Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.dere Einwanderung, welche auch zahlreiche Gewerbsleute sowie einzelne Gelehrte Die Jahre nach 1848 brachten hierzu wieder ein neues und zwar wieder dere Einwanderung, welche auch zahlreiche Gewerbsleute sowie einzelne Gelehrte Die Jahre nach 1848 brachten hierzu wieder ein neues und zwar wieder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116423"/> <p xml:id="ID_1642" prev="#ID_1641"> dere Einwanderung, welche auch zahlreiche Gewerbsleute sowie einzelne Gelehrte<lb/> umfaßte und, mit jedem Jahr wachsend, den mittleren und westlichen Staaten<lb/> gegen anderthalb Millionen Seelen zuführte, eine Zahl, die sich jetzt ungefähr<lb/> verdoppelt haben wird. Diese neuen Ankömmlinge hatten bei den Anglo¬<lb/> amerikanern gegen große Vorurtheile zu kämpfen, welche die Stumpfheit, Schwer¬<lb/> fälligkeit und Unbildung der älteren Zuwanderung erregt hatten. Man stellte<lb/> sie mit den Jrländern auf eine Stufe, sah sie als Auswurf jenes abgeschmackten,<lb/> überfludirt-dummen Deutschlands an, welches bei englischen Schriftstellern<lb/> als eine Art Narritcmien figurirte und in englischen Blättern noch heute sigurirt,<lb/> machte sie zum Gegenstand der Ausbeutung und Unterdrückung, wo sie sichs<lb/> gefallen ließen, und des Spottes und der Verachtung, bis sie sich wehren<lb/> lernten. Sie waren einfältig, weil sie kein Englisch verstanden, und schwach,<lb/> weil sie sich gegenseitig, besonders als Hoch- und Plattdeutsche, bekämpften.<lb/> Mit ihrer Bildung war es durchschnittlich besser als mit der ihrer Vorgänger<lb/> bestellt, aber auch sie verfielen mit wenigen Ausnahmen rein materiellen Be¬<lb/> strebungen, und so vermochten sie sich allerdings zu Wohlstand zu verhelfen,<lb/> Einfluß aber auf die amerikanische Cultur und Politik gewannen sie nur spora¬<lb/> disch, häufiger waren die Fälle, wo sie sich amerikanistrten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1643" next="#ID_1644"> Die Jahre nach 1848 brachten hierzu wieder ein neues und zwar wieder<lb/> ein besseres Element: die politischen Flüchtlinge und die zahlreichen gebildeten<lb/> Deutschen, welche aus Verdruß über die vereitelte Wiedergeburt des Vaterlandes<lb/> freiwillig nach der neuen Welt auswanderten, und diesen vornehmlich ist es zu<lb/> danken, daß unter den Deutschen in der Union ein neues Streben erwacht ist,<lb/> welches mit einer völlig veränderten Stellung derselben zu dem englisch redenden<lb/> Theile der Bevölkerung zu enden im Begriff steht. Die ältere Emigration<lb/> bestand aus ausgewanderten Preußen, Schwaben, Hannoveranern, Sachsen<lb/> u. d,, die jetzige brachte das Bewußtsein, der deutschen Nation anzuhören, den<lb/> Willen, mit ihr im Zusammenhang zu bleiben, und die Fähigkeit mit. eine<lb/> deutsche Partei in Amerika zu gründen. Jene ältere Einwanderung wies an¬<lb/> fangs diese neuere mit ihren Bemühungen, aufzuklären, zu bilden und zu<lb/> organisiren, als „Grüne", als unbequeme Neuerer und Störenfriede, als<lb/> Ideologen mehr oder minder barsch und — da einige der Herren in der That sehr<lb/> excentrisch auftraten — nicht immer ohne Berechtigung zurück. Allmählig aber<lb/> zeigten sich Einzelne, dann Mehre, zuletzt Viele geneigt, sich belehren zu lassen.<lb/> Die Knownothing-Bewegung half Manchem die Augen öffnen. Die Ent¬<lb/> stehung der republikanischen Partei, der sich die jüngste Einwanderung als der<lb/> Partei der Bildung anschloß, führte schon Massen von „Grauen" gegen den<lb/> alten Schlendrian ins Feld. Man lernte sich als Deutscher fühlen, man sah<lb/> den Nutzen des Zusammenhaltens ein, und jetzt ist mindestens die Hälfte der<lb/> deutschen Bevölkerung von dem neuen Ferment durchsäuert. Die Deutschen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0495]
