Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Abzug gestattet! Aber im preußischen Edict vom 3. April 1774 kehrte die
Androhung der Todesstrafe wieder, den bedrohend, der Wolle ausführte oder zur
Ausfuhr aufkaufte. Nur an Tuchmacher, und sogar nur an inländische durste
die Wolle verkauft werden, späterhin auch an das königliche Lagerhaus in Berlin.
Vor der Thür verkaufen oder die Schafzucht, die nichts einbrachte, aufgeben,
war bei 1000 Ducaten Strafe verboten. (Mentzel.) Freilich wollene Stoffe
durften nicht eingeführt werden, auch bemühte sich Friedrich der Zweite um
Absatz preußischer Wollfabricate ins Ausland, was ihm zum Theil bis nach
China hin gelang.

Wie war eine bessere Landwirthschaft möglich unter solchen Verhältnissen!
Wie konnten Private wagen, die Landschafe zu veredlen! Man mußte das von
Regierungswegen befehlen, nicht des Ackerbaus wegen, sondern weil die Tuch¬
macher Wolle brauchten, und weil man in China nur feine Gewebe nahm.

Trotzdem war es die Schafzucht, an der die deutsche Landwirthschaft zuerst
Zeichen von Bewußtsein über ihre Aufgabe kund gab. Vorher war ihr Betrieb
ein jährliches Abspinnen des Gewohnten gewesen, jetzt kam eine Art System
in den Betrieb. Und sobald in die Masse ein Ziel geworfen war. begann sie
sich zu regen und weiter zu streben, und das erste gewonnene Spiel trieb zu
rüstigerem Fortschritt.

Spanien war die Heimath des Wollschafes. Dort hatten große Grund¬
besitzer das Recht, durch das Land ihre Heerden zu treiben und sie weiden zu
lassen, wo es ihnen genehm war. Ob die Merinos von dem Erschaffer der
Welten extra für Spanien gemacht sind, ob sie aus Afrika stammen oder wo sonst
her. beantwortet die Geschichte nicht. Aber schon frühe war der Neid anderer
Länder rege und die Neigung, spanische Schafe sich zu holen. England war
im fünfzehnten Jahrhundert so klug. Frankreich im siebzehnten; doch mit Energie
wurden erst im achtzehnten nach allen Ländern Merinos geführt: 1715 nach
Schweden, nach Deutschland zuerst 1748 durch Friedrich den Großen. Erst
seit etwa hundert Jahren also ist die "edle" Schafzucht in Deutschland heimisch,
und längst ist auf allen Märkten deutsche Wolle die gesuchteste. Spanien, noch
bis 1820 der Hauptwolllieferant Europas, führt heute nur noch wenig aus.

Der Amtmann Fink zu Cösitz in Anhalt war um 1760 der erste bedeu¬
tendere Schafzüchter in Deutschland -- "Züchter" -- ein neues Wort in jener
Zeit, welche dachte, daß unser Herrgott Alles gleich für alle Zeiten gut gemacht.
Und wie ein Feuer verbreitete sich die Kunde: der Thierzüchter könne Thiere
umbilden, ihren Charakter verändern und besondere Eigenschaften steigern.
Alsbald sprach man von Grundsätzen; man studirte die Krankheiten des Viehs
und heilte sie. die man nicht lang zuvor als eine Fügung des Himmels hin"
genommen und als solche ungestört gelassen hatte.

Sagte man heute, dem Landwirth sei es möglich, das Schwein zu einem


Abzug gestattet! Aber im preußischen Edict vom 3. April 1774 kehrte die
Androhung der Todesstrafe wieder, den bedrohend, der Wolle ausführte oder zur
Ausfuhr aufkaufte. Nur an Tuchmacher, und sogar nur an inländische durste
die Wolle verkauft werden, späterhin auch an das königliche Lagerhaus in Berlin.
Vor der Thür verkaufen oder die Schafzucht, die nichts einbrachte, aufgeben,
war bei 1000 Ducaten Strafe verboten. (Mentzel.) Freilich wollene Stoffe
durften nicht eingeführt werden, auch bemühte sich Friedrich der Zweite um
Absatz preußischer Wollfabricate ins Ausland, was ihm zum Theil bis nach
China hin gelang.

Wie war eine bessere Landwirthschaft möglich unter solchen Verhältnissen!
Wie konnten Private wagen, die Landschafe zu veredlen! Man mußte das von
Regierungswegen befehlen, nicht des Ackerbaus wegen, sondern weil die Tuch¬
macher Wolle brauchten, und weil man in China nur feine Gewebe nahm.

