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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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19 ganz unten entsteht die Frage, ob nicht zu Ausfüllung des Ver¬
ses das Wörtchen "und" zu intercalirenl, wo Mahomet sagt (zu Seiden) Du
suchest u, s. w.

60 ganz unten ruft er zur Rache sie des "eignen Mordes", dieses
Wort eignen kommt mir etwas dunkel vor, denn es druckt wohl eher einen
Selbstmord, als einen Mord aus, den er selbst begangen hat.

Verzeih die kleinfügigcn Bemerkungen; sie entstehen aber aus der großen
Liebe, welche ich für die Umwälzung habe, die Mahomets Erscheinung hervor¬
bringen wird."

Ueberhaupt interessirt sich der Herzog, bekanntlich ein großer Liebhaber
französischer Dichtung von seiner höfischen Erziehung her (vgl. den Schluß von
Br. 180), sehr lebhaft für den "Mahomet", hofft Ungewöhnliches von seinem
Einfluß aus die deutsche Bühne, gibt der Jagemann Anweisung, wie er ein-
zustudiren, macht brieflich Vorschläge, wie auf der Bühne die Parteien zu stellen,
und am 2. August 1799 schreibt er darüber an den Verfasser: "Es wird schon
an einer besondern Ukase gearbeitet, durch welche Du in allen vier Welttheilen
zum Fürsten unter dem Titel Nseeg-nus ausgerufen werden sollst. Dieser Sieg
ist in manchem Betracht dem der oouquvw von Italien vorzuziehen, denn erst¬
lich arbeitest Du jgcgen Deine Natur und überwindest diese, was Suwarow
nicht nöthig hatte, und dann gibt Deine Ueberhebung dem deutschen Theater
gewiß eine neue und sehr wichtige Epoque, die Italiens Siege nicht in ihrem
Fache hervorbringen. Luken, ich wünsche .Dir das beste Glück und Ge¬
deihen und freue mich ganz gewaltig über Deine Tapferkeit."

Sehr interessant ist der 1S7. Brief, der, ebenfalls aus dem Jahr 1800,
sich über die Effecte äußert, die mit Hereinziehung kirchlicher Ceremonien in
dramatische Ausführungen erzielt werden sollen. Der Herzog sagt da:

"Es ist mir gestern Abend erzählt worden (sehr wahrscheinlich durch Her¬
der, welcher Verwahrung eingelegt hatte), daß in der Maria Stuart eine förmliche
Communion oder Abendmahl auf dem Theater Passiren würde. Vermuthlich
soll sie katholisch seyn und sich vielleicht mit der in den Jesuiten entschuldigen.
Indessen ist doch aus unsrer Bühne bei der Vorstellung der Jesuiten die Sache
so anständig gemacht worden, daß, bis auf ein Kruzifix, das wohl auch hätte
wegbleiben können, nichts sehr Anstößiges vorkam. Siehe doch zu, daß dieses
auch bei Maria Stuart der Fall sey; ich erinnere Dich daran, weil ich der
pruäentia, miwies, extsrns, Lodilleri nicht recht traue. So ein braver Mann
er sonsten ist, so ist doch leider die göttliche Unverschämtheit oder die un¬
verschämte Göttlichkeit nach Schlegelscher Terminologie, dergestalt zum Tone ge¬
worden, daß man sich mancherlei poetische Auswüchse erwarten kann, wenn es
bei neuern Dichtungen daraus ankommt, einen Effect, wenigstens einen so¬
genannten hervorzubringen, und der Gedanke, oder der poetische Schwung


19 ganz unten entsteht die Frage, ob nicht zu Ausfüllung des Ver¬
ses das Wörtchen „und" zu intercalirenl, wo Mahomet sagt (zu Seiden) Du
suchest u, s. w.

60 ganz unten ruft er zur Rache sie des „eignen Mordes", dieses
Wort eignen kommt mir etwas dunkel vor, denn es druckt wohl eher einen
Selbstmord, als einen Mord aus, den er selbst begangen hat.

Verzeih die kleinfügigcn Bemerkungen; sie entstehen aber aus der großen
Liebe, welche ich für die Umwälzung habe, die Mahomets Erscheinung hervor¬
bringen wird."

Ueberhaupt interessirt sich der Herzog, bekanntlich ein großer Liebhaber
französischer Dichtung von seiner höfischen Erziehung her (vgl. den Schluß von
Br. 180), sehr lebhaft für den „Mahomet", hofft Ungewöhnliches von seinem
Einfluß aus die deutsche Bühne, gibt der Jagemann Anweisung, wie er ein-
zustudiren, macht brieflich Vorschläge, wie auf der Bühne die Parteien zu stellen,
und am 2. August 1799 schreibt er darüber an den Verfasser: „Es wird schon
an einer besondern Ukase gearbeitet, durch welche Du in allen vier Welttheilen
zum Fürsten unter dem Titel Nseeg-nus ausgerufen werden sollst. Dieser Sieg
ist in manchem Betracht dem der oouquvw von Italien vorzuziehen, denn erst¬
lich arbeitest Du jgcgen Deine Natur und überwindest diese, was Suwarow
nicht nöthig hatte, und dann gibt Deine Ueberhebung dem deutschen Theater
gewiß eine neue und sehr wichtige Epoque, die Italiens Siege nicht in ihrem
Fache hervorbringen. Luken, ich wünsche .Dir das beste Glück und Ge¬
deihen und freue mich ganz gewaltig über Deine Tapferkeit."

