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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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wie gründlich die dänische Krankheit alle diese Anstalten zerfressen und verun¬
staltet hat.

Die Leser werden gebeten, sich mit uns in die Domschule der Stadt
Schleswig zu begeben. Dieselbe erfreute sich unter dem frühern Rector
Jungclausen eines ehrenvollen Namens. Die classischen Studien wurden ge¬
bührend gepflegt. Die Lehrer, sämmtlich Deutsche und aus deutschen Hoch¬
schulen gebildet, wirkten mit Eifer und Erfolg auch für die Förderung ihrer
Zöglinge in der Muttersprache, welche, wie kaum nöthig zu bemerken, nur sür
die Garnison der Stadt und drei oder vier Beamte die dänische war. Das
Verhältniß zwischen Lehrern und Schülern war durchweg erfreulicher Art. Eine
große Anzahl der tüchtigsten Kräfte wurden hier geweckt und zum Nutzen des
Landes, zur Ehre der Wissenschaft ausgebildet.

So blieb es bis zu Anfang der fünfziger Jahre, wo der dänische Krebs,
der nach dem unglücklichen Frieden im Norden und in der Mitte des Herzog¬
tums das deutsche Leben anzufressen begonnen hatte, durch die Regierung auch
diesem Lehrkörper eingeimpft wurde. An die Stelle deutscher Lehrer traten
allmälig Dänen, an die Stelle deutscher Gründlichkeit dänisches oberflächliches
Einpaukerthum. Die deutsche Sprache mußte dre Lehrstunden mit der dänischen
theilen, und die Schüler lernten, wo nicht Hausuntcrricht zu Hilfe kam. keine
von beiden in rechter Weise gebrauchen. Der Fanatismus der Lehrer für Ver¬
breitung dänischer Gesinnung und Manier, das Bewußtsein der Schüler, daß
die Herren "Snaus" seien, die Unwissenheit, die Rohheit der letzteren, die Ko¬
mik, die darin lag, daß sie, die nicht grammatisch und orthographisch deutsch
schreiben konnten, im Deutschen unterrichten sollten, die Truthahnstollheit, mit
der sie jede Kundgebung deutschen Geistes ankollcrten, verkehrten in Kurzem
das frühere auf Achtung und Liebe gegründete Verhältniß der Zöglinge zu dem
Lehrerkollegium in sein gerades Gegentheil. Die Lehrstunden wurden zu Tragi¬
komödien, die Lehrer zu Karril'aturen; was wir von ihnen erzählen werden,
sieht wie eine abgeschmackte Posse ans, ,se aber leider traurigste Wahrheit.

Der Rector der Domschule, Sören Ludwig Povclsen ans Sorö. ist ein
exaltirter Eiderdäne. der lediglich wegen dieser Eigenschaft im Jahre 1853. wo
er eine Lehrerstelle an der aalborger Schule bekleidete, auf seinen jetzigen
Posten berufen wurde. Schon seine Antrittsrede ließ befürchten, daß er es
für seine erste Pflicht ansehen werde, den Danisirungsplänen seiner Partei mit
Hintansetzung aller übrigen Rücksichten nach Kräften Vorschub zu leisten. Spä¬
tere Aeußerungen bestätigten diese Befürchtung mehr als man sür möglich ge¬
halten hätte, und die Thaten solcher Gesinnung ließen nicht auf sich warten.
Dabei machte ihn sein fremdartiger Accent vor den Schülern zur komischen
Figur, während sein grimmer Haß gegen die deutsche Literatur, die doch un¬
schuldig daran war, daß die Süd- und Mittelschleswiger Deutsche sind, gleichen


wie gründlich die dänische Krankheit alle diese Anstalten zerfressen und verun¬
staltet hat.

Die Leser werden gebeten, sich mit uns in die Domschule der Stadt
Schleswig zu begeben. Dieselbe erfreute sich unter dem frühern Rector
Jungclausen eines ehrenvollen Namens. Die classischen Studien wurden ge¬
bührend gepflegt. Die Lehrer, sämmtlich Deutsche und aus deutschen Hoch¬
schulen gebildet, wirkten mit Eifer und Erfolg auch für die Förderung ihrer
Zöglinge in der Muttersprache, welche, wie kaum nöthig zu bemerken, nur sür
die Garnison der Stadt und drei oder vier Beamte die dänische war. Das
Verhältniß zwischen Lehrern und Schülern war durchweg erfreulicher Art. Eine
große Anzahl der tüchtigsten Kräfte wurden hier geweckt und zum Nutzen des
Landes, zur Ehre der Wissenschaft ausgebildet.

So blieb es bis zu Anfang der fünfziger Jahre, wo der dänische Krebs,
der nach dem unglücklichen Frieden im Norden und in der Mitte des Herzog¬
tums das deutsche Leben anzufressen begonnen hatte, durch die Regierung auch
diesem Lehrkörper eingeimpft wurde. An die Stelle deutscher Lehrer traten
allmälig Dänen, an die Stelle deutscher Gründlichkeit dänisches oberflächliches
Einpaukerthum. Die deutsche Sprache mußte dre Lehrstunden mit der dänischen
theilen, und die Schüler lernten, wo nicht Hausuntcrricht zu Hilfe kam. keine
von beiden in rechter Weise gebrauchen. Der Fanatismus der Lehrer für Ver¬
breitung dänischer Gesinnung und Manier, das Bewußtsein der Schüler, daß
die Herren „Snaus" seien, die Unwissenheit, die Rohheit der letzteren, die Ko¬
mik, die darin lag, daß sie, die nicht grammatisch und orthographisch deutsch
schreiben konnten, im Deutschen unterrichten sollten, die Truthahnstollheit, mit
der sie jede Kundgebung deutschen Geistes ankollcrten, verkehrten in Kurzem
das frühere auf Achtung und Liebe gegründete Verhältniß der Zöglinge zu dem
Lehrerkollegium in sein gerades Gegentheil. Die Lehrstunden wurden zu Tragi¬
komödien, die Lehrer zu Karril'aturen; was wir von ihnen erzählen werden,
sieht wie eine abgeschmackte Posse ans, ,se aber leider traurigste Wahrheit.

Der Rector der Domschule, Sören Ludwig Povclsen ans Sorö. ist ein
exaltirter Eiderdäne. der lediglich wegen dieser Eigenschaft im Jahre 1853. wo
er eine Lehrerstelle an der aalborger Schule bekleidete, auf seinen jetzigen
Posten berufen wurde. Schon seine Antrittsrede ließ befürchten, daß er es
für seine erste Pflicht ansehen werde, den Danisirungsplänen seiner Partei mit
Hintansetzung aller übrigen Rücksichten nach Kräften Vorschub zu leisten. Spä¬
tere Aeußerungen bestätigten diese Befürchtung mehr als man sür möglich ge¬
halten hätte, und die Thaten solcher Gesinnung ließen nicht auf sich warten.
Dabei machte ihn sein fremdartiger Accent vor den Schülern zur komischen
Figur, während sein grimmer Haß gegen die deutsche Literatur, die doch un¬
schuldig daran war, daß die Süd- und Mittelschleswiger Deutsche sind, gleichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/77>, abgerufen am 15.01.2025.