Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Haß gegen ihn erweckte. Mit ihm zog die dänische Sprache als gleichberechtigt Wer nicht für möglich hält, daß der Vorstand einer deutschen Schule das "Odysseus schneiderte sich einen Stab (der Vortragende meinte vermuthlich Genug, die deutsche Sprache verhüllt sich und zerdrückt zwei Thränen, Als Conrector an der Domschule fungirt ein Doctor Mariens, ein Ver¬ Haß gegen ihn erweckte. Mit ihm zog die dänische Sprache als gleichberechtigt Wer nicht für möglich hält, daß der Vorstand einer deutschen Schule das „Odysseus schneiderte sich einen Stab (der Vortragende meinte vermuthlich Genug, die deutsche Sprache verhüllt sich und zerdrückt zwei Thränen, Als Conrector an der Domschule fungirt ein Doctor Mariens, ein Ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116006"/> <p xml:id="ID_242" prev="#ID_241"> Haß gegen ihn erweckte. Mit ihm zog die dänische Sprache als gleichberechtigt<lb/> mit der deutschen in die Auditorien der Schule ein. Unter ihm zuerst er¬<lb/> fuhren die Schüler, daß die dänische Geschichte für sie die vaterländische sei.<lb/> Statt, wie sichs für eine Gelehrtenschule gebührt, die Griechen und Lateiner<lb/> vorwiegend zu tractiren, mußten die Classen von jetzt ab ihre Zeit mit däni¬<lb/> schen Poeten dritten Ranges vergeuden, und Primanern, welche deutsche Classiker<lb/> citirt, wurde gedroht, man werde ihnen auszutreiben wissen, von ihrem<lb/> Schiller und ihrem Goethe zu reden.</p><lb/> <p xml:id="ID_243"> Wer nicht für möglich hält, daß der Vorstand einer deutschen Schule das<lb/> Deutsche nur zu radcbrechen versteht, der lasse sich durch folgende Sätze des<lb/> Herrn Rectors belehren, daß das Unmögliche doch mitunter möglich ist. Die¬<lb/> selben wurden Rasch von einem Schüler der Schleswiger Prima mitgetheilt, der<lb/> sie bei Interpretation der Odyssee durch Herrn Povelsen, zum Besten lachen¬<lb/> der Philosophen außerhalb der Schule, nachgeschrieben, und den wir beiläufig<lb/> ebenfalls zu kennen glauben, Sie lauten:</p><lb/> <p xml:id="ID_244"> „Odysseus schneiderte sich einen Stab (der Vortragende meinte vermuthlich<lb/> „schnitzte sich"). — Der Wein stieg Polyphem zum Kopfe. — Er wurde des<lb/> Auges geraubt. — Die Phäaken wetteiferten sich. — Odysseus erhob sich in<lb/> der Höhe, daß er das Land ersehen konnte. — Als sie aus dem Thore gingen,<lb/> traten ihnen drei Männer ins Gesicht. — Ein mütterlicher Großvater. — Er<lb/> vernahm den Geruch. — Wir sind bereit, dich Alles zu ersetzen. — Er hatte<lb/> beworben um die Gattin. — Wie geht es Dich? — Hast du dich einen Loch<lb/> ins Kopf gefallen? — Es ward Alles in Erfüllung gesetzt u. s. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_245"> Genug, die deutsche Sprache verhüllt sich und zerdrückt zwei Thränen,<lb/> eine Thräne der Betrübniß und eine Thräne excessiver Heiterkeit, und damit<lb/> fort zu einem andern Bilde aus dieser anmuthigen Gesellschaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_246" next="#ID_247"> Als Conrector an der Domschule fungirt ein Doctor Mariens, ein Ver¬<lb/> wandter von Mariens und Comp. (gsireris teimnini), welche in bekannter<lb/> infamer Weise die Flensburger Zeitung redigiren. Er war früher Kollaborator<lb/> in Hadersleben und rückte von diesem Posten schon im dritten Vierteljahr zum<lb/> Subrector auf, so daß man versucht werden könnte, bedeutende Fähigkeiten bei<lb/> ihm vorauszusetzen. Kenner Schleswiger Zustände werden auf diesen Schluß<lb/> nicht verfallen, und für andere wird es genügen, zu bemerken, daß die in<lb/> einem Schulprogramm veröffentlichte, von unserm Doctor verfaßte Dissertation<lb/> as eiviwtis ?lÄtonicg.e arte et consilio, abgesehen von ihrem schülerhaften<lb/> Gedankengange, sogar verräth, daß der Herr Conrector in Betreff der Conju¬<lb/> gation gewisser lateinischer Verba noch zu lernen hat. Noch weniger als zum<lb/> Schriftsteller ist dieser zweite Held in der Schleswiger Schulposse zum Lehrer<lb/> qualificirt. Sein Vortrag ist trocken und langweilig bis zum Aeußersten, sein<lb/> ganzes Auftreten verbreitet ein Gefühl der Dürre und Trostlosigkeit, vor dem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
Haß gegen ihn erweckte. Mit ihm zog die dänische Sprache als gleichberechtigt
mit der deutschen in die Auditorien der Schule ein. Unter ihm zuerst er¬
fuhren die Schüler, daß die dänische Geschichte für sie die vaterländische sei.
Statt, wie sichs für eine Gelehrtenschule gebührt, die Griechen und Lateiner
vorwiegend zu tractiren, mußten die Classen von jetzt ab ihre Zeit mit däni¬
schen Poeten dritten Ranges vergeuden, und Primanern, welche deutsche Classiker
citirt, wurde gedroht, man werde ihnen auszutreiben wissen, von ihrem
Schiller und ihrem Goethe zu reden.
Wer nicht für möglich hält, daß der Vorstand einer deutschen Schule das
Deutsche nur zu radcbrechen versteht, der lasse sich durch folgende Sätze des
Herrn Rectors belehren, daß das Unmögliche doch mitunter möglich ist. Die¬
selben wurden Rasch von einem Schüler der Schleswiger Prima mitgetheilt, der
sie bei Interpretation der Odyssee durch Herrn Povelsen, zum Besten lachen¬
der Philosophen außerhalb der Schule, nachgeschrieben, und den wir beiläufig
ebenfalls zu kennen glauben, Sie lauten:
„Odysseus schneiderte sich einen Stab (der Vortragende meinte vermuthlich
„schnitzte sich"). — Der Wein stieg Polyphem zum Kopfe. — Er wurde des
Auges geraubt. — Die Phäaken wetteiferten sich. — Odysseus erhob sich in
der Höhe, daß er das Land ersehen konnte. — Als sie aus dem Thore gingen,
traten ihnen drei Männer ins Gesicht. — Ein mütterlicher Großvater. — Er
vernahm den Geruch. — Wir sind bereit, dich Alles zu ersetzen. — Er hatte
beworben um die Gattin. — Wie geht es Dich? — Hast du dich einen Loch
ins Kopf gefallen? — Es ward Alles in Erfüllung gesetzt u. s. w.
Genug, die deutsche Sprache verhüllt sich und zerdrückt zwei Thränen,
eine Thräne der Betrübniß und eine Thräne excessiver Heiterkeit, und damit
fort zu einem andern Bilde aus dieser anmuthigen Gesellschaft.
Als Conrector an der Domschule fungirt ein Doctor Mariens, ein Ver¬
wandter von Mariens und Comp. (gsireris teimnini), welche in bekannter
infamer Weise die Flensburger Zeitung redigiren. Er war früher Kollaborator
in Hadersleben und rückte von diesem Posten schon im dritten Vierteljahr zum
Subrector auf, so daß man versucht werden könnte, bedeutende Fähigkeiten bei
ihm vorauszusetzen. Kenner Schleswiger Zustände werden auf diesen Schluß
nicht verfallen, und für andere wird es genügen, zu bemerken, daß die in
einem Schulprogramm veröffentlichte, von unserm Doctor verfaßte Dissertation
as eiviwtis ?lÄtonicg.e arte et consilio, abgesehen von ihrem schülerhaften
Gedankengange, sogar verräth, daß der Herr Conrector in Betreff der Conju¬
gation gewisser lateinischer Verba noch zu lernen hat. Noch weniger als zum
Schriftsteller ist dieser zweite Held in der Schleswiger Schulposse zum Lehrer
qualificirt. Sein Vortrag ist trocken und langweilig bis zum Aeußersten, sein
ganzes Auftreten verbreitet ein Gefühl der Dürre und Trostlosigkeit, vor dem
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