Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wird voraussichtlich ein Coalitionsministerium sein, Aitliberale, Männer des linken
Centrums, ein und das andere gemäßigte Mitglied der Fortschrittspartei (Justiz
oder Handel oder Landwirthschaft), ferner einer von den drei liberalen Generälen,
deren sich Preußen erfreut, einer der Diplomaten, welche im Gegensatz zu dem jetzt
herrschenden System stehn. Es wird nicht leicht sein, ein solches Ministerium zu
bilden, und es ist nicht unmöglich, daß die Uebelstände, welche jedem Coalitions-
Ministerium anhaften, allmälig auch bei dieser Bildung hervortreten werden.
Aber es ist in der Lage/Preußens die einzig mögliche Wahl.

Die Grundlagen aber, auf denen das Ministerium zu bilden sein wird,
sind erstens: Reform des Herrenhauses durch Entfernung der gegen das Gesetz
eingefügten Mitglieder und durch eine genügende Wahl neuer; zweitens: Re¬
form des Heeres mit möglichst engem Anschluß an die bestehenden Einrichtungen
auf Grund von Vorschlägen, welche eine gemischte Commission zu machen hat.
Diese Commission wird aus einigen Organisationstalenten des Heeres gebildet
und aus Vertrauensmännern, welche das Abgeordnetenhaus erwählt.

Entschließt ein Regent Preußens sich freiwillig und zur geeigneten Stunde,
diesen Weg zu betreten und herrscht zwischen ihm und den Männern, welchen
er die Verwaltung des Staates übergeben will, ein aufrichtiges Einvernehmen
über die beiden großen Maßregeln, so sind für den Fürsten selbst die größten
Schwierigkeiten beseitigt; er hat den Wagen seines Staates in das Gleis ge¬
bracht und mag mit gutem Gewissen der Zukunft vertrauen. Das gegen¬
wärtige Ministerium hat jedem spätern der liberalen Partei die Stellung
erleichtert; wenn sonst in den Höhen, Beamtenkreisen kopfschüttelnd gegen ein
Ministerium, das seinen Schwerpunkt etwa im linken Centrum hat, bemerkt
wurde, daß diese liberalen Fractionen nicht reich an Talenten und die Talente
nicht genügend mit Autorität umgeben seien, so haben die letzten Monate auch
diese Einwendung gründlich widerlegt. Mehr als eine tüchtige Kraft ist
durch die Debatten eines Sommers und Winters in den Vordergrund getreten.
Aber selbst wenn die Zahl bedeutender Fachmänner für die innern Geschäfte
unter den Liberalen weit geringer wäre, als sie ist, es wird ihnen nicht schwer
werden, sich vor dem Volke und dem Auslande als tüchtig und bedeutend zu
erweisen, da sie den Vorzug haben, Nachfolger des gegenwärtigen Ministeriums
zu sein.

Noch ist der Conflict zwischen Krone und Volk in Preußen jetzt durch
eine schnelle und aufrichtige Aenderung des Systems zu beseitigen. Aber die
Brandung schwillt, und die Sibylle verbrennt den Zögernden eines ihrer Bücher
nach dem andern.




wird voraussichtlich ein Coalitionsministerium sein, Aitliberale, Männer des linken
Centrums, ein und das andere gemäßigte Mitglied der Fortschrittspartei (Justiz
oder Handel oder Landwirthschaft), ferner einer von den drei liberalen Generälen,
deren sich Preußen erfreut, einer der Diplomaten, welche im Gegensatz zu dem jetzt
herrschenden System stehn. Es wird nicht leicht sein, ein solches Ministerium zu
bilden, und es ist nicht unmöglich, daß die Uebelstände, welche jedem Coalitions-
Ministerium anhaften, allmälig auch bei dieser Bildung hervortreten werden.
Aber es ist in der Lage/Preußens die einzig mögliche Wahl.

Die Grundlagen aber, auf denen das Ministerium zu bilden sein wird,
sind erstens: Reform des Herrenhauses durch Entfernung der gegen das Gesetz
eingefügten Mitglieder und durch eine genügende Wahl neuer; zweitens: Re¬
form des Heeres mit möglichst engem Anschluß an die bestehenden Einrichtungen
auf Grund von Vorschlägen, welche eine gemischte Commission zu machen hat.
Diese Commission wird aus einigen Organisationstalenten des Heeres gebildet
und aus Vertrauensmännern, welche das Abgeordnetenhaus erwählt.