Trotzdem war es die Schafzucht, an der die deutsche Landwirthschaft zuerst
Zeichen von Bewußtsein über ihre Aufgabe kund gab. Vorher war ihr Betrieb
ein jährliches Abspinnen des Gewohnten gewesen, jetzt kam eine Art System
in den Betrieb. Und sobald in die Masse ein Ziel geworfen war. begann sie
sich zu regen und weiter zu streben, und das erste gewonnene Spiel trieb zu
rüstigerem Fortschritt.

Spanien war die Heimath des Wollschafes. Dort hatten große Grund¬
besitzer das Recht, durch das Land ihre Heerden zu treiben und sie weiden zu
lassen, wo es ihnen genehm war. Ob die Merinos von dem Erschaffer der
Welten extra für Spanien gemacht sind, ob sie aus Afrika stammen oder wo sonst
her. beantwortet die Geschichte nicht. Aber schon frühe war der Neid anderer
Länder rege und die Neigung, spanische Schafe sich zu holen. England war
im fünfzehnten Jahrhundert so klug. Frankreich im siebzehnten; doch mit Energie
wurden erst im achtzehnten nach allen Ländern Merinos geführt: 1715 nach
Schweden, nach Deutschland zuerst 1748 durch Friedrich den Großen. Erst
seit etwa hundert Jahren also ist die „edle" Schafzucht in Deutschland heimisch,
und längst ist auf allen Märkten deutsche Wolle die gesuchteste. Spanien, noch
bis 1820 der Hauptwolllieferant Europas, führt heute nur noch wenig aus.

Der Amtmann Fink zu Cösitz in Anhalt war um 1760 der erste bedeu¬
tendere Schafzüchter in Deutschland — „Züchter" — ein neues Wort in jener
Zeit, welche dachte, daß unser Herrgott Alles gleich für alle Zeiten gut gemacht.
Und wie ein Feuer verbreitete sich die Kunde: der Thierzüchter könne Thiere
umbilden, ihren Charakter verändern und besondere Eigenschaften steigern.
Alsbald sprach man von Grundsätzen; man studirte die Krankheiten des Viehs
und heilte sie. die man nicht lang zuvor als eine Fügung des Himmels hin«
genommen und als solche ungestört gelassen hatte.

Sagte man heute, dem Landwirth sei es möglich, das Schwein zu einem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116262"/>
          <p xml:id="ID_1133" prev="#ID_1132"> Abzug gestattet! Aber im preußischen Edict vom 3. April 1774 kehrte die<lb/>
Androhung der Todesstrafe wieder, den bedrohend, der Wolle ausführte oder zur<lb/>
Ausfuhr aufkaufte. Nur an Tuchmacher, und sogar nur an inländische durste<lb/>
die Wolle verkauft werden, späterhin auch an das königliche Lagerhaus in Berlin.<lb/>
Vor der Thür verkaufen oder die Schafzucht, die nichts einbrachte, aufgeben,<lb/>
war bei 1000 Ducaten Strafe verboten. (Mentzel.) Freilich wollene Stoffe<lb/>
durften nicht eingeführt werden, auch bemühte sich Friedrich der Zweite um<lb/>
Absatz preußischer Wollfabricate ins Ausland, was ihm zum Theil bis nach<lb/>
China hin gelang.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1134"> Wie war eine bessere Landwirthschaft möglich unter solchen Verhältnissen!<lb/>
Wie konnten Private wagen, die Landschafe zu veredlen! Man mußte das von<lb/>
Regierungswegen befehlen, nicht des Ackerbaus wegen, sondern weil die Tuch¬<lb/>
macher Wolle brauchten, und weil man in China nur feine Gewebe nahm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1135"> Trotzdem war es die Schafzucht, an der die deutsche Landwirthschaft zuerst<lb/>
Zeichen von Bewußtsein über ihre Aufgabe kund gab. Vorher war ihr Betrieb<lb/>
ein jährliches Abspinnen des Gewohnten gewesen, jetzt kam eine Art System<lb/>
in den Betrieb. Und sobald in die Masse ein Ziel geworfen war. begann sie<lb/>
sich zu regen und weiter zu streben, und das erste gewonnene Spiel trieb zu<lb/>
rüstigerem Fortschritt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1136"> Spanien war die Heimath des Wollschafes. Dort hatten große Grund¬<lb/>
besitzer das Recht, durch das Land ihre Heerden zu treiben und sie weiden zu<lb/>
lassen, wo es ihnen genehm war. Ob die Merinos von dem Erschaffer der<lb/>
Welten extra für Spanien gemacht sind, ob sie aus Afrika stammen oder wo sonst<lb/>
her. beantwortet die Geschichte nicht. Aber schon frühe war der Neid anderer<lb/>
Länder rege und die Neigung, spanische Schafe sich zu holen. England war<lb/>
im fünfzehnten Jahrhundert so klug. Frankreich im siebzehnten; doch mit Energie<lb/>
wurden erst im achtzehnten nach allen Ländern Merinos geführt: 1715 nach<lb/>
Schweden, nach Deutschland zuerst 1748 durch Friedrich den Großen. Erst<lb/>
seit etwa hundert Jahren also ist die &#x201E;edle" Schafzucht in Deutschland heimisch,<lb/>
und längst ist auf allen Märkten deutsche Wolle die gesuchteste. Spanien, noch<lb/>
bis 1820 der Hauptwolllieferant Europas, führt heute nur noch wenig aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1137"> Der Amtmann Fink zu Cösitz in Anhalt war um 1760 der erste bedeu¬<lb/>
tendere Schafzüchter in Deutschland &#x2014; &#x201E;Züchter" &#x2014; ein neues Wort in jener<lb/>
Zeit, welche dachte, daß unser Herrgott Alles gleich für alle Zeiten gut gemacht.<lb/>
Und wie ein Feuer verbreitete sich die Kunde: der Thierzüchter könne Thiere<lb/>
umbilden, ihren Charakter verändern und besondere Eigenschaften steigern.<lb/>
Alsbald sprach man von Grundsätzen; man studirte die Krankheiten des Viehs<lb/>
und heilte sie. die man nicht lang zuvor als eine Fügung des Himmels hin«<lb/>
genommen und als solche ungestört gelassen hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1138" next="#ID_1139"> Sagte man heute, dem Landwirth sei es möglich, das Schwein zu einem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0334] Abzug gestattet! Aber im preußischen Edict vom 3. April 1774 kehrte die Androhung der Todesstrafe wieder, den bedrohend, der Wolle ausführte oder zur Ausfuhr aufkaufte. Nur an Tuchmacher, und sogar nur an inländische durste die Wolle verkauft werden, späterhin auch an das königliche Lagerhaus in Berlin. Vor der Thür verkaufen oder die Schafzucht, die nichts einbrachte, aufgeben, war bei 1000 Ducaten Strafe verboten. (Mentzel.) Freilich wollene Stoffe durften nicht eingeführt werden, auch bemühte sich Friedrich der Zweite um Absatz preußischer Wollfabricate ins Ausland, was ihm zum Theil bis nach China hin gelang. Wie war eine bessere Landwirthschaft möglich unter solchen Verhältnissen! Wie konnten Private wagen, die Landschafe zu veredlen! Man mußte das von Regierungswegen befehlen, nicht des Ackerbaus wegen, sondern weil die Tuch¬ macher Wolle brauchten, und weil man in China nur feine Gewebe nahm. Trotzdem war es die Schafzucht, an der die deutsche Landwirthschaft zuerst Zeichen von Bewußtsein über ihre Aufgabe kund gab. Vorher war ihr Betrieb ein jährliches Abspinnen des Gewohnten gewesen, jetzt kam eine Art System in den Betrieb. Und sobald in die Masse ein Ziel geworfen war. begann sie sich zu regen und weiter zu streben, und das erste gewonnene Spiel trieb zu rüstigerem Fortschritt. Spanien war die Heimath des Wollschafes. Dort hatten große Grund¬ besitzer das Recht, durch das Land ihre Heerden zu treiben und sie weiden zu lassen, wo es ihnen genehm war. Ob die Merinos von dem Erschaffer der Welten extra für Spanien gemacht sind, ob sie aus Afrika stammen oder wo sonst her. beantwortet die Geschichte nicht. Aber schon frühe war der Neid anderer Länder rege und die Neigung, spanische Schafe sich zu holen. England war im fünfzehnten Jahrhundert so klug. Frankreich im siebzehnten; doch mit Energie wurden erst im achtzehnten nach allen Ländern Merinos geführt: 1715 nach Schweden, nach Deutschland zuerst 1748 durch Friedrich den Großen. Erst seit etwa hundert Jahren also ist die „edle" Schafzucht in Deutschland heimisch, und längst ist auf allen Märkten deutsche Wolle die gesuchteste. Spanien, noch bis 1820 der Hauptwolllieferant Europas, führt heute nur noch wenig aus. Der Amtmann Fink zu Cösitz in Anhalt war um 1760 der erste bedeu¬ tendere Schafzüchter in Deutschland — „Züchter" — ein neues Wort in jener Zeit, welche dachte, daß unser Herrgott Alles gleich für alle Zeiten gut gemacht. Und wie ein Feuer verbreitete sich die Kunde: der Thierzüchter könne Thiere umbilden, ihren Charakter verändern und besondere Eigenschaften steigern. Alsbald sprach man von Grundsätzen; man studirte die Krankheiten des Viehs und heilte sie. die man nicht lang zuvor als eine Fügung des Himmels hin« genommen und als solche ungestört gelassen hatte. Sagte man heute, dem Landwirth sei es möglich, das Schwein zu einem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/334
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/334>, abgerufen am 15.01.2025.