dere Einwanderung, welche auch zahlreiche Gewerbsleute sowie einzelne Gelehrte
umfaßte und, mit jedem Jahr wachsend, den mittleren und westlichen Staaten
gegen anderthalb Millionen Seelen zuführte, eine Zahl, die sich jetzt ungefähr
verdoppelt haben wird. Diese neuen Ankömmlinge hatten bei den Anglo¬
amerikanern gegen große Vorurtheile zu kämpfen, welche die Stumpfheit, Schwer¬
fälligkeit und Unbildung der älteren Zuwanderung erregt hatten. Man stellte
sie mit den Jrländern auf eine Stufe, sah sie als Auswurf jenes abgeschmackten,
überfludirt-dummen Deutschlands an, welches bei englischen Schriftstellern
als eine Art Narritcmien figurirte und in englischen Blättern noch heute sigurirt,
machte sie zum Gegenstand der Ausbeutung und Unterdrückung, wo sie sichs
gefallen ließen, und des Spottes und der Verachtung, bis sie sich wehren
lernten. Sie waren einfältig, weil sie kein Englisch verstanden, und schwach,
weil sie sich gegenseitig, besonders als Hoch- und Plattdeutsche, bekämpften.
Mit ihrer Bildung war es durchschnittlich besser als mit der ihrer Vorgänger
bestellt, aber auch sie verfielen mit wenigen Ausnahmen rein materiellen Be¬
strebungen, und so vermochten sie sich allerdings zu Wohlstand zu verhelfen,
Einfluß aber auf die amerikanische Cultur und Politik gewannen sie nur spora¬
disch, häufiger waren die Fälle, wo sie sich amerikanistrten.
Die Jahre nach 1848 brachten hierzu wieder ein neues und zwar wieder
ein besseres Element: die politischen Flüchtlinge und die zahlreichen gebildeten
Deutschen, welche aus Verdruß über die vereitelte Wiedergeburt des Vaterlandes
freiwillig nach der neuen Welt auswanderten, und diesen vornehmlich ist es zu
danken, daß unter den Deutschen in der Union ein neues Streben erwacht ist,
welches mit einer völlig veränderten Stellung derselben zu dem englisch redenden
Theile der Bevölkerung zu enden im Begriff steht. Die ältere Emigration
bestand aus ausgewanderten Preußen, Schwaben, Hannoveranern, Sachsen
u. d,, die jetzige brachte das Bewußtsein, der deutschen Nation anzuhören, den
Willen, mit ihr im Zusammenhang zu bleiben, und die Fähigkeit mit. eine
deutsche Partei in Amerika zu gründen. Jene ältere Einwanderung wies an¬
fangs diese neuere mit ihren Bemühungen, aufzuklären, zu bilden und zu
organisiren, als „Grüne", als unbequeme Neuerer und Störenfriede, als
Ideologen mehr oder minder barsch und — da einige der Herren in der That sehr
excentrisch auftraten — nicht immer ohne Berechtigung zurück. Allmählig aber
zeigten sich Einzelne, dann Mehre, zuletzt Viele geneigt, sich belehren zu lassen.
Die Knownothing-Bewegung half Manchem die Augen öffnen. Die Ent¬
stehung der republikanischen Partei, der sich die jüngste Einwanderung als der
Partei der Bildung anschloß, führte schon Massen von „Grauen" gegen den
alten Schlendrian ins Feld. Man lernte sich als Deutscher fühlen, man sah
den Nutzen des Zusammenhaltens ein, und jetzt ist mindestens die Hälfte der
deutschen Bevölkerung von dem neuen Ferment durchsäuert. Die Deutschen
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