Entschließt ein Regent Preußens sich freiwillig und zur geeigneten Stunde,
diesen Weg zu betreten und herrscht zwischen ihm und den Männern, welchen
er die Verwaltung des Staates übergeben will, ein aufrichtiges Einvernehmen
über die beiden großen Maßregeln, so sind für den Fürsten selbst die größten
Schwierigkeiten beseitigt; er hat den Wagen seines Staates in das Gleis ge¬
bracht und mag mit gutem Gewissen der Zukunft vertrauen. Das gegen¬
wärtige Ministerium hat jedem spätern der liberalen Partei die Stellung
erleichtert; wenn sonst in den Höhen, Beamtenkreisen kopfschüttelnd gegen ein
Ministerium, das seinen Schwerpunkt etwa im linken Centrum hat, bemerkt
wurde, daß diese liberalen Fractionen nicht reich an Talenten und die Talente
nicht genügend mit Autorität umgeben seien, so haben die letzten Monate auch
diese Einwendung gründlich widerlegt. Mehr als eine tüchtige Kraft ist
durch die Debatten eines Sommers und Winters in den Vordergrund getreten.
Aber selbst wenn die Zahl bedeutender Fachmänner für die innern Geschäfte
unter den Liberalen weit geringer wäre, als sie ist, es wird ihnen nicht schwer
werden, sich vor dem Volke und dem Auslande als tüchtig und bedeutend zu
erweisen, da sie den Vorzug haben, Nachfolger des gegenwärtigen Ministeriums
zu sein.

