> Desto einiger sind sie über ihr nächstes Ziel. Wenn dem ganzen Vaterland<lb/> unter Mittheilung aller Actenstücke die Frage vorgelegt würde, ob wir es<lb/> Landesverrats nennen dürfen, so weiß ich, wie die einstimmige Antwort<lb/> lauten würde. Wir theilen noch einen freilich etwas alten Beleg mit. Zu<lb/> einem Festmahl, welches die Nation am 20. November 18S9 dem Kolko gab,<lb/> war der Abgeordnete für Sabrina, Schroda und Kosten, G. v. Potworowski<lb/> auf Gola, eines der ehrcnwerthesten seiner Mitglieder, von demselben mit der<lb/> Hauptrede beauftragt. Sein plötzlicher Tod hinderte seine Theilnahme, aber<lb/> der Dziennik brachte bald darauf den Wortlaut der schon ausgesetzten Rede.<lb/> Dieses Testament eines durchaus ruhigen und besonnenen Polen schließt:<lb/> „Die Stellung Ihrer Deputaten, meine Herrn, auf dem preußischen Landtage<lb/> 'N Berlin war und ist sehr schwierig und zu Zeiten sehr trübe, weil sie auf<lb/> dem Landtage eigentlich keineStellc haben. Allein unsere Solidarität<lb/> S'de uns heutzutage eine größere Bedeutung als früher, nicht blos gegen¬<lb/> über den beiden Kammern, sondern, ich darf es kühn aussprechen, gegenüber<lb/> v°n ganz Europa. Europa sieht, daß auf dem Landtage von Berlin sich<lb/> Polen finden, welche keinen andern Gedanken haben, kein andres Streben.<lb/> '<lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 68*</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0467]
lehrer Mikus, der gleichfalls vom Typhus befallen war. bei dem jetzigen Wetter,
während des heftigsten Fiebers in leichten Betten nach dem zwei bis drei
Meilen entfernten Krankenhause schaffen lassen. Erstarrt, sprachlos u. f. w.
im Hospitale angelangt, ist Mikus dort am zweiten Tage. 9. December 1862.
gestorben.
Da haben Sie ein Bild dessen, was sich hier begibt. Line irs. et swcliv
habe ich es gezeichnet, wo ich es nur irgend durfte, die Schwächen der Deutschen
und die Vorzüge der Polen hervorhebend; dennoch erschien uns die Bewegung,
hervorgerufen von wenigen, unter sich uneinigen Männern, welche auf die
Führer der Nation und auf diese selbst einen schweren Druck üben, un¬
gerecht in ihren Ansprüchen, unwahr in ihren Klagen, bald unreif, bald un¬
lauter in ihren Mitteln und über ihre letzten Ziele völlig unklar. Mit schnei¬
dendem Witze beschreibt Kattner, wie sich unter der erstrebten Nationalität
jeder etwas Anderes denke:
„Polnische Frauen: die katholische Religion mit Wachskerzen und Weih¬
rauch; die Junker: Woiwodschaften, Starosteien, schuldenfreie Güter und Zeit¬
vertreib mit Juden und Deutschen; die Pfaffen: Oberaufsicht über König und
Staat, geistliche Gerichte und Ketzerhetzcn; die Schulbuben: viereckige Mützen.
Abschaffung der Mathematik, ununterbrochenen Masurek; Dr. Metzig: das Mi¬
nisterium für polnische Medicinalangelegenheiten und den Se. Stcuiislausorden
erster Classe; Graf Montalembert: ein Bollwerk gegen den Protestantismus
und die Kirchenspaltung; Lord Russell: ein Bollwerk gegen das indiengicrige
Nußland."
Desto einiger sind sie über ihr nächstes Ziel. Wenn dem ganzen Vaterland
unter Mittheilung aller Actenstücke die Frage vorgelegt würde, ob wir es
Landesverrats nennen dürfen, so weiß ich, wie die einstimmige Antwort
lauten würde. Wir theilen noch einen freilich etwas alten Beleg mit. Zu
einem Festmahl, welches die Nation am 20. November 18S9 dem Kolko gab,
war der Abgeordnete für Sabrina, Schroda und Kosten, G. v. Potworowski
auf Gola, eines der ehrcnwerthesten seiner Mitglieder, von demselben mit der
Hauptrede beauftragt. Sein plötzlicher Tod hinderte seine Theilnahme, aber
der Dziennik brachte bald darauf den Wortlaut der schon ausgesetzten Rede.
Dieses Testament eines durchaus ruhigen und besonnenen Polen schließt:
„Die Stellung Ihrer Deputaten, meine Herrn, auf dem preußischen Landtage
'N Berlin war und ist sehr schwierig und zu Zeiten sehr trübe, weil sie auf
dem Landtage eigentlich keineStellc haben. Allein unsere Solidarität
S'de uns heutzutage eine größere Bedeutung als früher, nicht blos gegen¬
über den beiden Kammern, sondern, ich darf es kühn aussprechen, gegenüber
v°n ganz Europa. Europa sieht, daß auf dem Landtage von Berlin sich
Polen finden, welche keinen andern Gedanken haben, kein andres Streben.
'
68*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |