Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Zeit hin schon deshalb nichts, weil sie zu entfernt sind und der Verkehr zwischen Es ist wahr, in mehren der betrachteten Lander gibt es rein deutsche So ist es ein richtiger Instinct, wenn die deutsche Auswanderung sich in Zeit hin schon deshalb nichts, weil sie zu entfernt sind und der Verkehr zwischen Es ist wahr, in mehren der betrachteten Lander gibt es rein deutsche So ist es ein richtiger Instinct, wenn die deutsche Auswanderung sich in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0493" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116421"/> <p xml:id="ID_1634" prev="#ID_1633"> Zeit hin schon deshalb nichts, weil sie zu entfernt sind und der Verkehr zwischen<lb/> ihnen und Deutschland einerseits zu viele Wochen in Anspruch nehmen, ander¬<lb/> seits zu kostspielig sein würde. Erst wenn derselbe durch Continental-Eisen-<lb/> bahnen und Jsthmusdurchstechungen verkürzt und wohlfeiler geworden sein wird,<lb/> kann es sich lohnen, Südchile, die Sandwichsinseln, Neucaledonien und andere<lb/> Punkte an und in diesem Ocean massenhaft mit Deutschen zu besiedeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_1635"> Es ist wahr, in mehren der betrachteten Lander gibt es rein deutsche<lb/> Kolonien, und es ist ferner wahr, diese Kolonien haben insoweit Erfolg gehabt,<lb/> als sie demjenigen Theil ihrer Gründer, der nicht den Anstrengungen und Lei¬<lb/> den der ersten Jahre erlag oder entlief, einen mäßigen Wohlstand gesichert<lb/> haben. Aber die Ergebnisse derselben stehen durchschnittlich außer allem Ver¬<lb/> hältniß zu der aufgewandten Mühe, und die nächste Zukunft verheißt nur wenig<lb/> Besserung. Von einem geistigen Zusammenhang mit dem Mutterland ist kaum,<lb/> von Zuständen, in welchen ein gebildeter und strebsamer Deutscher sich wohl<lb/> fühlen könnte, gar nicht die Rede. In allen diesen Ansiedelungen herrscht po¬<lb/> litische Unselbständigkeit, genügsame Unterordnung unter die vorgefundenen<lb/> Gewalten; keine derselben ist etwas Anderes als ein überseeisches Krähwinkel,<lb/> selbst die besten sind höchstens Dünger auf den Acker einer fremden Cultur.<lb/> Alle bringen Deutschland nur Schaden; denn sie bestärken die fremden Völker<lb/> in der Meinung, daß die Deutschen als Nation nichts und nur als Einzel¬<lb/> menschen etwas werth sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1636" next="#ID_1637"> So ist es ein richtiger Instinct, wenn die deutsche Auswanderung sich in<lb/> ihrem Hauptstrom nach andern Gegenden der Welt wendet. Deutschland wird<lb/> niemals Kolonien im Sinne der Römer haben wie England, wohl aber eine<lb/> Colonie im Sinne der Griechen. Ja es hat dieselbe in gewissem Maß schon<lb/> in den Vereinigten Staaten. Die nordamerikanische Union ist eine solche und<lb/> wird es von Jahrzehnt zu Jahrzehnt mehr. In ihr herrschen echt germanische<lb/> Verfassungen, gegründet auf der Basis der Selbsiregierung, auf den Grund¬<lb/> sätzen der Freiheit in Rede und Presse, Gewerbe, Glauben und Wissenschaft.<lb/> Drei Viertel der Bevölkerung sind Germanen, ein Drittel stammt direct von<lb/> Deutschen ab, ein volles Sechstel redet die deutsche Sprache. Dieses Sechstel<lb/> übt bereits an mehren Stellen einen so gewichtigen politischen Einfluß aus,<lb/> daß es zusammenhaltend die Wagschalen der Parteien regieren könnte, und baß<lb/> es, wo man wirklich zusammenhielt, schon wiederholt bei Staatswahlen<lb/> und zuletzt noch bei dem Kampf der Republikaner und der Demokraten um<lb/> den Präsidentenstuhl den Ausschlag gegeben hat. Diese Deutschamerikaner<lb/> haben ferner sehr wesentlich ans die Gestaltung des Culturlebens, der Sitten,<lb/> des Ackerbaues, der Gewerbe und des Handels in den Staaten eingewirkt, wo<lb/> sie sich vorzüglich niedergelassen haben. Sie sind nicht mehr die geringgeachtcte<lb/> Classe, die sie noch vor fünfzehn Jahren waren, und sie wachsen, durch die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0493]
Zeit hin schon deshalb nichts, weil sie zu entfernt sind und der Verkehr zwischen
ihnen und Deutschland einerseits zu viele Wochen in Anspruch nehmen, ander¬
seits zu kostspielig sein würde. Erst wenn derselbe durch Continental-Eisen-
bahnen und Jsthmusdurchstechungen verkürzt und wohlfeiler geworden sein wird,
kann es sich lohnen, Südchile, die Sandwichsinseln, Neucaledonien und andere
Punkte an und in diesem Ocean massenhaft mit Deutschen zu besiedeln.
Es ist wahr, in mehren der betrachteten Lander gibt es rein deutsche
Kolonien, und es ist ferner wahr, diese Kolonien haben insoweit Erfolg gehabt,
als sie demjenigen Theil ihrer Gründer, der nicht den Anstrengungen und Lei¬
den der ersten Jahre erlag oder entlief, einen mäßigen Wohlstand gesichert
haben. Aber die Ergebnisse derselben stehen durchschnittlich außer allem Ver¬
hältniß zu der aufgewandten Mühe, und die nächste Zukunft verheißt nur wenig
Besserung. Von einem geistigen Zusammenhang mit dem Mutterland ist kaum,
von Zuständen, in welchen ein gebildeter und strebsamer Deutscher sich wohl
fühlen könnte, gar nicht die Rede. In allen diesen Ansiedelungen herrscht po¬
litische Unselbständigkeit, genügsame Unterordnung unter die vorgefundenen
Gewalten; keine derselben ist etwas Anderes als ein überseeisches Krähwinkel,
selbst die besten sind höchstens Dünger auf den Acker einer fremden Cultur.
Alle bringen Deutschland nur Schaden; denn sie bestärken die fremden Völker
in der Meinung, daß die Deutschen als Nation nichts und nur als Einzel¬
menschen etwas werth sind.
So ist es ein richtiger Instinct, wenn die deutsche Auswanderung sich in
ihrem Hauptstrom nach andern Gegenden der Welt wendet. Deutschland wird
niemals Kolonien im Sinne der Römer haben wie England, wohl aber eine
Colonie im Sinne der Griechen. Ja es hat dieselbe in gewissem Maß schon
in den Vereinigten Staaten. Die nordamerikanische Union ist eine solche und
wird es von Jahrzehnt zu Jahrzehnt mehr. In ihr herrschen echt germanische
Verfassungen, gegründet auf der Basis der Selbsiregierung, auf den Grund¬
sätzen der Freiheit in Rede und Presse, Gewerbe, Glauben und Wissenschaft.
Drei Viertel der Bevölkerung sind Germanen, ein Drittel stammt direct von
Deutschen ab, ein volles Sechstel redet die deutsche Sprache. Dieses Sechstel
übt bereits an mehren Stellen einen so gewichtigen politischen Einfluß aus,
daß es zusammenhaltend die Wagschalen der Parteien regieren könnte, und baß
es, wo man wirklich zusammenhielt, schon wiederholt bei Staatswahlen
und zuletzt noch bei dem Kampf der Republikaner und der Demokraten um
den Präsidentenstuhl den Ausschlag gegeben hat. Diese Deutschamerikaner
haben ferner sehr wesentlich ans die Gestaltung des Culturlebens, der Sitten,
des Ackerbaues, der Gewerbe und des Handels in den Staaten eingewirkt, wo
sie sich vorzüglich niedergelassen haben. Sie sind nicht mehr die geringgeachtcte
Classe, die sie noch vor fünfzehn Jahren waren, und sie wachsen, durch die
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