Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.daß sich ihr viele von den neuen Talenten um so lieber zuwenden, als hier Die classische oder südliche Landschaft, welche sich namentlich an die Erb¬ daß sich ihr viele von den neuen Talenten um so lieber zuwenden, als hier Die classische oder südliche Landschaft, welche sich namentlich an die Erb¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116247"/> <p xml:id="ID_1084" prev="#ID_1083"> daß sich ihr viele von den neuen Talenten um so lieber zuwenden, als hier<lb/> die naturwahre oder die malerische Erscheinung, um die es ihnen ja vorab zu<lb/> thun ist. dem Maler entgegenkommt. Das ist es ja überhaupt, weshalb das<lb/> Jahrhundert mit Vorliebe gerade die Landschaft ausbildet: die durch den noch<lb/> brennenden Kampf von alten und neuen Lebensformen, die Rcflexionsbildung<lb/> und die verfeinerte Gesittung gebrochene und naturlose Menschenwelt hat zu<lb/> der landschaftlichen Natur, aus der sie sich herausgenommen hat, ein doppeltes<lb/> Verhältniß: einmal stellt sie sich ihr als einer selbständigen Welt gegenüber,<lb/> in der sie ein volles, schönes ^sinnliches Dasein erblickt, für das sie um so<lb/> empfänglicher ist. als sie selber dessen entbehrt, und andererseits geht sie mit<lb/> ihr innere lebendige Beziehungen ein, indem sie in ihrem Licht- und Luftleben<lb/> eine Mannigfaltigkeit von Stimmungen findet, die an ihre eigenen Empfindungen<lb/> anklingen. Hier also findet die Malerei, was sie braucht und unter den<lb/> modernen Menschen so schwer zu finden vermag: eine voll ausgesprochene Er¬<lb/> scheinung, die sie entweder in ihrer selbständigen Schönheit künstlerisch aus¬<lb/> bilden oder in ihrem elementaren Dasein zum malerischen Ausdruck eines<lb/> innern Lebens bringen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1085" next="#ID_1086"> Die classische oder südliche Landschaft, welche sich namentlich an die Erb¬<lb/> formen, den Zug der Linien, in welchem ein dem organischen verwandtes<lb/> Leben sich zu bewegen scheint, und an den selbständigen Reichthum einer großen<lb/> Natur hält, hatte wenig Werke in der Ausstellung auszuweisen; die Haupt-<lb/> vertreter dieser Richtung hatten sich nicht eingefunden. Ein Bild von dem<lb/> nun verstorbenen Schirmer aus der römischen Ccnnpagna beeinträchtigt durch<lb/> die bewegte, unruhige Auffassung den gehaltenen Charakter dieser südlichen<lb/> Natur, und Lindemann-Frommel läßt die Formen in einer schimmcngen<lb/> Beleuchtung allzusehr verschwimmen. Eine Umgebung von Athen von A. Löff-<lb/> ler war in der Erdbildung fest und von ruhiger Haltung, jedoch im Ton<lb/> etwas schwer und materiell; in den Bildern von A. Klose zeigt sich wenig¬<lb/> stens ein Talent für stilvolle Form. — Mit welcher Liebe und mit wie feinem<lb/> Verständniß die ältern nun verstorbenen Meister den vornehmen idealen Charak¬<lb/> ter der südlichen Landschaft hervorzukehren wußten, das zeigte die Ausstellung<lb/> recht deutlich an zwei ganz verschiedenen Beispielen: an Marko und Maril-<lb/> hat. Jener hatte noch die historische Auffassung, welche für die große Natur<lb/> eine bedeutsame ideale Staffage verlangt, und diese Art von lebendiger Erläu¬<lb/> terung der Landschaft erscheint uns nun zopfig, aber dabei ist in seiner Vege¬<lb/> tation, seinen Baumgruppen ein Schwung der Form, in seinen Lüften eine<lb/> Klarheit, in der Harmonie des Ganzen ein Zug, der uns lebhaft die schöpfe¬<lb/> rische Fülle und den reinen Himmel des Südens vergegenwärtigt. Marilbat<lb/> dagegen, der Landschafter, der uns nicht die seltsame, sondern die zauberhafte,<lb/> wunderbar leuchtende, in Frieden versunkene Welt des Orients veranschaulicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
