Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

selbst der beste Wille zum Lernen die Flügel hängen läßt. Anfangs sehr mangel¬
haft in der deutschen Sprache zu Hause, hat er sich -- wie nicht verschwiegen
werden darf -- in den letzten Jahren hierin beträchtlich gebessert. Aber noch
immer mischen sich ihm dänische Constructionen in die Rede, und das ist um
so mehr zu beklagen, als er vorzugsweise den Unterricht im Deutschen zu er¬
theilen hat.

Ob unser nächstes Porträt, dessen Original Rasch als "Lehrer an einer
Gelehrtenschule in Schleswig, wohlbestallten Subrector in der Secunda eines
Gymnasiums" bezeichnet, das Subrectorat an der Domschule der Stadt Schles¬
wig bekleidet, ist zweifelhaft gelassen und Gelegenheit zur Erkundigung nicht
zur Hand. Genug, daß er die Stelle bekleiden könnte, ohne Andern als sei¬
nen Schülern und deren Eltern sowie den deutschen Lesern d. Bl. unter seinen
Kollegen sehr aufzufallen.

Herr Subrector L., von den Schülern mit dem Spitznamen "Riß Puck"
bedacht*) ist von Kopf bis zu den Füßen, an Gestalt wie an Gehalt komische
F'gur. Für sein Aeußeres: er ist cur kleines Männlein mit langen Armen,
die in ungeheure Hände endigen, langem faltigem Gesicht, winzigen Augen und
um so größerer Nase, kann er natürlich nicht. Wohl aber würde man in
Deutschland gegen den Inhalt dieses seltsamen Gefäßes Erhebliches einwenden
dürfen; denn Vieles von dem, was in seinen Vorträgen kund wird, grenzt
näher als billig an das Gebiet des Blödsinns, und Einiges, was er hiervon in
der Religionsstunde den Schülern zu kosten gab, möchte diese Grenze schon über¬
schritten haben. Indeß die Leser mögen selbst urtheilen. Das Folgende wurde,
wie Rasch versichert, von einem der Zöglinge Herrn L.s wörtlich nachgeschrieben.

In einem seiner Vorträge sagte er: "Der Friede zeigt sich in der christlichen
Religion im sittlichen Jesuwandel. Da sind wir alle Brüder und Schwestern
in Christo. Die Muhamedaner haben keinen Frieden; denn bei ihnen stehen
die beiden Personen nur zur Fortpflanzung da."

Ein andermal gab er vom Wesen des nordischen Gottes Kridar (nordische
Mythologie aus patriotischen Gründen Hauptunterrichtsgegenstand im dcmisirten
Schleswig) folgende geistvolle Erklärung: "Wenn der Wanderer in den Wald
tritt und die Bäume ansieht, dann ergreift ihn eine Ehrfurcht, das ist Kridar.
Diese Kraft -- dieses ist nämlich von einem sehr scharfsinnigen Manne, Piter-
sen, aufgestellt."

Ferner, beim Unterricht in der Geschichte fragt Riß Puck L. den Secun-
daner T.:

"Warum wurde denn das dänische Königsgesetz nicht verlesen?"

T. schweigt.



') Riß Puck ist der Hauskobold der schleswigschen Bauern.

selbst der beste Wille zum Lernen die Flügel hängen läßt. Anfangs sehr mangel¬
haft in der deutschen Sprache zu Hause, hat er sich — wie nicht verschwiegen
werden darf — in den letzten Jahren hierin beträchtlich gebessert. Aber noch
immer mischen sich ihm dänische Constructionen in die Rede, und das ist um
so mehr zu beklagen, als er vorzugsweise den Unterricht im Deutschen zu er¬
theilen hat.

Ob unser nächstes Porträt, dessen Original Rasch als „Lehrer an einer
Gelehrtenschule in Schleswig, wohlbestallten Subrector in der Secunda eines
Gymnasiums" bezeichnet, das Subrectorat an der Domschule der Stadt Schles¬
wig bekleidet, ist zweifelhaft gelassen und Gelegenheit zur Erkundigung nicht
zur Hand. Genug, daß er die Stelle bekleiden könnte, ohne Andern als sei¬
nen Schülern und deren Eltern sowie den deutschen Lesern d. Bl. unter seinen
Kollegen sehr aufzufallen.

Herr Subrector L., von den Schülern mit dem Spitznamen „Riß Puck"
bedacht*) ist von Kopf bis zu den Füßen, an Gestalt wie an Gehalt komische
F'gur. Für sein Aeußeres: er ist cur kleines Männlein mit langen Armen,
die in ungeheure Hände endigen, langem faltigem Gesicht, winzigen Augen und
um so größerer Nase, kann er natürlich nicht. Wohl aber würde man in
Deutschland gegen den Inhalt dieses seltsamen Gefäßes Erhebliches einwenden
dürfen; denn Vieles von dem, was in seinen Vorträgen kund wird, grenzt
näher als billig an das Gebiet des Blödsinns, und Einiges, was er hiervon in
der Religionsstunde den Schülern zu kosten gab, möchte diese Grenze schon über¬
schritten haben. Indeß die Leser mögen selbst urtheilen. Das Folgende wurde,
wie Rasch versichert, von einem der Zöglinge Herrn L.s wörtlich nachgeschrieben.

In einem seiner Vorträge sagte er: „Der Friede zeigt sich in der christlichen
Religion im sittlichen Jesuwandel. Da sind wir alle Brüder und Schwestern
in Christo. Die Muhamedaner haben keinen Frieden; denn bei ihnen stehen
die beiden Personen nur zur Fortpflanzung da."

Ein andermal gab er vom Wesen des nordischen Gottes Kridar (nordische
Mythologie aus patriotischen Gründen Hauptunterrichtsgegenstand im dcmisirten
Schleswig) folgende geistvolle Erklärung: „Wenn der Wanderer in den Wald
tritt und die Bäume ansieht, dann ergreift ihn eine Ehrfurcht, das ist Kridar.
Diese Kraft — dieses ist nämlich von einem sehr scharfsinnigen Manne, Piter-
sen, aufgestellt."

Ferner, beim Unterricht in der Geschichte fragt Riß Puck L. den Secun-
daner T.:

„Warum wurde denn das dänische Königsgesetz nicht verlesen?"

