Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.lung werden, wenn sie indem Sinn unternommen wurde, daß sie den Ueber¬ Den ersten kräftigen Impuls -- um die Hauptmomente der bezüglichen Ver¬ lung werden, wenn sie indem Sinn unternommen wurde, daß sie den Ueber¬ Den ersten kräftigen Impuls — um die Hauptmomente der bezüglichen Ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0420" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116348"/> <p xml:id="ID_1395" prev="#ID_1394"> lung werden, wenn sie indem Sinn unternommen wurde, daß sie den Ueber¬<lb/> gang zu einer Politik des Handelns bildete, wie denn auch einige preu¬<lb/> ßische Staatsmänner eifrig in der Richtung gewirkt haben. Es fehlte aber<lb/> den schließlich entscheidenden Kreisen sowohl die klare Erkenntniß, daß das<lb/> Werk der Friedensstiftung sehr geringe Aussicht auf Erfolg habe, als auch die<lb/> Entschlossenheit, für den Fall der Erfolglosigkeit für den einen oder andern<lb/> der Kämpfenden Partei zu ergreifen. Dadurch entsteht denn jener Widerspruch<lb/> in der preußischen Politik, der für den Staat verhängnißvoll werden sollte,<lb/> indem von der einen Seite die Politik der Vermittelung nur als ein Vehikel<lb/> für das Festhalten an der Neutralität angesehen wurde, von der andern Seite<lb/> dagegen gerade als Uebergangsstadium aus der Neutralität zur Action. Aber<lb/> auch in der Actionspartei, wenn wir den Ausdruck hier gebrauchen dürfen,<lb/> vermissen wir ein bestimmtes Princip; sie handelt ohne einen festen politischen<lb/> Gedanken, und läßt sich ganz durch die von Außen her kommenden Eindrücke<lb/> bestimmen. Sie sucht einen festen Boden für die Parteinahme in dem bevor¬<lb/> stehenden Kriege zu gewinnen, sie nähert sich Frankreich; unter den Gegen¬<lb/> wirkungen der Friedenspartei wird ihr sofort der Boden unter den Füßen fort¬<lb/> gezogen, eine Zeit lang bleibt Alles in der Schwebe, bis ein unerwartetes<lb/> Ereigniß den Staat rasch in die russisch-östreichische Strömung wirft. Es<lb/> fehlt nicht an entschiedenen Beschlüssen, aber durchaus an der Fähigkeit der<lb/> Selbstbestimmung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1396" next="#ID_1397"> Den ersten kräftigen Impuls — um die Hauptmomente der bezüglichen Ver¬<lb/> handlungen zusammenzustellen — erhielt die preußische Politik von Paris. Lucche-<lb/> sini äußert sich in einem Gespräch mit Talleyrand mißbilligend über die neuesten Ge¬<lb/> waltthätigkeiten Frankreichs und bemerkt, daß dieselben in Preußen ungefähr dieselbe<lb/> Beurtheilung gefunden hätten, wie in Oestreich und Rußland. „Vorgänge wie diese<lb/> rechtfertigen jede Besorgnis) und jeden Argwohn." Talleyrand, der weder das<lb/> Uebergewicht Frankreichs noch den Ehrgeiz seines Beherrschers bestritt, erklärte,<lb/> daß es um denselben zu begegnen kein Mittel als eine Alliance zwischen Preu¬<lb/> ßen und Frankreich gäbe, deren Preis der Besitz von Hannover sei. Zur wei¬<lb/> teren Betreibung dieser Angelegenheit beschloß dann Napoleon Duroc nach Ber¬<lb/> lin zu senden. In Berlin, wo man anfangs das Anerbieten ziemlich kühl<lb/> aufgenommen hatte, machte sich bald eine günstigere Auffassung desselben gel¬<lb/> tend. Dazu wirkte nicht allein die lockende Aussicht auf den Besitz von Han¬<lb/> nover, sondern auch die Hoffnung, daß auf diesem Wege Preußen am meisten<lb/> zur Erhaltung des Friedens beitragen könne. Wenn Hannover geräumt werde,<lb/> so falle für die Russen jeder Grund eines Angriffs weg, und wenn es gelinge,<lb/> die Unabhängigkeit des Nestes von Italien, der Schweiz, Hollands, des deut¬<lb/> schen Reiches sicher zu stellen, so würde die Koalition doch wohl vielleicht Be¬<lb/> denken tragen zu den Waffen zu greifen. Diese Anschauung wünschte man mit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0420]
