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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Die Opposition Oestreichs gegen den baseler Frieden war vorzugsweise
dagegen gerichtet, daß durch jenen Frieden das linke Rheinufer preisgegeben
sei; so kam Oestreich in die vortheilhafte Lage, indem es der Durchführung-
des Friedens alle möglichen Hindernisse in den Weg legte, seine Reichstreue
in das hellste Licht stellen zu können. Eine aufrichtige Sorge für die Auf¬
rechterhaltung der Reichsintegrität würde freilich auf dem Wege der Verstän¬
digung und Wiedervereinigung mit Preußen ihr Ziel zu erreichen gesucht haben.
Denn da im baseler Frieden das Schicksal der linksrheinischen Reichslande dem
künftigen Reichsfrieden vorbehalten war, so war es klar, daß nur durch das
feste Zusammenhalten aller Glieder des Reiches in dieser Beziehung ein glück¬
liches Ergebniß gewonnen werden konnte, daß aber das leidenschaftliche Hetzen
gegen Preußen die Franzosen in den Stand setzen mußte, vollständig die ihnen
günstigen Konsequenzen des Friedens zu ziehen. Indessen war es Oestreich in
Wahrheit um die Integrität des Reiches gar nicht zu thun, wie der Frieden
von Campo Formio hinreichend bewies. Denn in diesem gab es nicht nur
den größeren Theil des linken Rheinufers preis, sondern verpflichtete sich irr
den geheimen Artikeln, zur Abtretung desselben mitzuwirken.-^und erhielt dafür
die Zusage der französischen Vermittelung zum Erwerbe des Erzbisthums Salz¬
burg und eines Theiles von Bayern. Preußen sollte seine linksrheinischen
Gebiete zurückbekommen, aber auch keine weitere Erwerbung machen. Die
Reichsfürsten, welche Verluste erlitten hatten, sollten in Deutschland entschädigt-
werden, ebenso das Haus Oranien.

Interessant ist es nun, das Gegenspiel der beiden- Mächte, die doch die
wichtigsten Gründe hatten, Frankreich gegenüber zusammenzuhalten, durch alle
Phasen des rastatter Congresses zu verfolgen. Oestreich eröffnet das Spiel
mit der feierlichen Erklärung, daß die Integrität des Reiches gewahrt sei, was,
wie auch nicht lange verborgen bleiben konnte, eine handgreifliche Lüge war.
Die französische Taktik war, die beiden Mächte durch wechselseitiges Begünstiger
bald der einen, bald der andern gegeneinander zu Hetzen und jedem Versuche
einer Annäherung entgegenzuarbeiten. Zuerst versuchte es Bonaparte, wie wir
aus dem berliner Archive sehen, mit Preußen. Keine Schmeichelei wurde ge¬
spart, um Preußen zu gewinnen; von Oestreich wurde mit Geringschätzung und
Abneigung gesprochen. "Mit Oestreich." äußerte Bonaparte in Paris zu dem
preußischen Gesandten, "kann man niemals zum Abschluß kommen, wenn man
nicht die Miene annimmt, abzubrechen. Euer großer Friedrich kannte voll¬
kommen die Art, wie man mit Oestreich verhandelt; er kann auch bei diesem
Anlaß als Muster dienen. Ueberhaupt wird Preußen seine politische Existenz
nie fest gegründet haben, als bis es Oestreich bekämpft und niedergeworfen
hat." In Preußen war man indessen nicht geneigt, auf diese Lockungen ein¬
zugehen, da man in ihnen sehr wohl die Absicht, Oestreich und Preußen zu


Die Opposition Oestreichs gegen den baseler Frieden war vorzugsweise
dagegen gerichtet, daß durch jenen Frieden das linke Rheinufer preisgegeben
sei; so kam Oestreich in die vortheilhafte Lage, indem es der Durchführung-
des Friedens alle möglichen Hindernisse in den Weg legte, seine Reichstreue
in das hellste Licht stellen zu können. Eine aufrichtige Sorge für die Auf¬
rechterhaltung der Reichsintegrität würde freilich auf dem Wege der Verstän¬
digung und Wiedervereinigung mit Preußen ihr Ziel zu erreichen gesucht haben.
Denn da im baseler Frieden das Schicksal der linksrheinischen Reichslande dem
künftigen Reichsfrieden vorbehalten war, so war es klar, daß nur durch das
feste Zusammenhalten aller Glieder des Reiches in dieser Beziehung ein glück¬
liches Ergebniß gewonnen werden konnte, daß aber das leidenschaftliche Hetzen
gegen Preußen die Franzosen in den Stand setzen mußte, vollständig die ihnen
günstigen Konsequenzen des Friedens zu ziehen. Indessen war es Oestreich in
Wahrheit um die Integrität des Reiches gar nicht zu thun, wie der Frieden
von Campo Formio hinreichend bewies. Denn in diesem gab es nicht nur
den größeren Theil des linken Rheinufers preis, sondern verpflichtete sich irr
den geheimen Artikeln, zur Abtretung desselben mitzuwirken.-^und erhielt dafür
die Zusage der französischen Vermittelung zum Erwerbe des Erzbisthums Salz¬
burg und eines Theiles von Bayern. Preußen sollte seine linksrheinischen
Gebiete zurückbekommen, aber auch keine weitere Erwerbung machen. Die
Reichsfürsten, welche Verluste erlitten hatten, sollten in Deutschland entschädigt-
werden, ebenso das Haus Oranien.