daß sich ihr viele von den neuen Talenten um so lieber zuwenden, als hier
die naturwahre oder die malerische Erscheinung, um die es ihnen ja vorab zu
thun ist. dem Maler entgegenkommt. Das ist es ja überhaupt, weshalb das
Jahrhundert mit Vorliebe gerade die Landschaft ausbildet: die durch den noch
brennenden Kampf von alten und neuen Lebensformen, die Rcflexionsbildung
und die verfeinerte Gesittung gebrochene und naturlose Menschenwelt hat zu
der landschaftlichen Natur, aus der sie sich herausgenommen hat, ein doppeltes
Verhältniß: einmal stellt sie sich ihr als einer selbständigen Welt gegenüber,
in der sie ein volles, schönes ^sinnliches Dasein erblickt, für das sie um so
empfänglicher ist. als sie selber dessen entbehrt, und andererseits geht sie mit
ihr innere lebendige Beziehungen ein, indem sie in ihrem Licht- und Luftleben
eine Mannigfaltigkeit von Stimmungen findet, die an ihre eigenen Empfindungen
anklingen. Hier also findet die Malerei, was sie braucht und unter den
modernen Menschen so schwer zu finden vermag: eine voll ausgesprochene Er¬
scheinung, die sie entweder in ihrer selbständigen Schönheit künstlerisch aus¬
bilden oder in ihrem elementaren Dasein zum malerischen Ausdruck eines
innern Lebens bringen kann.
Die classische oder südliche Landschaft, welche sich namentlich an die Erb¬
formen, den Zug der Linien, in welchem ein dem organischen verwandtes
Leben sich zu bewegen scheint, und an den selbständigen Reichthum einer großen
Natur hält, hatte wenig Werke in der Ausstellung auszuweisen; die Haupt-
vertreter dieser Richtung hatten sich nicht eingefunden. Ein Bild von dem
nun verstorbenen Schirmer aus der römischen Ccnnpagna beeinträchtigt durch
die bewegte, unruhige Auffassung den gehaltenen Charakter dieser südlichen
Natur, und Lindemann-Frommel läßt die Formen in einer schimmcngen
Beleuchtung allzusehr verschwimmen. Eine Umgebung von Athen von A. Löff-
ler war in der Erdbildung fest und von ruhiger Haltung, jedoch im Ton
etwas schwer und materiell; in den Bildern von A. Klose zeigt sich wenig¬
stens ein Talent für stilvolle Form. — Mit welcher Liebe und mit wie feinem
Verständniß die ältern nun verstorbenen Meister den vornehmen idealen Charak¬
ter der südlichen Landschaft hervorzukehren wußten, das zeigte die Ausstellung
recht deutlich an zwei ganz verschiedenen Beispielen: an Marko und Maril-
hat. Jener hatte noch die historische Auffassung, welche für die große Natur
eine bedeutsame ideale Staffage verlangt, und diese Art von lebendiger Erläu¬
terung der Landschaft erscheint uns nun zopfig, aber dabei ist in seiner Vege¬
tation, seinen Baumgruppen ein Schwung der Form, in seinen Lüften eine
Klarheit, in der Harmonie des Ganzen ein Zug, der uns lebhaft die schöpfe¬
rische Fülle und den reinen Himmel des Südens vergegenwärtigt. Marilbat
dagegen, der Landschafter, der uns nicht die seltsame, sondern die zauberhafte,
wunderbar leuchtende, in Frieden versunkene Welt des Orients veranschaulicht
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |