Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Erklärungen über bestehende locale Rechtsgewohnheiten. Sie erschienen in drei Bald nach dem Erscheinen der Rechtsalterthümer, während der dritte Band Sein nächstes umfassendes Werk war das Buch über "Reinhard Fuchs", Von noch durchgreifenderer Bedeutung war die "Deutsche Mythologie", Erklärungen über bestehende locale Rechtsgewohnheiten. Sie erschienen in drei Bald nach dem Erscheinen der Rechtsalterthümer, während der dritte Band Sein nächstes umfassendes Werk war das Buch über „Reinhard Fuchs", Von noch durchgreifenderer Bedeutung war die „Deutsche Mythologie", <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116230"/> <p xml:id="ID_1024" prev="#ID_1023"> Erklärungen über bestehende locale Rechtsgewohnheiten. Sie erschienen in drei<lb/> Bänden von 1840—1842, und noch in diesem Jahre ist ein vierter hinzu¬<lb/> getreten. Auch auf diesem Felde ist kein Jurist im Stande gewesen, mit<lb/> Grimm zu wetteifern. Leider ist die Nutzbarkeit und damit die Benutzung des<lb/> Werkes sehr beeinträchtigt durch das Fehlen eines Registers, und so dürfte es<lb/> nur wenige Rechtskundige geben, die es zu gebrauchen'verstehen. Auch in klei¬<lb/> neren Abhandlungen hat Grimm noch manchen Beitrag zu den hier in Frage<lb/> kommenden Gegenständen geliefert, so z. B. durch den Aussatz „über die Grenz¬<lb/> alterthümer".</p><lb/> <p xml:id="ID_1025"> Bald nach dem Erscheinen der Rechtsalterthümer, während der dritte Band<lb/> der Grammatik im Drucke war, folgten die Brüder Grimm einem Rufe an die<lb/> Universität Göttingen. Nur ungern vertauschten sie die Heimath mit der<lb/> fremden Stadt und die Ruhe und Muße des bibliothekarischen Stilllebens mit<lb/> der anstrengenden Thätigkeit des akademischen Lehramtes. In diese Zeit fällt<lb/> noch die Herausgabe der „althochdeutscher Hymnen" durch Jacob.</p><lb/> <p xml:id="ID_1026"> Sein nächstes umfassendes Werk war das Buch über „Reinhard Fuchs",<lb/> Berlin 1834, das er wohl selber für eine seiner besten Arbeiten zu erklären<lb/> pflegte; und allerdings muß man sagen, daß sein feiner poetischer Sinn, sein<lb/> in die Tiefen der Erscheinungen eindringender Spürgeist, seine scharfsinnige<lb/> Combinationsgabe und die Kunst gefangennehmender Darstellung kaum in<lb/> einem zweiten Werke so glänzend vereinigt sind wie in diesem. Grimm fand<lb/> bekanntlich den Hintergrund zu den Erzählungen von Reinhard in einer uralten<lb/> im Volke lebendig sortgedichteten Thiersagc, die dem noch vertraulicheren Zu¬<lb/> sammenleben der Menschen mit den Thieren des Waldes ihren Ursprung ver¬<lb/> dankte und noch heute Spuren des Geistes und Lebens jener Urzeiten athme.<lb/> Zu den in jenem Werke herausgegebenen Gedichten des Glichesäre fand Grimm<lb/> später die schon früher scharfsinnig vermuthete ältere Vorlage, und er gab<lb/> diese heraus in dem „Sendschreiben an Karl Lachmann", Leipzig 1840, mit<lb/> welchem er diesen zu seinem Geburtstage überraschte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1027" next="#ID_1028"> Von noch durchgreifenderer Bedeutung war die „Deutsche Mythologie",<lb/> die im Jahre darauf (1835) erschien. Hatte er in der Grammatik und den<lb/> Rechtsalterthümern neue wissenschaftliche Disciplinen und neue Methoden der<lb/> Behandlung geschaffen, so galt es hier die Gründung einer vollkommen neuen<lb/> Wissenschaft. Die Existenz einer deutschen Mythologie, die Möglichkeit ihrer<lb/> Rccvnstruirung