T. schweigt.



') Riß Puck ist der Hauskobold der schleswigschen Bauern.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116007"/>
          <p xml:id="ID_247" prev="#ID_246"> selbst der beste Wille zum Lernen die Flügel hängen läßt. Anfangs sehr mangel¬<lb/>
haft in der deutschen Sprache zu Hause, hat er sich &#x2014; wie nicht verschwiegen<lb/>
werden darf &#x2014; in den letzten Jahren hierin beträchtlich gebessert. Aber noch<lb/>
immer mischen sich ihm dänische Constructionen in die Rede, und das ist um<lb/>
so mehr zu beklagen, als er vorzugsweise den Unterricht im Deutschen zu er¬<lb/>
theilen hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_248"> Ob unser nächstes Porträt, dessen Original Rasch als &#x201E;Lehrer an einer<lb/>
Gelehrtenschule in Schleswig, wohlbestallten Subrector in der Secunda eines<lb/>
Gymnasiums" bezeichnet, das Subrectorat an der Domschule der Stadt Schles¬<lb/>
wig bekleidet, ist zweifelhaft gelassen und Gelegenheit zur Erkundigung nicht<lb/>
zur Hand. Genug, daß er die Stelle bekleiden könnte, ohne Andern als sei¬<lb/>
nen Schülern und deren Eltern sowie den deutschen Lesern d. Bl. unter seinen<lb/>
Kollegen sehr aufzufallen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_249"> Herr Subrector L., von den Schülern mit dem Spitznamen &#x201E;Riß Puck"<lb/>
bedacht*) ist von Kopf bis zu den Füßen, an Gestalt wie an Gehalt komische<lb/>
F'gur. Für sein Aeußeres: er ist cur kleines Männlein mit langen Armen,<lb/>
die in ungeheure Hände endigen, langem faltigem Gesicht, winzigen Augen und<lb/>
um so größerer Nase, kann er natürlich nicht. Wohl aber würde man in<lb/>
Deutschland gegen den Inhalt dieses seltsamen Gefäßes Erhebliches einwenden<lb/>
dürfen; denn Vieles von dem, was in seinen Vorträgen kund wird, grenzt<lb/>
näher als billig an das Gebiet des Blödsinns, und Einiges, was er hiervon in<lb/>
der Religionsstunde den Schülern zu kosten gab, möchte diese Grenze schon über¬<lb/>
schritten haben. Indeß die Leser mögen selbst urtheilen. Das Folgende wurde,<lb/>
wie Rasch versichert, von einem der Zöglinge Herrn L.s wörtlich nachgeschrieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_250"> In einem seiner Vorträge sagte er: &#x201E;Der Friede zeigt sich in der christlichen<lb/>
Religion im sittlichen Jesuwandel. Da sind wir alle Brüder und Schwestern<lb/>
in Christo. Die Muhamedaner haben keinen Frieden; denn bei ihnen stehen<lb/>
die beiden Personen nur zur Fortpflanzung da."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_251"> Ein andermal gab er vom Wesen des nordischen Gottes Kridar (nordische<lb/>
Mythologie aus patriotischen Gründen Hauptunterrichtsgegenstand im dcmisirten<lb/>
Schleswig) folgende geistvolle Erklärung: &#x201E;Wenn der Wanderer in den Wald<lb/>
tritt und die Bäume ansieht, dann ergreift ihn eine Ehrfurcht, das ist Kridar.<lb/>
Diese Kraft &#x2014; dieses ist nämlich von einem sehr scharfsinnigen Manne, Piter-<lb/>
sen, aufgestellt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_252"> Ferner, beim Unterricht in der Geschichte fragt Riß Puck L. den Secun-<lb/>
daner T.:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_253"> &#x201E;Warum wurde denn das dänische Königsgesetz nicht verlesen?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_254"> T. schweigt.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_11" place="foot"> ') Riß Puck ist der Hauskobold der schleswigschen Bauern.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0079] selbst der beste Wille zum Lernen die Flügel hängen läßt. Anfangs sehr mangel¬ haft in der deutschen Sprache zu Hause, hat er sich — wie nicht verschwiegen werden darf — in den letzten Jahren hierin beträchtlich gebessert. Aber noch immer mischen sich ihm dänische Constructionen in die Rede, und das ist um so mehr zu beklagen, als er vorzugsweise den Unterricht im Deutschen zu er¬ theilen hat. Ob unser nächstes Porträt, dessen Original Rasch als „Lehrer an einer Gelehrtenschule in Schleswig, wohlbestallten Subrector in der Secunda eines Gymnasiums" bezeichnet, das Subrectorat an der Domschule der Stadt Schles¬ wig bekleidet, ist zweifelhaft gelassen und Gelegenheit zur Erkundigung nicht zur Hand. Genug, daß er die Stelle bekleiden könnte, ohne Andern als sei¬ nen Schülern und deren Eltern sowie den deutschen Lesern d. Bl. unter seinen Kollegen sehr aufzufallen. Herr Subrector L., von den Schülern mit dem Spitznamen „Riß Puck" bedacht*) ist von Kopf bis zu den Füßen, an Gestalt wie an Gehalt komische F'gur. Für sein Aeußeres: er ist cur kleines Männlein mit langen Armen, die in ungeheure Hände endigen, langem faltigem Gesicht, winzigen Augen und um so größerer Nase, kann er natürlich nicht. Wohl aber würde man in Deutschland gegen den Inhalt dieses seltsamen Gefäßes Erhebliches einwenden dürfen; denn Vieles von dem, was in seinen Vorträgen kund wird, grenzt näher als billig an das Gebiet des Blödsinns, und Einiges, was er hiervon in der Religionsstunde den Schülern zu kosten gab, möchte diese Grenze schon über¬ schritten haben. Indeß die Leser mögen selbst urtheilen. Das Folgende wurde, wie Rasch versichert, von einem der Zöglinge Herrn L.s wörtlich nachgeschrieben. In einem seiner Vorträge sagte er: „Der Friede zeigt sich in der christlichen Religion im sittlichen Jesuwandel. Da sind wir alle Brüder und Schwestern in Christo. Die Muhamedaner haben keinen Frieden; denn bei ihnen stehen die beiden Personen nur zur Fortpflanzung da." Ein andermal gab er vom Wesen des nordischen Gottes Kridar (nordische Mythologie aus patriotischen Gründen Hauptunterrichtsgegenstand im dcmisirten Schleswig) folgende geistvolle Erklärung: „Wenn der Wanderer in den Wald tritt und die Bäume ansieht, dann ergreift ihn eine Ehrfurcht, das ist Kridar. Diese Kraft — dieses ist nämlich von einem sehr scharfsinnigen Manne, Piter- sen, aufgestellt." Ferner, beim Unterricht in der Geschichte fragt Riß Puck L. den Secun- daner T.: „Warum wurde denn das dänische Königsgesetz nicht verlesen?" T. schweigt. ') Riß Puck ist der Hauskobold der schleswigschen Bauern.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/79
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/79>, abgerufen am 15.01.2025.