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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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durchgebildeten Geschmacke, an einem höher entwickelten Farben- und Formen-
sinn, wie wir ihm heutiges Tages nur allzuoft begegnen. Man hört sehr viel
zum Lobe der großen Alten reden, und es ist gewiß nickt leicht ein Landschafts¬
maler, der nickt von Ruisdael, Everdingen und Claude schwärmte: allein wenn
es zur Ausführung geht, da ist zumeist weder von dem feinen Sinne, noch
vor Allem von der Liebe jener alten Meister etwas zu finden. Dazu kommt
noch ein in der Landschaft besonders mißlicher Umstand: es tann keine Frage
sein, daß hier die Wirkung des einzelnen Werkes, selbst wenn es von erster
Schönheit wäre, ungleich geringer ist als die z. B. des einzelnen historischen
Bildes, und daß somit die Werke auch unserer großen zeitgenössischen Meister,
zerstreut wie sie sind, einen verhältnißmäßig wenig nachhaltigen Eindruck auf
Publicum und Künstler gemacht haben, zumal bei uns Landschaften nur sel¬
ten durch die vervielfältigenden Künste verbreitet werden.

Je lebendiger wir diese Mißstände empfinden, um so freudiger müssen wir
ein Werk begrüßen, weiches durch den wahrhaft großartigen Wurf seiner Con¬
ception, durch die Gewalt der Gestaltungskraft und die Beherrschung aller,
Mittel der Darstellung, endlich auch durch seinen Reichthum und seine Aus¬
dehnung nicht verfehlen kann auf die Künstlerwelt und auf das Publicum den
entschiedensten Eindruck zu machen und so einerseits einen Maßstab zu bieten
für die Beurtheilung unserer heutigen Durehschnittsproduction, andererseits über
die Ziele zu orientiren, welche die Landschaftsmalerei im Auge behalten muß.
wenn sie nicht schnell und schneller dem Verfalle entgegengehen soll. Dieses Werk
sind die sechzehn Landschaften zur Odyssee von Friedrich Preller,
welche, im Carton vollendet, jetzt in einigen größeren Städten Deutschlands
ausgestellt werden sollen und zum Theil bereits gewesen sind.

Preller") tritt mit Landschaften zur Odyssee jetzt nicht zum ersten Male
hervor. Wer in Leipzig das sogenannte römische Haus kennt, wird sich mit
Freuden eines Zimmers im Erdgeschoß erinnern, das mit sieben in tempera ge¬
malten Landschaften zur Odyssee gesckmückt ist. Sie wurden von Preller in
den Jahren 1834--1836 im Auftrage des Dr. H. Härte!. welcher das römische
Haus erbaut hat, ausgeführt und sind bereits von großer Schönheit in Com-
position und Durchführung. Eine lange Zeit verging, während deren Preller
ganz der nordischen Natur zugefallen schien, als 1858 auf der großen Münche¬
ner Ausstellung eine Reihe Kohlenzeichnungen von ihm erschien, die denselben
Gegenstand behandelten und bekanntlich eine ganz außerordentliche Wirkung



") Friedrich Preller ist geboren 1804. Ausgewachsen in Weimar, ward er von Karl
August zur antwcrpcncr Akademie gebracht. Van da ging er nach Mailand, später nach Rain
und kehrte 1832 nach Weimar zurück, wo er noch jetzt leve, nachdem er 1859--61 zum zwei¬
ten Male in Italien gewesen.

durchgebildeten Geschmacke, an einem höher entwickelten Farben- und Formen-
sinn, wie wir ihm heutiges Tages nur allzuoft begegnen. Man hört sehr viel
zum Lobe der großen Alten reden, und es ist gewiß nickt leicht ein Landschafts¬
maler, der nickt von Ruisdael, Everdingen und Claude schwärmte: allein wenn
es zur Ausführung geht, da ist zumeist weder von dem feinen Sinne, noch
vor Allem von der Liebe jener alten Meister etwas zu finden. Dazu kommt
noch ein in der Landschaft besonders mißlicher Umstand: es tann keine Frage
sein, daß hier die Wirkung des einzelnen Werkes, selbst wenn es von erster
Schönheit wäre, ungleich geringer ist als die z. B. des einzelnen historischen
Bildes, und daß somit die Werke auch unserer großen zeitgenössischen Meister,
zerstreut wie sie sind, einen verhältnißmäßig wenig nachhaltigen Eindruck auf
Publicum und Künstler gemacht haben, zumal bei uns Landschaften nur sel¬
ten durch die vervielfältigenden Künste verbreitet werden.

Je lebendiger wir diese Mißstände empfinden, um so freudiger müssen wir
ein Werk begrüßen, weiches durch den wahrhaft großartigen Wurf seiner Con¬
ception, durch die Gewalt der Gestaltungskraft und die Beherrschung aller,
Mittel der Darstellung, endlich auch durch seinen Reichthum und seine Aus¬
dehnung nicht verfehlen kann auf die Künstlerwelt und auf das Publicum den
entschiedensten Eindruck zu machen und so einerseits einen Maßstab zu bieten
für die Beurtheilung unserer heutigen Durehschnittsproduction, andererseits über
die Ziele zu orientiren, welche die Landschaftsmalerei im Auge behalten muß.
wenn sie nicht schnell und schneller dem Verfalle entgegengehen soll. Dieses Werk
sind die sechzehn Landschaften zur Odyssee von Friedrich Preller,
welche, im Carton vollendet, jetzt in einigen größeren Städten Deutschlands
ausgestellt werden sollen und zum Theil bereits gewesen sind.

Preller") tritt mit Landschaften zur Odyssee jetzt nicht zum ersten Male
hervor. Wer in Leipzig das sogenannte römische Haus kennt, wird sich mit
Freuden eines Zimmers im Erdgeschoß erinnern, das mit sieben in tempera ge¬
malten Landschaften zur Odyssee gesckmückt ist. Sie wurden von Preller in
den Jahren 1834—1836 im Auftrage des Dr. H. Härte!. welcher das römische
Haus erbaut hat, ausgeführt und sind bereits von großer Schönheit in Com-
position und Durchführung. Eine lange Zeit verging, während deren Preller
ganz der nordischen Natur zugefallen schien, als 1858 auf der großen Münche¬
ner Ausstellung eine Reihe Kohlenzeichnungen von ihm erschien, die denselben
Gegenstand behandelten und bekanntlich eine ganz außerordentliche Wirkung



") Friedrich Preller ist geboren 1804. Ausgewachsen in Weimar, ward er von Karl
August zur antwcrpcncr Akademie gebracht. Van da ging er nach Mailand, später nach Rain
und kehrte 1832 nach Weimar zurück, wo er noch jetzt leve, nachdem er 1859—61 zum zwei¬
ten Male in Italien gewesen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/389>, abgerufen am 15.01.2025.