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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Cicero). Ferner ein Bestreben, Ansichten aufzustellen, die den bisherigen stracks
zuwiderlaufen, und seine neue Auffassung möglichst auf die Spitze zu treiben.
Ein weiterer Vorwurf der Tadler ist, daß Mommsen sich nicht begnügt,
an unzulängliche Zeugnisse den Maßstab eines gereifteren politischen Urtheils
zu legen, sondern, oft achtbaren Quellen zum Hohn, Zeitgemälde entworfen
habe, zu denen mehr leidenschaftliche Parteinahme als besonnene Prüfung des
Ueberlieferten die Farben geliehen. Dann werfen diese ihm die oft sehr
moderne Auffassung antiker Verhältnisse vor, die sich auch in der Sprache ab¬
spiegelt. Am meisten aber endlich tadeln sie Mommsens Manier, oft gerade
bei Aufstellung recht paradoxer Behauptungen künftige Gegner derselben durch
Spott und insolente Trümpfe im Voraus einzuschüchtern.

Nicht leicht wird ein Gegner Mommsens die oben angedeuteten Vorzüge
des Werks, nicht leicht aber auch einer seiner Freunde dessen Schwächen un¬
bedingt abzulciugnen wagen: so hart stoßen beide an einander. Wir unserer¬
seits meinen, daß das Werk jener Mängel entkleidet einen guten Theil von
dem Zauber seiner Originalität einbüßen würde, und besorgen von ihnen nicht
sowohl Schaden für reife Leser, als Schaden für unreife Nachahmer.

Näher liegt freilich die Gefahr für die, welche da meinen, aus Mommsen
römische Geschichte erst lernen zu können; diese hatte Herr Peter bei Abfassung
seiner Schrift vorzugsweise im Auge, deren Zweck es sein soll, den schädlichen
Einfluß des mommsenschen Werks von den Gymnasiasten fern zu halten. Die
grünen Blätter haben sich nie mit Pädagogik befaßt, möchten aber dem beschei¬
denen Zweifel Raum gönnen, ob es ein angemessenes Erziehungsmittel sei, der
Jugend als Gegengift eine, wenn auch in den anständigsten Formen gehaltene,
Polemische Schrift in die Hand zu drücken, und ob jener Zweck nicht sicherer
dadurch erreicht werde, daß man den Lernenden auf Schweglers römische Ge¬
schichte hinweist, ein anerkanntes Meisterwerk, das wie kein anderes Buch ge¬
eignet ist, in die Untersuchung einzuführen und M selbstthätigem Forschen
anzuregen.

Doch dieses Bedenken trifft nur das Vorwort, nicht den Inhalt der pe-
terschen Schrift. In dieser sind mit sicherem Takte drei Episoden der römischen
Geschichte ausgewählt, mit denen die verwundbarsten Partien des mommsen¬
schen Werkes verwebt sind. Als solche erscheinen uns nämlich: die Herabziehung
der karthagischen Negierung neben Hannibal, dessen Bild dadurch freilich um
so leuchtender hervortritt; die schiefe Auffassung der Stellung des Pompejus
zur Senatspartei, die für Mommsen den Weg bahnt, um über ihn zur größeren
Ehre Cäsars ein politisches Verdammungsurtheil auszusprechen, wie es schärfer
kaum gedacht werden kann; endlich und vor Allem die schnöde Verunglimpfung
der Achäer, die den Römern gegenüber nach Mommsen immer das" Lamm sind,
welches dem Wolfe das Wasser trübt.


Grenzboten IV. 1863. 3

Cicero). Ferner ein Bestreben, Ansichten aufzustellen, die den bisherigen stracks
zuwiderlaufen, und seine neue Auffassung möglichst auf die Spitze zu treiben.
Ein weiterer Vorwurf der Tadler ist, daß Mommsen sich nicht begnügt,
an unzulängliche Zeugnisse den Maßstab eines gereifteren politischen Urtheils
zu legen, sondern, oft achtbaren Quellen zum Hohn, Zeitgemälde entworfen
habe, zu denen mehr leidenschaftliche Parteinahme als besonnene Prüfung des
Ueberlieferten die Farben geliehen. Dann werfen diese ihm die oft sehr
moderne Auffassung antiker Verhältnisse vor, die sich auch in der Sprache ab¬
spiegelt. Am meisten aber endlich tadeln sie Mommsens Manier, oft gerade
bei Aufstellung recht paradoxer Behauptungen künftige Gegner derselben durch
Spott und insolente Trümpfe im Voraus einzuschüchtern.

Nicht leicht wird ein Gegner Mommsens die oben angedeuteten Vorzüge
des Werks, nicht leicht aber auch einer seiner Freunde dessen Schwächen un¬
bedingt abzulciugnen wagen: so hart stoßen beide an einander. Wir unserer¬
seits meinen, daß das Werk jener Mängel entkleidet einen guten Theil von
dem Zauber seiner Originalität einbüßen würde, und besorgen von ihnen nicht
sowohl Schaden für reife Leser, als Schaden für unreife Nachahmer.

Näher liegt freilich die Gefahr für die, welche da meinen, aus Mommsen
römische Geschichte erst lernen zu können; diese hatte Herr Peter bei Abfassung
seiner Schrift vorzugsweise im Auge, deren Zweck es sein soll, den schädlichen
Einfluß des mommsenschen Werks von den Gymnasiasten fern zu halten. Die
grünen Blätter haben sich nie mit Pädagogik befaßt, möchten aber dem beschei¬
denen Zweifel Raum gönnen, ob es ein angemessenes Erziehungsmittel sei, der
Jugend als Gegengift eine, wenn auch in den anständigsten Formen gehaltene,
Polemische Schrift in die Hand zu drücken, und ob jener Zweck nicht sicherer
dadurch erreicht werde, daß man den Lernenden auf Schweglers römische Ge¬
schichte hinweist, ein anerkanntes Meisterwerk, das wie kein anderes Buch ge¬
eignet ist, in die Untersuchung einzuführen und M selbstthätigem Forschen
anzuregen.

Doch dieses Bedenken trifft nur das Vorwort, nicht den Inhalt der pe-
terschen Schrift. In dieser sind mit sicherem Takte drei Episoden der römischen
Geschichte ausgewählt, mit denen die verwundbarsten Partien des mommsen¬
schen Werkes verwebt sind. Als solche erscheinen uns nämlich: die Herabziehung
der karthagischen Negierung neben Hannibal, dessen Bild dadurch freilich um
so leuchtender hervortritt; die schiefe Auffassung der Stellung des Pompejus
zur Senatspartei, die für Mommsen den Weg bahnt, um über ihn zur größeren
Ehre Cäsars ein politisches Verdammungsurtheil auszusprechen, wie es schärfer
kaum gedacht werden kann; endlich und vor Allem die schnöde Verunglimpfung
der Achäer, die den Römern gegenüber nach Mommsen immer das" Lamm sind,
welches dem Wolfe das Wasser trübt.


Grenzboten IV. 1863. 3
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/25>, abgerufen am 15.01.2025.