hatte man bis dahin, uns heute geradezu unbegreiflich, offen<lb/> geläugnet: „was von besondern Göttern unangetastet blieb, pflegte man, um<lb/> ihrer nur bald los zu werden, als gallische oder slavische zu betrachten, wie<lb/> Landstreicher auf Schub weiter geschickt werden; mag der Nachbar zusehen, was<lb/> er mit dem Gesindel anfange." Die Mythologie ist vielleicht das Hauptwerk<lb/> Jacob Grimms. Zu keiner Arbeit war seine natürliche Anlage so geschaffen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
Erklärungen über bestehende locale Rechtsgewohnheiten. Sie erschienen in drei
Bänden von 1840—1842, und noch in diesem Jahre ist ein vierter hinzu¬
getreten. Auch auf diesem Felde ist kein Jurist im Stande gewesen, mit
Grimm zu wetteifern. Leider ist die Nutzbarkeit und damit die Benutzung des
Werkes sehr beeinträchtigt durch das Fehlen eines Registers, und so dürfte es
nur wenige Rechtskundige geben, die es zu gebrauchen'verstehen. Auch in klei¬
neren Abhandlungen hat Grimm noch manchen Beitrag zu den hier in Frage
kommenden Gegenständen geliefert, so z. B. durch den Aussatz „über die Grenz¬
alterthümer".
Bald nach dem Erscheinen der Rechtsalterthümer, während der dritte Band
der Grammatik im Drucke war, folgten die Brüder Grimm einem Rufe an die
Universität Göttingen. Nur ungern vertauschten sie die Heimath mit der
fremden Stadt und die Ruhe und Muße des bibliothekarischen Stilllebens mit
der anstrengenden Thätigkeit des akademischen Lehramtes. In diese Zeit fällt
noch die Herausgabe der „althochdeutscher Hymnen" durch Jacob.
Sein nächstes umfassendes Werk war das Buch über „Reinhard Fuchs",
Berlin 1834, das er wohl selber für eine seiner besten Arbeiten zu erklären
pflegte; und allerdings muß man sagen, daß sein feiner poetischer Sinn, sein
in die Tiefen der Erscheinungen eindringender Spürgeist, seine scharfsinnige
Combinationsgabe und die Kunst gefangennehmender Darstellung kaum in
einem zweiten Werke so glänzend vereinigt sind wie in diesem. Grimm fand
bekanntlich den Hintergrund zu den Erzählungen von Reinhard in einer uralten
im Volke lebendig sortgedichteten Thiersagc, die dem noch vertraulicheren Zu¬
sammenleben der Menschen mit den Thieren des Waldes ihren Ursprung ver¬
dankte und noch heute Spuren des Geistes und Lebens jener Urzeiten athme.
Zu den in jenem Werke herausgegebenen Gedichten des Glichesäre fand Grimm
später die schon früher scharfsinnig vermuthete ältere Vorlage, und er gab
diese heraus in dem „Sendschreiben an Karl Lachmann", Leipzig 1840, mit
welchem er diesen zu seinem Geburtstage überraschte.
Von noch durchgreifenderer Bedeutung war die „Deutsche Mythologie",
die im Jahre darauf (1835) erschien. Hatte er in der Grammatik und den
Rechtsalterthümern neue wissenschaftliche Disciplinen und neue Methoden der
Behandlung geschaffen, so galt es hier die Gründung einer vollkommen neuen
Wissenschaft. Die Existenz einer deutschen Mythologie, die Möglichkeit ihrer
Rccvnstruirung hatte man bis dahin, uns heute geradezu unbegreiflich, offen
geläugnet: „was von besondern Göttern unangetastet blieb, pflegte man, um
ihrer nur bald los zu werden, als gallische oder slavische zu betrachten, wie
Landstreicher auf Schub weiter geschickt werden; mag der Nachbar zusehen, was
er mit dem Gesindel anfange." Die Mythologie ist vielleicht das Hauptwerk
Jacob Grimms. Zu keiner Arbeit war seine natürliche Anlage so geschaffen.
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