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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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lebendige Anordnung und plastische Ausführung des Einzelnen zeigt I. G.
Steffan; aber auch sein Kolorit hat etwas Buntsüßes und Gläsernes, wo¬
durch sowohl die saftige Fülle der Erscheinung als die elementare Stimmung
fehlt. Von den Münchenern gehen Vier. Morgenstern, Lichtenheldt
und Zwengauer auf eine mehr coloristische Behandlung der Natur aus, ohne
jedoch die harte und conventionelle Manier der ganzen Gattung los zu werden.
In den Bildern von Val. Ruths zeigt sich eine mehr phantasievolle An¬
schauung, welche die Natur als ein reiches Ganze saßt und im Ton tiefer zu
halten sucht, jedoch das Detail zu sehr häuft und hervortreten läßt; auch Funk
hat neuerdings so in seiner Waldlandschaft mehr Wärme und sättigten der
Farbe. Der frische realistische Rückschlag, den in Düsseldorf namentlich
A. Ueberhand gegen diese Landschaftsgattung führte, war nicht vertreten.

Beiden Richtungen, der classischen Landschaft wie der letzteren, steht diejenige
gegenüber, der es nicht sowohl um einen Reichthum von Formen, um einen
bestimmten landschaftlichen Charakter zu thun ist, als vielmehr um die eigen¬
thümliche Licht- und Luftstimmung, in der die Natur schwebt, und welche durch¬
aus malerisch angeschaut und behandelt im harmonischen Ton, der die Local-
farben abdämpfend in sich hineinnimmt, eine unbestimmte Empfindung gleichsam
wiederklingen läßt. Es zeigt sich auch hier das neue Princip der modernen
Malerei, dem es vor Allem auf die Erscheinung mit dem Ausdruck innern Lebens
ankommt. Von dieser Art waren namentlich die Landschaften von Ed. Schleich
und Rich. Zimmermann bemerkenswerth. Jener hat namentlich eine reiche
Gesammtwirkung im Auge und legt daher wenig Gewicht auf die Ausführung
des Einzelnen; in seinem Chiemsee spricht sich eine lebendige malerische Phan¬
tasie aus, welche die Stimmung des Tones über ein mannigfaltiges Ganze
voll und warm auszugießen weiß. Nur ist doch die Gestalt der Dinge in diesem
klangreichen Farbenspiel allzusehr aufgelockert, ins Baumwollenhafte zerfasert
und die Haltung der verschiedenen Pläne allzu zweifelhaft. Schleich hat schon
Bilder geliefert -- glücklicherweise sind es Ausnahmen --, in denen sich die
ganze Landschaft in ein Farbenmeer auflöste, wie etwa eine Gebirgsgegend in
Landregen; auch das Malerische hat seine Grenze und geht in sich selber unter,
wenn es die Form der Dinge gleichsam verzehrt und Eines in das Andere ver¬
schwemmt. Rich. Zimmermann sucht in kleineren Bildern, z. B. in einem
Stück Wald mit Thierstaffage -- die ihm wohl gelingt -- das Einzelne mehr
naturalistisch auszuführen, ihm eine tiefe kräftige Färbung zu geben und doch
Alles in eine warme durchleuchtete Luft einzuhüllen, und in einer seiner Land¬
schaften hat er auf diese Weise eine schöne lebendige Wirkung erreicht. Seine
Anschauung geht indessen leicht in eine gewisse coloristische Manier über, welche
der Haltung des Bildes schadet, indem sie über dem verfeinerten Spiel der
Töne die Luftperspective vernachlässigt und durch die dann auch die Färbung


Vrenzbotcn IV. 1863. 40

lebendige Anordnung und plastische Ausführung des Einzelnen zeigt I. G.
Steffan; aber auch sein Kolorit hat etwas Buntsüßes und Gläsernes, wo¬
durch sowohl die saftige Fülle der Erscheinung als die elementare Stimmung
fehlt. Von den Münchenern gehen Vier. Morgenstern, Lichtenheldt
und Zwengauer auf eine mehr coloristische Behandlung der Natur aus, ohne
jedoch die harte und conventionelle Manier der ganzen Gattung los zu werden.
In den Bildern von Val. Ruths zeigt sich eine mehr phantasievolle An¬
schauung, welche die Natur als ein reiches Ganze saßt und im Ton tiefer zu
halten sucht, jedoch das Detail zu sehr häuft und hervortreten läßt; auch Funk
hat neuerdings so in seiner Waldlandschaft mehr Wärme und sättigten der
Farbe. Der frische realistische Rückschlag, den in Düsseldorf namentlich
A. Ueberhand gegen diese Landschaftsgattung führte, war nicht vertreten.