lung werden, wenn sie indem Sinn unternommen wurde, daß sie den Ueber¬
gang zu einer Politik des Handelns bildete, wie denn auch einige preu¬
ßische Staatsmänner eifrig in der Richtung gewirkt haben. Es fehlte aber
den schließlich entscheidenden Kreisen sowohl die klare Erkenntniß, daß das
Werk der Friedensstiftung sehr geringe Aussicht auf Erfolg habe, als auch die
Entschlossenheit, für den Fall der Erfolglosigkeit für den einen oder andern
der Kämpfenden Partei zu ergreifen. Dadurch entsteht denn jener Widerspruch
in der preußischen Politik, der für den Staat verhängnißvoll werden sollte,
indem von der einen Seite die Politik der Vermittelung nur als ein Vehikel
für das Festhalten an der Neutralität angesehen wurde, von der andern Seite
dagegen gerade als Uebergangsstadium aus der Neutralität zur Action. Aber
auch in der Actionspartei, wenn wir den Ausdruck hier gebrauchen dürfen,
vermissen wir ein bestimmtes Princip; sie handelt ohne einen festen politischen
Gedanken, und läßt sich ganz durch die von Außen her kommenden Eindrücke
bestimmen. Sie sucht einen festen Boden für die Parteinahme in dem bevor¬
stehenden Kriege zu gewinnen, sie nähert sich Frankreich; unter den Gegen¬
wirkungen der Friedenspartei wird ihr sofort der Boden unter den Füßen fort¬
gezogen, eine Zeit lang bleibt Alles in der Schwebe, bis ein unerwartetes
Ereigniß den Staat rasch in die russisch-östreichische Strömung wirft. Es
fehlt nicht an entschiedenen Beschlüssen, aber durchaus an der Fähigkeit der
Selbstbestimmung.
Den ersten kräftigen Impuls — um die Hauptmomente der bezüglichen Ver¬
handlungen zusammenzustellen — erhielt die preußische Politik von Paris. Lucche-
sini äußert sich in einem Gespräch mit Talleyrand mißbilligend über die neuesten Ge¬
waltthätigkeiten Frankreichs und bemerkt, daß dieselben in Preußen ungefähr dieselbe
Beurtheilung gefunden hätten, wie in Oestreich und Rußland. „Vorgänge wie diese
rechtfertigen jede Besorgnis) und jeden Argwohn." Talleyrand, der weder das
Uebergewicht Frankreichs noch den Ehrgeiz seines Beherrschers bestritt, erklärte,
daß es um denselben zu begegnen kein Mittel als eine Alliance zwischen Preu¬
ßen und Frankreich gäbe, deren Preis der Besitz von Hannover sei. Zur wei¬
teren Betreibung dieser Angelegenheit beschloß dann Napoleon Duroc nach Ber¬
lin zu senden. In Berlin, wo man anfangs das Anerbieten ziemlich kühl
aufgenommen hatte, machte sich bald eine günstigere Auffassung desselben gel¬
tend. Dazu wirkte nicht allein die lockende Aussicht auf den Besitz von Han¬
nover, sondern auch die Hoffnung, daß auf diesem Wege Preußen am meisten
zur Erhaltung des Friedens beitragen könne. Wenn Hannover geräumt werde,
so falle für die Russen jeder Grund eines Angriffs weg, und wenn es gelinge,
die Unabhängigkeit des Nestes von Italien, der Schweiz, Hollands, des deut¬
schen Reiches sicher zu stellen, so würde die Koalition doch wohl vielleicht Be¬
denken tragen zu den Waffen zu greifen. Diese Anschauung wünschte man mit
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