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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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berichtigen, nicht als solche -- Theil nahmen, eingeholt, durch Festmahl, durch
Illumination und sogar in der Kirche gefeiert. So geschehen: 14. Den, 1862.
Herrn v. Bonin wird die Einladung zum Diner abgeschlagen, "um ihn
nicht durch den Anblick der Ezamarken verletzen zu müssen". Der Oberprä-
sident hatte auf dem Landtage zu Berlin einige treffende Worte über die Spie¬
lerei mit dem Nativnalcostüm fallen lassen. -- Wie sie die Trauer um Frie¬
drich Wilhelm den Vierten gehalten, wie des badcner Attentates im Dziennik
nur unter den gewöhnlichen berliner Neuigkeiten gedacht war, ist bekannt,
minder vielleicht, daß sie in Birnbaum (nur dort?> nach den Wahlen beim
Hoch auf den König ihre Mützen aufbehielten.
Von deutschen Handwerkern, die sie nicht bezahlen tonnen oder mögen',
verlangen sie polnische Quittungen. Um die Juden dagegen wird gebuhlt.
Da brennt ohnweit Kvzmin ein Dorf ab; unter den Beschädigtem ist ein jüdi¬
scher Schänker. Den Polen gegenüber thut der Probst seine Schuldigkeit; dem
Juden gibt er -- ? nein, er schreibt an Herrn Dr. Abraham Geiger in Breslau
und bittet ihn, für den abgebrannten Juden zu sammeln. Geiger ist natürlich
bewegt, entzückt, sammelt und rühmt diesen seltenen Fall hoher Toleranz in
der Zeitung. Das war der Zweck.
Doch fehlt es auch nicht an gesunden Unternehmungen: eins ist die Actien-
gesellschaft Tellus oder wie sie seit dem 15. December 1862 heißt: Commandit-
gesellschaft von Plater Chtapowsti, Bninski und Comp. Sie hat bis jetzt ein
Capital von 480.000 THIr. aus allen Gebieten des alten Polens in Actien
gezeichnet, welches zur Unterstützung polnischer Grundbesitzer durch Darlehn
bestimmt, den Zweck haben soll, die großpolnische Erde den polnischen Besitzern
zu erhalten.
Das ist wieder bezeichnend, daß der das ganze Polen umfassende Verein
Posen ausmahlt, um sich da zu domiciliren. Die Thätigkeit der auf § 173
des deutschen Handelsgesetzbuchs constituirten Gesellschaft geht auf Banquier-
und Wechselgeschäfte, § 272; Uebernahme von Versicherungen, § 271; Com-
missionögcschäste, § 271 und 360; die Acticnzcichnung ist notariell legalisirt
und die erste Rate eingezahlt worden. Der Aufsichtsrath besteht aus zehn Per¬
sonen, welche Galizien, Russisch-Polen, Westpreußen und Posen angehören.
Der galizische Fürst Leo Sapieha eröffnet die Reihe.
Auch was für Gesellenvereine, für Krankenhäuser u. tgi. geschieht, hätte
ich gern gerühmt und wäre denen warm entgegengetreten, die vorgeben, es
sei dabei polnische Prahlerei und Agitationslust start im Spiele, wenn mir
nur nicht die Frau Landschaftsräthin v. Bronikowska auf Marszalli bei Rasz-
tow. Kreis Schildberg, wieder einmal das wahre Gesicht polnischer Barmher¬
zigkeit gezeigt hätte. Sie hat ihren Mann am Typhus verloren und hat nicht
Lust schon wieder eine Leiche zu sehen, wie sie sagt, darum hat sie ihren Haus-

berichtigen, nicht als solche — Theil nahmen, eingeholt, durch Festmahl, durch
Illumination und sogar in der Kirche gefeiert. So geschehen: 14. Den, 1862.
Herrn v. Bonin wird die Einladung zum Diner abgeschlagen, „um ihn
nicht durch den Anblick der Ezamarken verletzen zu müssen". Der Oberprä-
sident hatte auf dem Landtage zu Berlin einige treffende Worte über die Spie¬
lerei mit dem Nativnalcostüm fallen lassen. — Wie sie die Trauer um Frie¬
drich Wilhelm den Vierten gehalten, wie des badcner Attentates im Dziennik
nur unter den gewöhnlichen berliner Neuigkeiten gedacht war, ist bekannt,
minder vielleicht, daß sie in Birnbaum (nur dort?> nach den Wahlen beim
Hoch auf den König ihre Mützen aufbehielten.
Von deutschen Handwerkern, die sie nicht bezahlen tonnen oder mögen',
verlangen sie polnische Quittungen. Um die Juden dagegen wird gebuhlt.
Da brennt ohnweit Kvzmin ein Dorf ab; unter den Beschädigtem ist ein jüdi¬
scher Schänker. Den Polen gegenüber thut der Probst seine Schuldigkeit; dem
Juden gibt er — ? nein, er schreibt an Herrn Dr. Abraham Geiger in Breslau
und bittet ihn, für den abgebrannten Juden zu sammeln. Geiger ist natürlich
bewegt, entzückt, sammelt und rühmt diesen seltenen Fall hoher Toleranz in
der Zeitung. Das war der Zweck.
Doch fehlt es auch nicht an gesunden Unternehmungen: eins ist die Actien-
gesellschaft Tellus oder wie sie seit dem 15. December 1862 heißt: Commandit-
gesellschaft von Plater Chtapowsti, Bninski und Comp. Sie hat bis jetzt ein
Capital von 480.000 THIr. aus allen Gebieten des alten Polens in Actien
gezeichnet, welches zur Unterstützung polnischer Grundbesitzer durch Darlehn
bestimmt, den Zweck haben soll, die großpolnische Erde den polnischen Besitzern
zu erhalten.
Das ist wieder bezeichnend, daß der das ganze Polen umfassende Verein
Posen ausmahlt, um sich da zu domiciliren. Die Thätigkeit der auf § 173
des deutschen Handelsgesetzbuchs constituirten Gesellschaft geht auf Banquier-
und Wechselgeschäfte, § 272; Uebernahme von Versicherungen, § 271; Com-
missionögcschäste, § 271 und 360; die Acticnzcichnung ist notariell legalisirt
und die erste Rate eingezahlt worden. Der Aufsichtsrath besteht aus zehn Per¬
sonen, welche Galizien, Russisch-Polen, Westpreußen und Posen angehören.
Der galizische Fürst Leo Sapieha eröffnet die Reihe.
Auch was für Gesellenvereine, für Krankenhäuser u. tgi. geschieht, hätte
ich gern gerühmt und wäre denen warm entgegengetreten, die vorgeben, es
sei dabei polnische Prahlerei und Agitationslust start im Spiele, wenn mir
nur nicht die Frau Landschaftsräthin v. Bronikowska auf Marszalli bei Rasz-
tow. Kreis Schildberg, wieder einmal das wahre Gesicht polnischer Barmher¬
zigkeit gezeigt hätte. Sie hat ihren Mann am Typhus verloren und hat nicht
Lust schon wieder eine Leiche zu sehen, wie sie sagt, darum hat sie ihren Haus-

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[0466] berichtigen, nicht als solche — Theil nahmen, eingeholt, durch Festmahl, durch Illumination und sogar in der Kirche gefeiert. So geschehen: 14. Den, 1862. Herrn v. Bonin wird die Einladung zum Diner abgeschlagen, „um ihn nicht durch den Anblick der Ezamarken verletzen zu müssen". Der Oberprä- sident hatte auf dem Landtage zu Berlin einige treffende Worte über die Spie¬ lerei mit dem Nativnalcostüm fallen lassen. — Wie sie die Trauer um Frie¬ drich Wilhelm den Vierten gehalten, wie des badcner Attentates im Dziennik nur unter den gewöhnlichen berliner Neuigkeiten gedacht war, ist bekannt, minder vielleicht, daß sie in Birnbaum (nur dort?> nach den Wahlen beim Hoch auf den König ihre Mützen aufbehielten. Von deutschen Handwerkern, die sie nicht bezahlen tonnen oder mögen', verlangen sie polnische Quittungen. Um die Juden dagegen wird gebuhlt. Da brennt ohnweit Kvzmin ein Dorf ab; unter den Beschädigtem ist ein jüdi¬ scher Schänker. Den Polen gegenüber thut der Probst seine Schuldigkeit; dem Juden gibt er — ? nein, er schreibt an Herrn Dr. Abraham Geiger in Breslau und bittet ihn, für den abgebrannten Juden zu sammeln. Geiger ist natürlich bewegt, entzückt, sammelt und rühmt diesen seltenen Fall hoher Toleranz in der Zeitung. Das war der Zweck. Doch fehlt es auch nicht an gesunden Unternehmungen: eins ist die Actien- gesellschaft Tellus oder wie sie seit dem 15. December 1862 heißt: Commandit- gesellschaft von Plater Chtapowsti, Bninski und Comp. Sie hat bis jetzt ein Capital von 480.000 THIr. aus allen Gebieten des alten Polens in Actien gezeichnet, welches zur Unterstützung polnischer Grundbesitzer durch Darlehn bestimmt, den Zweck haben soll, die großpolnische Erde den polnischen Besitzern zu erhalten. Das ist wieder bezeichnend, daß der das ganze Polen umfassende Verein Posen ausmahlt, um sich da zu domiciliren. Die Thätigkeit der auf § 173 des deutschen Handelsgesetzbuchs constituirten Gesellschaft geht auf Banquier- und Wechselgeschäfte, § 272; Uebernahme von Versicherungen, § 271; Com- missionögcschäste, § 271 und 360; die Acticnzcichnung ist notariell legalisirt und die erste Rate eingezahlt worden. Der Aufsichtsrath besteht aus zehn Per¬ sonen, welche Galizien, Russisch-Polen, Westpreußen und Posen angehören. Der galizische Fürst Leo Sapieha eröffnet die Reihe. Auch was für Gesellenvereine, für Krankenhäuser u. tgi. geschieht, hätte ich gern gerühmt und wäre denen warm entgegengetreten, die vorgeben, es sei dabei polnische Prahlerei und Agitationslust start im Spiele, wenn mir nur nicht die Frau Landschaftsräthin v. Bronikowska auf Marszalli bei Rasz- tow. Kreis Schildberg, wieder einmal das wahre Gesicht polnischer Barmher¬ zigkeit gezeigt hätte. Sie hat ihren Mann am Typhus verloren und hat nicht Lust schon wieder eine Leiche zu sehen, wie sie sagt, darum hat sie ihren Haus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/466>, abgerufen am 29.11.2024.