Interessant ist es nun, das Gegenspiel der beiden- Mächte, die doch die
wichtigsten Gründe hatten, Frankreich gegenüber zusammenzuhalten, durch alle
Phasen des rastatter Congresses zu verfolgen. Oestreich eröffnet das Spiel
mit der feierlichen Erklärung, daß die Integrität des Reiches gewahrt sei, was,
wie auch nicht lange verborgen bleiben konnte, eine handgreifliche Lüge war.
Die französische Taktik war, die beiden Mächte durch wechselseitiges Begünstiger
bald der einen, bald der andern gegeneinander zu Hetzen und jedem Versuche
einer Annäherung entgegenzuarbeiten. Zuerst versuchte es Bonaparte, wie wir
aus dem berliner Archive sehen, mit Preußen. Keine Schmeichelei wurde ge¬
spart, um Preußen zu gewinnen; von Oestreich wurde mit Geringschätzung und
Abneigung gesprochen. „Mit Oestreich." äußerte Bonaparte in Paris zu dem
preußischen Gesandten, „kann man niemals zum Abschluß kommen, wenn man
nicht die Miene annimmt, abzubrechen. Euer großer Friedrich kannte voll¬
kommen die Art, wie man mit Oestreich verhandelt; er kann auch bei diesem
Anlaß als Muster dienen. Ueberhaupt wird Preußen seine politische Existenz
nie fest gegründet haben, als bis es Oestreich bekämpft und niedergeworfen
hat." In Preußen war man indessen nicht geneigt, auf diese Lockungen ein¬
zugehen, da man in ihnen sehr wohl die Absicht, Oestreich und Preußen zu


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[0414] Die Opposition Oestreichs gegen den baseler Frieden war vorzugsweise dagegen gerichtet, daß durch jenen Frieden das linke Rheinufer preisgegeben sei; so kam Oestreich in die vortheilhafte Lage, indem es der Durchführung- des Friedens alle möglichen Hindernisse in den Weg legte, seine Reichstreue in das hellste Licht stellen zu können. Eine aufrichtige Sorge für die Auf¬ rechterhaltung der Reichsintegrität würde freilich auf dem Wege der Verstän¬ digung und Wiedervereinigung mit Preußen ihr Ziel zu erreichen gesucht haben. Denn da im baseler Frieden das Schicksal der linksrheinischen Reichslande dem künftigen Reichsfrieden vorbehalten war, so war es klar, daß nur durch das feste Zusammenhalten aller Glieder des Reiches in dieser Beziehung ein glück¬ liches Ergebniß gewonnen werden konnte, daß aber das leidenschaftliche Hetzen gegen Preußen die Franzosen in den Stand setzen mußte, vollständig die ihnen günstigen Konsequenzen des Friedens zu ziehen. Indessen war es Oestreich in Wahrheit um die Integrität des Reiches gar nicht zu thun, wie der Frieden von Campo Formio hinreichend bewies. Denn in diesem gab es nicht nur den größeren Theil des linken Rheinufers preis, sondern verpflichtete sich irr den geheimen Artikeln, zur Abtretung desselben mitzuwirken.-^und erhielt dafür die Zusage der französischen Vermittelung zum Erwerbe des Erzbisthums Salz¬ burg und eines Theiles von Bayern. Preußen sollte seine linksrheinischen Gebiete zurückbekommen, aber auch keine weitere Erwerbung machen. Die Reichsfürsten, welche Verluste erlitten hatten, sollten in Deutschland entschädigt- werden, ebenso das Haus Oranien. Interessant ist es nun, das Gegenspiel der beiden- Mächte, die doch die wichtigsten Gründe hatten, Frankreich gegenüber zusammenzuhalten, durch alle Phasen des rastatter Congresses zu verfolgen. Oestreich eröffnet das Spiel mit der feierlichen Erklärung, daß die Integrität des Reiches gewahrt sei, was, wie auch nicht lange verborgen bleiben konnte, eine handgreifliche Lüge war. Die französische Taktik war, die beiden Mächte durch wechselseitiges Begünstiger bald der einen, bald der andern gegeneinander zu Hetzen und jedem Versuche einer Annäherung entgegenzuarbeiten. Zuerst versuchte es Bonaparte, wie wir aus dem berliner Archive sehen, mit Preußen. Keine Schmeichelei wurde ge¬ spart, um Preußen zu gewinnen; von Oestreich wurde mit Geringschätzung und Abneigung gesprochen. „Mit Oestreich." äußerte Bonaparte in Paris zu dem preußischen Gesandten, „kann man niemals zum Abschluß kommen, wenn man nicht die Miene annimmt, abzubrechen. Euer großer Friedrich kannte voll¬ kommen die Art, wie man mit Oestreich verhandelt; er kann auch bei diesem Anlaß als Muster dienen. Ueberhaupt wird Preußen seine politische Existenz nie fest gegründet haben, als bis es Oestreich bekämpft und niedergeworfen hat." In Preußen war man indessen nicht geneigt, auf diese Lockungen ein¬ zugehen, da man in ihnen sehr wohl die Absicht, Oestreich und Preußen zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/414>, abgerufen am 15.01.2025.