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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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hat, wußte den feinen Zug der Linien in den warmen zarten Glanz der
morgenländischen Luft ganz einzutauchen und so durch die Verbindung des
malerischen mit dem plastischen Elemente die eigenthümliche Stimmung des
Orients ganz meisterhaft zu treffen (nicht minder vortrefflich sind bekanntlich
die Darstellungen seiner heimathlichen Natur). Auch das kleine Bildchen, das
auf der Ausstellung war, in den Halbtönen und Reflexen von fast übergroßer
Feinheit, führt den Beschauer ganz in jene träumerische Welt voll Licht und
Sonne ein, Alles, die Klarheit der Erdbildung, das Spiel des Lichtes und
die höchst lebendige Staffage wirken zu einem vollen Eindruck zusammen. Bon
Rottmann war nur ein Jugendbild da, aber auch schon in diesem zeigt sich
die große Anschauung des unvergeßlichen Meisters, der die Natur gleichsam in
ihrem Wesen, ihren mächtigen gestaltenden Zügen festzuhalten wußte.

Reicher als die classische Landschaft war die ausgebreitete Richtung ver¬
treten, welche die nordische Natur in der Zufälligkeit ihrer wuchtigen Berg-
formen, dem Reichthum ihres Waldlebens, mit ihren heimlichen Thälern und
stillen Seen, kurz der ganzen Mannigfaltigkeit ihres romantischen aber rauhe¬
ren und härteren Charakters seit Jahren unermüdlich darstellt. In derartigen
Bildern haben es die düsseldorfer wie die Münchener Schule zu einem gewissen
Geschick gebracht, das die Natur im Einzelnen ziemlich getreu wiedergibt und
im Ganzen mehr oder minder glücklich zu einem Bilde gruppirt. Aber wie
die Historienmalerei verfiel diese Richtung bald in eine gewisse conventionelle
Anschauung, welche mit Wäldern, schweizer und tyroler Gegenden abwechselt,
in einer gewissen munteren Buntheit der Farben die Schönheit des Colorits
sieht, die Felsen und Berge wie durchsichtiges Porzellan behandelt und die
malerische Stimmung, welche das verschlossene Leben gerade der nordischen
Landschaft ahnungsvoll muß aufleuchten lassen, weder mitbringt noch in der
Natur entdeckt. Diese Art von Darstellung vergegenwärtigt im günstigen Fall
die Natur etwa so, wie sie sich nach der Anstrengung der Werktage der Sonn-
tagsspaziergängcr bei schönem Wetter anschaut, wenn er das Glück hat, eine
bergige oder waldige Gegend in der Nähe ^u haben. Bestreiter läßt sich nicht,
daß Manches dennoch mit Talent gemacht ist; aber da sich in den Bildern eine
eigenthümliche Anschauung oder Empfindung nur sehr selten ausspricht, so ver¬
wischen sich die Unterschiede, und das eine macht ungefähr ebensoviel oder so¬
wenig Eindruck wie das andere. Bon den Düsseldorfern -- die früher auf
eine größere Durchbildung des Details und eine mehr realistische Darstellung
ausgingen -- hatten sich namentlich August Becker, Lindlar oder Mor¬
den-Müller (der jedoch seiner schwedischen Landschaft einen gewissen Charakter
zu geben gewußt) eingefunden, von denen, die zur Münchner Schule zählen
können. Haushofer, Heinlein. Millner; auch Leonhardt (Dresden),
Hauses (Wien), Diday (Genf) gehören hierher. Ein schönes Talent für


hat, wußte den feinen Zug der Linien in den warmen zarten Glanz der
morgenländischen Luft ganz einzutauchen und so durch die Verbindung des
malerischen mit dem plastischen Elemente die eigenthümliche Stimmung des
Orients ganz meisterhaft zu treffen (nicht minder vortrefflich sind bekanntlich
die Darstellungen seiner heimathlichen Natur). Auch das kleine Bildchen, das
auf der Ausstellung war, in den Halbtönen und Reflexen von fast übergroßer
Feinheit, führt den Beschauer ganz in jene träumerische Welt voll Licht und
Sonne ein, Alles, die Klarheit der Erdbildung, das Spiel des Lichtes und
die höchst lebendige Staffage wirken zu einem vollen Eindruck zusammen. Bon
Rottmann war nur ein Jugendbild da, aber auch schon in diesem zeigt sich
die große Anschauung des unvergeßlichen Meisters, der die Natur gleichsam in
ihrem Wesen, ihren mächtigen gestaltenden Zügen festzuhalten wußte.

Reicher als die classische Landschaft war die ausgebreitete Richtung ver¬
treten, welche die nordische Natur in der Zufälligkeit ihrer wuchtigen Berg-
formen, dem Reichthum ihres Waldlebens, mit ihren heimlichen Thälern und
stillen Seen, kurz der ganzen Mannigfaltigkeit ihres romantischen aber rauhe¬
ren und härteren Charakters seit Jahren unermüdlich darstellt. In derartigen
Bildern haben es die düsseldorfer wie die Münchener Schule zu einem gewissen
Geschick gebracht, das die Natur im Einzelnen ziemlich getreu wiedergibt und
im Ganzen mehr oder minder glücklich zu einem Bilde gruppirt. Aber wie
die Historienmalerei verfiel diese Richtung bald in eine gewisse conventionelle
Anschauung, welche mit Wäldern, schweizer und tyroler Gegenden abwechselt,
in einer gewissen munteren Buntheit der Farben die Schönheit des Colorits
sieht, die Felsen und Berge wie durchsichtiges Porzellan behandelt und die
malerische Stimmung, welche das verschlossene Leben gerade der nordischen
Landschaft ahnungsvoll muß aufleuchten lassen, weder mitbringt noch in der
Natur entdeckt. Diese Art von Darstellung vergegenwärtigt im günstigen Fall
die Natur etwa so, wie sie sich nach der Anstrengung der Werktage der Sonn-
tagsspaziergängcr bei schönem Wetter anschaut, wenn er das Glück hat, eine
bergige oder waldige Gegend in der Nähe ^u haben. Bestreiter läßt sich nicht,
daß Manches dennoch mit Talent gemacht ist; aber da sich in den Bildern eine
eigenthümliche Anschauung oder Empfindung nur sehr selten ausspricht, so ver¬
wischen sich die Unterschiede, und das eine macht ungefähr ebensoviel oder so¬
wenig Eindruck wie das andere. Bon den Düsseldorfern — die früher auf
eine größere Durchbildung des Details und eine mehr realistische Darstellung
ausgingen — hatten sich namentlich August Becker, Lindlar oder Mor¬
den-Müller (der jedoch seiner schwedischen Landschaft einen gewissen Charakter
zu geben gewußt) eingefunden, von denen, die zur Münchner Schule zählen
können. Haushofer, Heinlein. Millner; auch Leonhardt (Dresden),
Hauses (Wien), Diday (Genf) gehören hierher. Ein schönes Talent für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/320>, abgerufen am 15.01.2025.