Noch ist der Conflict zwischen Krone und Volk in Preußen jetzt durch
eine schnelle und aufrichtige Aenderung des Systems zu beseitigen. Aber die
Brandung schwillt, und die Sibylle verbrennt den Zögernden eines ihrer Bücher
nach dem andern.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0294" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187788"/>
          <p xml:id="ID_1125" prev="#ID_1124"> wird voraussichtlich ein Coalitionsministerium sein, Aitliberale, Männer des linken<lb/>
Centrums, ein und das andere gemäßigte Mitglied der Fortschrittspartei (Justiz<lb/>
oder Handel oder Landwirthschaft), ferner einer von den drei liberalen Generälen,<lb/>
deren sich Preußen erfreut, einer der Diplomaten, welche im Gegensatz zu dem jetzt<lb/>
herrschenden System stehn. Es wird nicht leicht sein, ein solches Ministerium zu<lb/>
bilden, und es ist nicht unmöglich, daß die Uebelstände, welche jedem Coalitions-<lb/>
Ministerium anhaften, allmälig auch bei dieser Bildung hervortreten werden.<lb/>
Aber es ist in der Lage/Preußens die einzig mögliche Wahl.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1126"> Die Grundlagen aber, auf denen das Ministerium zu bilden sein wird,<lb/>
sind erstens: Reform des Herrenhauses durch Entfernung der gegen das Gesetz<lb/>
eingefügten Mitglieder und durch eine genügende Wahl neuer; zweitens: Re¬<lb/>
form des Heeres mit möglichst engem Anschluß an die bestehenden Einrichtungen<lb/>
auf Grund von Vorschlägen, welche eine gemischte Commission zu machen hat.<lb/>
Diese Commission wird aus einigen Organisationstalenten des Heeres gebildet<lb/>
und aus Vertrauensmännern, welche das Abgeordnetenhaus erwählt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1127"> Entschließt ein Regent Preußens sich freiwillig und zur geeigneten Stunde,<lb/>
diesen Weg zu betreten und herrscht zwischen ihm und den Männern, welchen<lb/>
er die Verwaltung des Staates übergeben will, ein aufrichtiges Einvernehmen<lb/>
über die beiden großen Maßregeln, so sind für den Fürsten selbst die größten<lb/>
Schwierigkeiten beseitigt; er hat den Wagen seines Staates in das Gleis ge¬<lb/>
bracht und mag mit gutem Gewissen der Zukunft vertrauen. Das gegen¬<lb/>
wärtige Ministerium hat jedem spätern der liberalen Partei die Stellung<lb/>
erleichtert; wenn sonst in den Höhen, Beamtenkreisen kopfschüttelnd gegen ein<lb/>
Ministerium, das seinen Schwerpunkt etwa im linken Centrum hat, bemerkt<lb/>
wurde, daß diese liberalen Fractionen nicht reich an Talenten und die Talente<lb/>
nicht genügend mit Autorität umgeben seien, so haben die letzten Monate auch<lb/>
diese Einwendung gründlich widerlegt. Mehr als eine tüchtige Kraft ist<lb/>
durch die Debatten eines Sommers und Winters in den Vordergrund getreten.<lb/>
Aber selbst wenn die Zahl bedeutender Fachmänner für die innern Geschäfte<lb/>
unter den Liberalen weit geringer wäre, als sie ist, es wird ihnen nicht schwer<lb/>
werden, sich vor dem Volke und dem Auslande als tüchtig und bedeutend zu<lb/>
erweisen, da sie den Vorzug haben, Nachfolger des gegenwärtigen Ministeriums<lb/>
zu sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1128"> Noch ist der Conflict zwischen Krone und Volk in Preußen jetzt durch<lb/>
eine schnelle und aufrichtige Aenderung des Systems zu beseitigen. Aber die<lb/>
Brandung schwillt, und die Sibylle verbrennt den Zögernden eines ihrer Bücher<lb/><note type="byline"/> nach dem andern.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0294] wird voraussichtlich ein Coalitionsministerium sein, Aitliberale, Männer des linken Centrums, ein und das andere gemäßigte Mitglied der Fortschrittspartei (Justiz oder Handel oder Landwirthschaft), ferner einer von den drei liberalen Generälen, deren sich Preußen erfreut, einer der Diplomaten, welche im Gegensatz zu dem jetzt herrschenden System stehn. Es wird nicht leicht sein, ein solches Ministerium zu bilden, und es ist nicht unmöglich, daß die Uebelstände, welche jedem Coalitions- Ministerium anhaften, allmälig auch bei dieser Bildung hervortreten werden. Aber es ist in der Lage/Preußens die einzig mögliche Wahl. Die Grundlagen aber, auf denen das Ministerium zu bilden sein wird, sind erstens: Reform des Herrenhauses durch Entfernung der gegen das Gesetz eingefügten Mitglieder und durch eine genügende Wahl neuer; zweitens: Re¬ form des Heeres mit möglichst engem Anschluß an die bestehenden Einrichtungen auf Grund von Vorschlägen, welche eine gemischte Commission zu machen hat. Diese Commission wird aus einigen Organisationstalenten des Heeres gebildet und aus Vertrauensmännern, welche das Abgeordnetenhaus erwählt. Entschließt ein Regent Preußens sich freiwillig und zur geeigneten Stunde, diesen Weg zu betreten und herrscht zwischen ihm und den Männern, welchen er die Verwaltung des Staates übergeben will, ein aufrichtiges Einvernehmen über die beiden großen Maßregeln, so sind für den Fürsten selbst die größten Schwierigkeiten beseitigt; er hat den Wagen seines Staates in das Gleis ge¬ bracht und mag mit gutem Gewissen der Zukunft vertrauen. Das gegen¬ wärtige Ministerium hat jedem spätern der liberalen Partei die Stellung erleichtert; wenn sonst in den Höhen, Beamtenkreisen kopfschüttelnd gegen ein Ministerium, das seinen Schwerpunkt etwa im linken Centrum hat, bemerkt wurde, daß diese liberalen Fractionen nicht reich an Talenten und die Talente nicht genügend mit Autorität umgeben seien, so haben die letzten Monate auch diese Einwendung gründlich widerlegt. Mehr als eine tüchtige Kraft ist durch die Debatten eines Sommers und Winters in den Vordergrund getreten. Aber selbst wenn die Zahl bedeutender Fachmänner für die innern Geschäfte unter den Liberalen weit geringer wäre, als sie ist, es wird ihnen nicht schwer werden, sich vor dem Volke und dem Auslande als tüchtig und bedeutend zu erweisen, da sie den Vorzug haben, Nachfolger des gegenwärtigen Ministeriums zu sein. Noch ist der Conflict zwischen Krone und Volk in Preußen jetzt durch eine schnelle und aufrichtige Aenderung des Systems zu beseitigen. Aber die Brandung schwillt, und die Sibylle verbrennt den Zögernden eines ihrer Bücher nach dem andern.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/294
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/294>, abgerufen am 27.07.2024.