Beiden Richtungen, der classischen Landschaft wie der letzteren, steht diejenige
gegenüber, der es nicht sowohl um einen Reichthum von Formen, um einen
bestimmten landschaftlichen Charakter zu thun ist, als vielmehr um die eigen¬
thümliche Licht- und Luftstimmung, in der die Natur schwebt, und welche durch¬
aus malerisch angeschaut und behandelt im harmonischen Ton, der die Local-
farben abdämpfend in sich hineinnimmt, eine unbestimmte Empfindung gleichsam
wiederklingen läßt. Es zeigt sich auch hier das neue Princip der modernen
Malerei, dem es vor Allem auf die Erscheinung mit dem Ausdruck innern Lebens
ankommt. Von dieser Art waren namentlich die Landschaften von Ed. Schleich
und Rich. Zimmermann bemerkenswerth. Jener hat namentlich eine reiche
Gesammtwirkung im Auge und legt daher wenig Gewicht auf die Ausführung
des Einzelnen; in seinem Chiemsee spricht sich eine lebendige malerische Phan¬
tasie aus, welche die Stimmung des Tones über ein mannigfaltiges Ganze
voll und warm auszugießen weiß. Nur ist doch die Gestalt der Dinge in diesem
klangreichen Farbenspiel allzusehr aufgelockert, ins Baumwollenhafte zerfasert
und die Haltung der verschiedenen Pläne allzu zweifelhaft. Schleich hat schon
Bilder geliefert — glücklicherweise sind es Ausnahmen —, in denen sich die
ganze Landschaft in ein Farbenmeer auflöste, wie etwa eine Gebirgsgegend in
Landregen; auch das Malerische hat seine Grenze und geht in sich selber unter,
wenn es die Form der Dinge gleichsam verzehrt und Eines in das Andere ver¬
schwemmt. Rich. Zimmermann sucht in kleineren Bildern, z. B. in einem
Stück Wald mit Thierstaffage — die ihm wohl gelingt — das Einzelne mehr
naturalistisch auszuführen, ihm eine tiefe kräftige Färbung zu geben und doch
Alles in eine warme durchleuchtete Luft einzuhüllen, und in einer seiner Land¬
schaften hat er auf diese Weise eine schöne lebendige Wirkung erreicht. Seine
Anschauung geht indessen leicht in eine gewisse coloristische Manier über, welche
der Haltung des Bildes schadet, indem sie über dem verfeinerten Spiel der
Töne die Luftperspective vernachlässigt und durch die dann auch die Färbung


Vrenzbotcn IV. 1863. 40
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[0321] lebendige Anordnung und plastische Ausführung des Einzelnen zeigt I. G. Steffan; aber auch sein Kolorit hat etwas Buntsüßes und Gläsernes, wo¬ durch sowohl die saftige Fülle der Erscheinung als die elementare Stimmung fehlt. Von den Münchenern gehen Vier. Morgenstern, Lichtenheldt und Zwengauer auf eine mehr coloristische Behandlung der Natur aus, ohne jedoch die harte und conventionelle Manier der ganzen Gattung los zu werden. In den Bildern von Val. Ruths zeigt sich eine mehr phantasievolle An¬ schauung, welche die Natur als ein reiches Ganze saßt und im Ton tiefer zu halten sucht, jedoch das Detail zu sehr häuft und hervortreten läßt; auch Funk hat neuerdings so in seiner Waldlandschaft mehr Wärme und sättigten der Farbe. Der frische realistische Rückschlag, den in Düsseldorf namentlich A. Ueberhand gegen diese Landschaftsgattung führte, war nicht vertreten. Beiden Richtungen, der classischen Landschaft wie der letzteren, steht diejenige gegenüber, der es nicht sowohl um einen Reichthum von Formen, um einen bestimmten landschaftlichen Charakter zu thun ist, als vielmehr um die eigen¬ thümliche Licht- und Luftstimmung, in der die Natur schwebt, und welche durch¬ aus malerisch angeschaut und behandelt im harmonischen Ton, der die Local- farben abdämpfend in sich hineinnimmt, eine unbestimmte Empfindung gleichsam wiederklingen läßt. Es zeigt sich auch hier das neue Princip der modernen Malerei, dem es vor Allem auf die Erscheinung mit dem Ausdruck innern Lebens ankommt. Von dieser Art waren namentlich die Landschaften von Ed. Schleich und Rich. Zimmermann bemerkenswerth. Jener hat namentlich eine reiche Gesammtwirkung im Auge und legt daher wenig Gewicht auf die Ausführung des Einzelnen; in seinem Chiemsee spricht sich eine lebendige malerische Phan¬ tasie aus, welche die Stimmung des Tones über ein mannigfaltiges Ganze voll und warm auszugießen weiß. Nur ist doch die Gestalt der Dinge in diesem klangreichen Farbenspiel allzusehr aufgelockert, ins Baumwollenhafte zerfasert und die Haltung der verschiedenen Pläne allzu zweifelhaft. Schleich hat schon Bilder geliefert — glücklicherweise sind es Ausnahmen —, in denen sich die ganze Landschaft in ein Farbenmeer auflöste, wie etwa eine Gebirgsgegend in Landregen; auch das Malerische hat seine Grenze und geht in sich selber unter, wenn es die Form der Dinge gleichsam verzehrt und Eines in das Andere ver¬ schwemmt. Rich. Zimmermann sucht in kleineren Bildern, z. B. in einem Stück Wald mit Thierstaffage — die ihm wohl gelingt — das Einzelne mehr naturalistisch auszuführen, ihm eine tiefe kräftige Färbung zu geben und doch Alles in eine warme durchleuchtete Luft einzuhüllen, und in einer seiner Land¬ schaften hat er auf diese Weise eine schöne lebendige Wirkung erreicht. Seine Anschauung geht indessen leicht in eine gewisse coloristische Manier über, welche der Haltung des Bildes schadet, indem sie über dem verfeinerten Spiel der Töne die Luftperspective vernachlässigt und durch die dann auch die Färbung Vrenzbotcn IV. 1863. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/321>, abgerufen am 15.01.2025.