Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.kein andres Ziel, als nur die Rechte ihrer Nationalität zu fordern, und heute kein andres Ziel, als nur die Rechte ihrer Nationalität zu fordern, und heute <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0468" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187962"/> kein andres Ziel, als nur die Rechte ihrer Nationalität zu fordern, und heute<lb/> ist diese Einsicht von um so größerer Bedeutung und stärkerem Gewichte, als<lb/> der große Grundsatz der Nationalität seinen Ausdruck gefunden hat. Ihre<lb/> Pflicht, meine Herrn, ist es, dahin zu trachten und zu arbeiten, daß alle<lb/> Coterien und Parteiungen im Lande aufhören, damit die Losung der Nationa¬<lb/> lität nicht verdächtigt, oder irgend jemand gegenüber schwankend gemacht<lb/> werde und damit diese heilige Losung niemals durch andre Tendenzen verhüllt<lb/> werde. Wir aber, meine Herren, schwören als polnische Abgeordnete,<lb/> daß wir keine anderen Rücksichten . keine anderen Ziele haben, als die Vertheidi¬<lb/> gung unserer Nation. Wir arbeiten in der Hoffnung, daß wir einst auf<lb/> unserm eigenen Boden über das Wohl unseres Landes rathen<lb/> werden, und in dieser Hoffnung, zur Ehre dieses Glaubens unseres Volkes<lb/> bringe ich den Toast aus: Es lebe unsere Hoffnung, und ich bitte Gott,<lb/> daß er uns diese Zeit erleben lasse."<lb/> Einig sind die Polen serner in ihrem glühenden Hasse gegen Deutschland,<lb/> insonderheit gegen Preußen; eine Stimmung, deren Ungerechtigkeit in die<lb/> Augen fällt. Die Gründe, welche Montalembert dafür aufsucht, sind nichtig,<lb/> weil sie auf dem Boden lügenhafter Angaben ruhen.<lb/> Es kommt bei diesem Hasse vielleicht die Geschichte der zweiten Theilung<lb/> Polens in Rechnung, bei der Preußen den Polen bitter weh gethan hat.<lb/> Gewiß ist der wunderliche Zug des unglücklichen Menschen nicht ohne Einfluß,<lb/> welcher ihn gegen einen Wohlthäter, der nicht allen Wünschen gerecht wird,<lb/> bittrer stimmt als gegen jemand, der ihm gar nichts gewährt, ein Zug, der<lb/> sich besonders mächtig bei einem Volke zeigt, welches die Freiheit niemals ver¬<lb/> tragen hat. Sodann fällt der Religivnsuntcrschied um so schwerer ins Gewicht,<lb/> als sich der katholische Pole des Abfalls von dem jetzt siegreich gewordenen<lb/> Protestantismus anzuklagen hat.<lb/> Entscheidend aber ist der Gegensatz des germanischen und des slavischen<lb/> Volksgeistes. Der Pole fühlt von ersterem eine ihm unerkannte, aber des¬<lb/> wegen doppelt starke Gewalt ausgehen, der er nicht zu widerstehen, ja neben<lb/> der er sich nicht zu behaupten vermag. Diesem Geiste gegenüber gibt es für<lb/> ihn keine andere Wahl, als aus sich herauszutreten, mit seinen alten Fehlern<lb/> zu brechen oder zurückzuweichen. Der schwere russische Druck hat den Polen<lb/> gelassen, wie er war. Es ist möglich, daß ein Aufstand, ein Friedenstractat,<lb/> ja ein kaiserlicher Ukas das russische Polen von seinem Joche befreit, und es<lb/> steht mit seiner alten Kraft, aber auch mit seinen alten Schwächen und Sünden<lb/> wieder auf. Wenn aber Großpolen „frei" würde, so würde der Geist des<lb/> nunmehr unterworfenen Deutschthums noch seine Überlegenheit geltend machen,<lb/> noch neue Siege gewinnen, noch immer weiter nach Osten dringen. Weil vor<lb/> ihm sein Thron wankt, darum zürnt das Slaventhum den Germanen.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0468]
kein andres Ziel, als nur die Rechte ihrer Nationalität zu fordern, und heute
ist diese Einsicht von um so größerer Bedeutung und stärkerem Gewichte, als
der große Grundsatz der Nationalität seinen Ausdruck gefunden hat. Ihre
Pflicht, meine Herrn, ist es, dahin zu trachten und zu arbeiten, daß alle
Coterien und Parteiungen im Lande aufhören, damit die Losung der Nationa¬
lität nicht verdächtigt, oder irgend jemand gegenüber schwankend gemacht
werde und damit diese heilige Losung niemals durch andre Tendenzen verhüllt
werde. Wir aber, meine Herren, schwören als polnische Abgeordnete,
daß wir keine anderen Rücksichten . keine anderen Ziele haben, als die Vertheidi¬
gung unserer Nation. Wir arbeiten in der Hoffnung, daß wir einst auf
unserm eigenen Boden über das Wohl unseres Landes rathen
werden, und in dieser Hoffnung, zur Ehre dieses Glaubens unseres Volkes
bringe ich den Toast aus: Es lebe unsere Hoffnung, und ich bitte Gott,
daß er uns diese Zeit erleben lasse."
Einig sind die Polen serner in ihrem glühenden Hasse gegen Deutschland,
insonderheit gegen Preußen; eine Stimmung, deren Ungerechtigkeit in die
Augen fällt. Die Gründe, welche Montalembert dafür aufsucht, sind nichtig,
weil sie auf dem Boden lügenhafter Angaben ruhen.
Es kommt bei diesem Hasse vielleicht die Geschichte der zweiten Theilung
Polens in Rechnung, bei der Preußen den Polen bitter weh gethan hat.
Gewiß ist der wunderliche Zug des unglücklichen Menschen nicht ohne Einfluß,
welcher ihn gegen einen Wohlthäter, der nicht allen Wünschen gerecht wird,
bittrer stimmt als gegen jemand, der ihm gar nichts gewährt, ein Zug, der
sich besonders mächtig bei einem Volke zeigt, welches die Freiheit niemals ver¬
tragen hat. Sodann fällt der Religivnsuntcrschied um so schwerer ins Gewicht,
als sich der katholische Pole des Abfalls von dem jetzt siegreich gewordenen
Protestantismus anzuklagen hat.
Entscheidend aber ist der Gegensatz des germanischen und des slavischen
Volksgeistes. Der Pole fühlt von ersterem eine ihm unerkannte, aber des¬
wegen doppelt starke Gewalt ausgehen, der er nicht zu widerstehen, ja neben
der er sich nicht zu behaupten vermag. Diesem Geiste gegenüber gibt es für
ihn keine andere Wahl, als aus sich herauszutreten, mit seinen alten Fehlern
zu brechen oder zurückzuweichen. Der schwere russische Druck hat den Polen
gelassen, wie er war. Es ist möglich, daß ein Aufstand, ein Friedenstractat,
ja ein kaiserlicher Ukas das russische Polen von seinem Joche befreit, und es
steht mit seiner alten Kraft, aber auch mit seinen alten Schwächen und Sünden
wieder auf. Wenn aber Großpolen „frei" würde, so würde der Geist des
nunmehr unterworfenen Deutschthums noch seine Überlegenheit geltend machen,
noch neue Siege gewinnen, noch immer weiter nach Osten dringen. Weil vor
ihm sein Thron wankt, darum zürnt das Slaventhum den Germanen.
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