Sehr interessant ist der 1S7. Brief, der, ebenfalls aus dem Jahr 1800,
sich über die Effecte äußert, die mit Hereinziehung kirchlicher Ceremonien in
dramatische Ausführungen erzielt werden sollen. Der Herzog sagt da:

„Es ist mir gestern Abend erzählt worden (sehr wahrscheinlich durch Her¬
der, welcher Verwahrung eingelegt hatte), daß in der Maria Stuart eine förmliche
Communion oder Abendmahl auf dem Theater Passiren würde. Vermuthlich
soll sie katholisch seyn und sich vielleicht mit der in den Jesuiten entschuldigen.
Indessen ist doch aus unsrer Bühne bei der Vorstellung der Jesuiten die Sache
so anständig gemacht worden, daß, bis auf ein Kruzifix, das wohl auch hätte
wegbleiben können, nichts sehr Anstößiges vorkam. Siehe doch zu, daß dieses
auch bei Maria Stuart der Fall sey; ich erinnere Dich daran, weil ich der
pruäentia, miwies, extsrns, Lodilleri nicht recht traue. So ein braver Mann
er sonsten ist, so ist doch leider die göttliche Unverschämtheit oder die un¬
verschämte Göttlichkeit nach Schlegelscher Terminologie, dergestalt zum Tone ge¬
worden, daß man sich mancherlei poetische Auswüchse erwarten kann, wenn es
bei neuern Dichtungen daraus ankommt, einen Effect, wenigstens einen so¬
genannten hervorzubringen, und der Gedanke, oder der poetische Schwung


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[0054] 19 ganz unten entsteht die Frage, ob nicht zu Ausfüllung des Ver¬ ses das Wörtchen „und" zu intercalirenl, wo Mahomet sagt (zu Seiden) Du suchest u, s. w. 60 ganz unten ruft er zur Rache sie des „eignen Mordes", dieses Wort eignen kommt mir etwas dunkel vor, denn es druckt wohl eher einen Selbstmord, als einen Mord aus, den er selbst begangen hat. Verzeih die kleinfügigcn Bemerkungen; sie entstehen aber aus der großen Liebe, welche ich für die Umwälzung habe, die Mahomets Erscheinung hervor¬ bringen wird." Ueberhaupt interessirt sich der Herzog, bekanntlich ein großer Liebhaber französischer Dichtung von seiner höfischen Erziehung her (vgl. den Schluß von Br. 180), sehr lebhaft für den „Mahomet", hofft Ungewöhnliches von seinem Einfluß aus die deutsche Bühne, gibt der Jagemann Anweisung, wie er ein- zustudiren, macht brieflich Vorschläge, wie auf der Bühne die Parteien zu stellen, und am 2. August 1799 schreibt er darüber an den Verfasser: „Es wird schon an einer besondern Ukase gearbeitet, durch welche Du in allen vier Welttheilen zum Fürsten unter dem Titel Nseeg-nus ausgerufen werden sollst. Dieser Sieg ist in manchem Betracht dem der oouquvw von Italien vorzuziehen, denn erst¬ lich arbeitest Du jgcgen Deine Natur und überwindest diese, was Suwarow nicht nöthig hatte, und dann gibt Deine Ueberhebung dem deutschen Theater gewiß eine neue und sehr wichtige Epoque, die Italiens Siege nicht in ihrem Fache hervorbringen. Luken, ich wünsche .Dir das beste Glück und Ge¬ deihen und freue mich ganz gewaltig über Deine Tapferkeit." Sehr interessant ist der 1S7. Brief, der, ebenfalls aus dem Jahr 1800, sich über die Effecte äußert, die mit Hereinziehung kirchlicher Ceremonien in dramatische Ausführungen erzielt werden sollen. Der Herzog sagt da: „Es ist mir gestern Abend erzählt worden (sehr wahrscheinlich durch Her¬ der, welcher Verwahrung eingelegt hatte), daß in der Maria Stuart eine förmliche Communion oder Abendmahl auf dem Theater Passiren würde. Vermuthlich soll sie katholisch seyn und sich vielleicht mit der in den Jesuiten entschuldigen. Indessen ist doch aus unsrer Bühne bei der Vorstellung der Jesuiten die Sache so anständig gemacht worden, daß, bis auf ein Kruzifix, das wohl auch hätte wegbleiben können, nichts sehr Anstößiges vorkam. Siehe doch zu, daß dieses auch bei Maria Stuart der Fall sey; ich erinnere Dich daran, weil ich der pruäentia, miwies, extsrns, Lodilleri nicht recht traue. So ein braver Mann er sonsten ist, so ist doch leider die göttliche Unverschämtheit oder die un¬ verschämte Göttlichkeit nach Schlegelscher Terminologie, dergestalt zum Tone ge¬ worden, daß man sich mancherlei poetische Auswüchse erwarten kann, wenn es bei neuern Dichtungen daraus ankommt, einen Effect, wenigstens einen so¬ genannten hervorzubringen, und der Gedanke, oder der poetische Schwung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/54>, abgerufen am 15.01.2025.