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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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"die in den Verhandlungen von 1851 und 1832 durchaus nicht erwähnt seien"
(wieder Wahrheit mit Modification) nicht Gegenstand der Erörterung des deut¬
schen Bundes sein.

Mit diesem Schriftstück waren die "internationalen Verhandlungen" zu
Ende. Wie sie zu nichts als Noten und Gegennoten geführt hatten, so war
auch die Einmischung Englands ohne Erfolg, Graf Russell lieh, um dies kurz
nachzuholen, im October 1862 in Kopenhagen, Wien und Berlin Ausgleichungs¬
vorschläge überreichen, welche auf folgende Einrichtungen hinausliefen:

1) Holstein und Lauenburg erhalten, was der deutsche Bund gefordert;

2) Schleswig bekommt das Recht der Selbstverwaltung und wird im
Reichsrath nicht vertreten;

3) ein Normaibudget wird vereinbart mit Holstein, Schleswig, Lauen¬
burg und Dänemark;

4) jede außerordentliche Ausgabe wird dem dänischen Reichstage und des¬
gleichen den Vertretungen der drei Herzogthümer zur Bewilligung vorgelegt.

Man sieht, Russell wollte eine Art Gesammtstaat, aber mit Selbständigkeit
und Gleichberechtigung der einzelnen Theile, welche letztere nur in dem "Staats--
rath" nicht gewahrt war, den der britische Vermittler zur Vertheilung der
Beträge des Normalbudgets im Einzelnen vorschlug, und der zu zwei Dritteln
aus Dänen und nur zu einem Drittel aus Deutschen bestehen sollte. Nußland
und Frankreich unterstützten diese Propositionen, Oestreich stimmte ihnen fast
bedingungslos zu, Preußen billigte sie mit einigen Bedenken hinsichtlich der
Zusammensetzung des Staatsraths (Note vom 27. October 1862). Dänemark
wies sie zurück. Am 14. October wurden sie in Kopenhagen übergeben, am
Is. schon entschieden abgelehnt. Nicht besser gien; es einer zweiten Vorstellung
Graf Russells vom 20. November, in welcher geltend gemacht wurde, daß ein
Souverain übernommene Verpflichtungen erfüllen müsse, und am 21, Januar
1863 sah sich das londoner Cabinet genöthigt, die Discussion mit einer die
Hartnäckigkeit der Dänen bedauernden Note zu schließen.

Am 24. Januar wurden, nachdem einige Monate vorher eine neue hol¬
steinische Negierung geschaffen worden, welche das Ministerium für dieses
Herzogthum in ein bloßes Bureau zur Handhabung der politischen Polizei und
zur Wahrnehmung dänischer Interessen umwandelte, die holsteinischen Provinzial-
stände wieder einmal einberufen, selbstverständlich nicht, um sich mit ihnen zu
Vertragen, sondern vielmehr, um sie durch allerlei Manöver zu einer wenigstens in-
directen Anerkennung des im Werden begriffnen Eiderstaats Dänemark-Schleswig
zu berücken. Dies mißlang. Eine Adresse an den König, welche die verhängniß-
volle Lage des Landes auseinandersetzte, wurde nicht angenommen, und so beschloß
die Versammlung am 7. März einstimmig, den Schutz des Bundes anzurufen.

Ehe man in Frankfurt noch zu einer Berathung hierüber gelangen konnte^


„die in den Verhandlungen von 1851 und 1832 durchaus nicht erwähnt seien"
(wieder Wahrheit mit Modification) nicht Gegenstand der Erörterung des deut¬
schen Bundes sein.

Mit diesem Schriftstück waren die „internationalen Verhandlungen" zu
Ende. Wie sie zu nichts als Noten und Gegennoten geführt hatten, so war
auch die Einmischung Englands ohne Erfolg, Graf Russell lieh, um dies kurz
nachzuholen, im October 1862 in Kopenhagen, Wien und Berlin Ausgleichungs¬
vorschläge überreichen, welche auf folgende Einrichtungen hinausliefen:

1) Holstein und Lauenburg erhalten, was der deutsche Bund gefordert;

2) Schleswig bekommt das Recht der Selbstverwaltung und wird im
Reichsrath nicht vertreten;

3) ein Normaibudget wird vereinbart mit Holstein, Schleswig, Lauen¬
burg und Dänemark;

4) jede außerordentliche Ausgabe wird dem dänischen Reichstage und des¬
gleichen den Vertretungen der drei Herzogthümer zur Bewilligung vorgelegt.

Man sieht, Russell wollte eine Art Gesammtstaat, aber mit Selbständigkeit
und Gleichberechtigung der einzelnen Theile, welche letztere nur in dem „Staats--
rath" nicht gewahrt war, den der britische Vermittler zur Vertheilung der
Beträge des Normalbudgets im Einzelnen vorschlug, und der zu zwei Dritteln
aus Dänen und nur zu einem Drittel aus Deutschen bestehen sollte. Nußland
und Frankreich unterstützten diese Propositionen, Oestreich stimmte ihnen fast
bedingungslos zu, Preußen billigte sie mit einigen Bedenken hinsichtlich der
Zusammensetzung des Staatsraths (Note vom 27. October 1862). Dänemark
wies sie zurück. Am 14. October wurden sie in Kopenhagen übergeben, am
Is. schon entschieden abgelehnt. Nicht besser gien; es einer zweiten Vorstellung
Graf Russells vom 20. November, in welcher geltend gemacht wurde, daß ein
Souverain übernommene Verpflichtungen erfüllen müsse, und am 21, Januar
1863 sah sich das londoner Cabinet genöthigt, die Discussion mit einer die
Hartnäckigkeit der Dänen bedauernden Note zu schließen.

Am 24. Januar wurden, nachdem einige Monate vorher eine neue hol¬
steinische Negierung geschaffen worden, welche das Ministerium für dieses
Herzogthum in ein bloßes Bureau zur Handhabung der politischen Polizei und
zur Wahrnehmung dänischer Interessen umwandelte, die holsteinischen Provinzial-
stände wieder einmal einberufen, selbstverständlich nicht, um sich mit ihnen zu
Vertragen, sondern vielmehr, um sie durch allerlei Manöver zu einer wenigstens in-
directen Anerkennung des im Werden begriffnen Eiderstaats Dänemark-Schleswig
zu berücken. Dies mißlang. Eine Adresse an den König, welche die verhängniß-
volle Lage des Landes auseinandersetzte, wurde nicht angenommen, und so beschloß
die Versammlung am 7. März einstimmig, den Schutz des Bundes anzurufen.

Ehe man in Frankfurt noch zu einer Berathung hierüber gelangen konnte^


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/508>, abgerufen am 15.01.2025.