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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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gleichen Nachforschungen liederlichen Dirnen und Prostituirten aufzutragen: je¬
der barbarische und noch so wilde Ritus wäre gelinder gewesen, als seine Ge¬
danken!" Auch sein Freund Otho. den nach seiner Thronbesteigung die Er¬
scheinung Gathas beunruhigte, nahm seine Zuflucht zum magischen Banne.
Von Karakalla erzählt Herodian: "Da er mißtrauisch gegen jedermann war.
da er überall Nachstellungen befürchtete, so befragte er alle Orakel und berief
allenthalben her Magier. Sternkundige und Opferschauer. Da er sie aber im
Verdacht hatte, daß sie ihm zu Gefallen redeten und keine echten Orakelsprüche
ihm verkündigten, so schrieb er einem gewissen Maternianus. dem er damals
die Oberaufsicht über Rom anvertraut hatte, und den er allein zum Vertrauten
seiner Geheimnisse machte. Ihm gab er den Auftrag, durch die geschicktesten
Magier Todte beschwören und nach seinem Lebensziele forschen zu lassen und
ob niemand nach der Oberherrschaft trachte." Eine innerlich ganz unwahr¬
scheinliche Erdichtung enthält die erwähnte Declamation Quintilians; dennoch
läßt sich aus ihr auf den Glauben der Zeit schließen. Jene Mutter, die durch
die nächtliche Wiederkehr ihres Sohnes getröstet wurde, macht endlich ihrem
Manne davon Mittheilung und dieser glaubt zwar nicht an die Erscheinung
der Geister, ja nicht einmal an die Fortexistenz derselben nach dem Tode, wen¬
det sich aber dennoch, um Ruhe im Hause zu haben, an einen berühmten Ma¬
gier, der den widerstrebenden Schatten durch seine in den Aschenkmg hinein¬
gemurmelten Sprüche bannt und der Mutter dadurch wieder raubt. Auch bei
Lukian findet sich die Austreibung eines Hausgespenstes beschrieben. Wie in
der von Plinius überlieferten Spukgeschichte wagt sich hier der Pythagoräer
Arignotos. mit einer ägyptischen Zauberagende bewaffnet, in ein wegen Ge¬
spensterspuks verrufenes und deshalb verfallnes Haus. Als der Dämon vor
dem brennenden Lichte in schwarzer, schmutziger, haariger Gestalt erschien,
wählte dann der Beschwörer den schauerlichsten Bannspruch und trieb den Geist,
der sich bald in einen Hund, einen Stier oder einen Löwen verwandelte, in
einen finstern Winkel des Hauses, wo er verschwand, und wo man am andern
Tage beim Nachgraben ein Gerippe fand. Ueber das Ueberhandnehmen des
Seelenzwangs in der späteren Zeit schreibt auch Tertulliaru "Es ist bereits ein
öffentliches Unterrichtsfach, welches verspricht, auch in reifem Alter abgeschiedene,
durch einen redlichen Tod erlöste, durch ordentliches Begräbniß zur Ruhe ge¬
brachte Seelen aus der Wohnung der Unterirdischen wieder heraufzubeschwören."

Die christliche Kirche läugnete die Möglichkeit der Nekromantie nicht,
schrieb aber die erzielten Erfolge auf Beistand der bösen Geister und verdammte
deshalb die Kunst, wie alle Zauberei, als arge Sünde. Bald kam dann frei¬
lich die Zeit, wo die Theologie Hand in Hand ging mit der Rockenphilosophie,
wo Weihkxssel und christliche Bannformeln gegen die Gespenster angewandt
wurden, wo endlich der Unglaube in dieser Hinsicht für unchristlich galt. Die
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gleichen Nachforschungen liederlichen Dirnen und Prostituirten aufzutragen: je¬
der barbarische und noch so wilde Ritus wäre gelinder gewesen, als seine Ge¬
danken!" Auch sein Freund Otho. den nach seiner Thronbesteigung die Er¬
scheinung Gathas beunruhigte, nahm seine Zuflucht zum magischen Banne.
Von Karakalla erzählt Herodian: „Da er mißtrauisch gegen jedermann war.
da er überall Nachstellungen befürchtete, so befragte er alle Orakel und berief
allenthalben her Magier. Sternkundige und Opferschauer. Da er sie aber im
Verdacht hatte, daß sie ihm zu Gefallen redeten und keine echten Orakelsprüche
ihm verkündigten, so schrieb er einem gewissen Maternianus. dem er damals
die Oberaufsicht über Rom anvertraut hatte, und den er allein zum Vertrauten
seiner Geheimnisse machte. Ihm gab er den Auftrag, durch die geschicktesten
Magier Todte beschwören und nach seinem Lebensziele forschen zu lassen und
ob niemand nach der Oberherrschaft trachte." Eine innerlich ganz unwahr¬
scheinliche Erdichtung enthält die erwähnte Declamation Quintilians; dennoch
läßt sich aus ihr auf den Glauben der Zeit schließen. Jene Mutter, die durch
die nächtliche Wiederkehr ihres Sohnes getröstet wurde, macht endlich ihrem
Manne davon Mittheilung und dieser glaubt zwar nicht an die Erscheinung
der Geister, ja nicht einmal an die Fortexistenz derselben nach dem Tode, wen¬
det sich aber dennoch, um Ruhe im Hause zu haben, an einen berühmten Ma¬
gier, der den widerstrebenden Schatten durch seine in den Aschenkmg hinein¬
gemurmelten Sprüche bannt und der Mutter dadurch wieder raubt. Auch bei
Lukian findet sich die Austreibung eines Hausgespenstes beschrieben. Wie in
der von Plinius überlieferten Spukgeschichte wagt sich hier der Pythagoräer
Arignotos. mit einer ägyptischen Zauberagende bewaffnet, in ein wegen Ge¬
spensterspuks verrufenes und deshalb verfallnes Haus. Als der Dämon vor
dem brennenden Lichte in schwarzer, schmutziger, haariger Gestalt erschien,
wählte dann der Beschwörer den schauerlichsten Bannspruch und trieb den Geist,
der sich bald in einen Hund, einen Stier oder einen Löwen verwandelte, in
einen finstern Winkel des Hauses, wo er verschwand, und wo man am andern
Tage beim Nachgraben ein Gerippe fand. Ueber das Ueberhandnehmen des
Seelenzwangs in der späteren Zeit schreibt auch Tertulliaru „Es ist bereits ein
öffentliches Unterrichtsfach, welches verspricht, auch in reifem Alter abgeschiedene,
durch einen redlichen Tod erlöste, durch ordentliches Begräbniß zur Ruhe ge¬
brachte Seelen aus der Wohnung der Unterirdischen wieder heraufzubeschwören."

Die christliche Kirche läugnete die Möglichkeit der Nekromantie nicht,
schrieb aber die erzielten Erfolge auf Beistand der bösen Geister und verdammte
deshalb die Kunst, wie alle Zauberei, als arge Sünde. Bald kam dann frei¬
lich die Zeit, wo die Theologie Hand in Hand ging mit der Rockenphilosophie,
wo Weihkxssel und christliche Bannformeln gegen die Gespenster angewandt
wurden, wo endlich der Unglaube in dieser Hinsicht für unchristlich galt. Die
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/275>, abgerufen am 15.01.2025.