Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Liga, und nach beendeter Ceremonie kehrte er sich zum Volke mit der Auffor¬ Kurz nach 11 Uhr begann der Festzug, voran die Ordner, Herolde, Trom¬ "Ich entspreche dem Drange Meines Herzens, indem Ich den heutigen Liga, und nach beendeter Ceremonie kehrte er sich zum Volke mit der Auffor¬ Kurz nach 11 Uhr begann der Festzug, voran die Ordner, Herolde, Trom¬ „Ich entspreche dem Drange Meines Herzens, indem Ich den heutigen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0190" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116118"/> <p xml:id="ID_709" prev="#ID_708"> Liga, und nach beendeter Ceremonie kehrte er sich zum Volke mit der Auffor¬<lb/> derung, drei Vaterunser zu beten für den Kaiser, dessen Haus und das Vater¬<lb/> land. Nichts wäre leichter gewesen, als den Moment zu einer Kundgebung für<lb/> die Glaubenseinheit auszunützen, allein kein Schütze regte sich, und nachdem sich<lb/> der Kaiser noch mit einigen der ältesten unterhalten, fuhr er zurück in die Hofburg.</p><lb/> <p xml:id="ID_710"> Kurz nach 11 Uhr begann der Festzug, voran die Ordner, Herolde, Trom¬<lb/> peter und Pauker zu Pferd, dann die Armbrustschützen und die Schildhofer<lb/> aus Passeier mit Hellebarden, die Lunten- und Büchsenträger, die Soldaten des<lb/> dreißigjährigen Krieges, die Scharfschützen aus den beiden Hälften des acht¬<lb/> zehnten Jahrhunderts, die Lanzenträger, eine Fahne mit Trommel und Pfeife,<lb/> endlich die Zieler mit den Scheiben und Bestfahnen. Ihnen folgten die Jäger-<lb/> musif, die alte Fahne von Spinges und Andrä Hofer, der Ehrcnschild der k. k.<lb/> Armee, der Landesausschuß, die Stadtverordneten, das Festcomite, .die Ehren¬<lb/> gäste aus Oestreich und Deutschland, endlich die Schützen von Vorarlberg und<lb/> jene von Tirol in fünf Abtheilungen. Manches vergilbte Jesuitengesicht hatte<lb/> sich mit ausgestülptem Hut und den Stutzen linkisch am Arme unter die frohen<lb/> Schaaren gemischt, denn nun sollte es gelten, mit einem Male vor der Burg<lb/> niederzuknieen und dem Kaiser zuzurufen „Gib und erhalt uns die Glaubens¬<lb/> einheit!" Bildchen aus der Lithographie Kravogels waren mit dieser Inschrift<lb/> vertheilt, allein die Schützen blieben stumm und hatten für nichts Aug und<lb/> Ohr als für brüderlichen Gruß und die Krone des Festes, den Kaiser. Dieser<lb/> stand mit dem Erzherzog auf dem hohen Söller der Burg, betrachtete wohl¬<lb/> gefällig den heitern Zug und ergötzte sich an ihren Fahnen und Musikchören,<lb/> ihrem aufjauchzenden Hoch und Vivat und der leibhaftigen Braut Tirol, der<lb/> Marketenderin von Hopfgarten, die grüßend ihren Becher zu ihm empvrhielt.<lb/> Der einzige Versuch zu einem Act des Glaubens, der Aufruf des Pfarrers von<lb/> Schwarzach, der am äußersten Ende der Stadt vor einer Marienkirche zu einem<lb/> Hoch auf die.Muttergottes mahnte, damit sie die Glaubenseinhcit erbitte, blieb<lb/> ohne Erwiederung und kitzelte nur die Lachmuskeln der Spötter. Endlich nach<lb/> sieben Viertelstunden war der ganze Zug an der Schießstätte angelangt, freu¬<lb/> diger Zuruf und die von neununddreißig Musikchören angestimmte Volkshymne<lb/> empfingen den herbeigeholten Kaiser, den Anton Ritter von Streke, der Ober-<lb/> schützcnmeister, mit einer Anrede begrüßte. Ein Geist, ein Sinn, betheuerte er,<lb/> durchdringe die heute versammelten Männer Tirols, treu wie ihre Väter wollten<lb/> sie auch in Zukunft zu ihrem Kaiser stehen, entschlossen eintreten in die von<lb/> ihm eröffneten Bahnen und festhalten an dem verfassungsmäßigen einigen<lb/> Oestreich. Er endete mit einem dreimaligen Hoch auf den Kaiser. Se. Ma¬<lb/> jestät antwortete mit folgenden Worten:</p><lb/> <p xml:id="ID_711" next="#ID_712"> „Ich entspreche dem Drange Meines Herzens, indem Ich den heutigen<lb/> Tag in meinem lieben Tirol zubringe. Wir feiern heute die Erinnerung an</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0190]
Liga, und nach beendeter Ceremonie kehrte er sich zum Volke mit der Auffor¬
derung, drei Vaterunser zu beten für den Kaiser, dessen Haus und das Vater¬
land. Nichts wäre leichter gewesen, als den Moment zu einer Kundgebung für
die Glaubenseinheit auszunützen, allein kein Schütze regte sich, und nachdem sich
der Kaiser noch mit einigen der ältesten unterhalten, fuhr er zurück in die Hofburg.
Kurz nach 11 Uhr begann der Festzug, voran die Ordner, Herolde, Trom¬
peter und Pauker zu Pferd, dann die Armbrustschützen und die Schildhofer
aus Passeier mit Hellebarden, die Lunten- und Büchsenträger, die Soldaten des
dreißigjährigen Krieges, die Scharfschützen aus den beiden Hälften des acht¬
zehnten Jahrhunderts, die Lanzenträger, eine Fahne mit Trommel und Pfeife,
endlich die Zieler mit den Scheiben und Bestfahnen. Ihnen folgten die Jäger-
musif, die alte Fahne von Spinges und Andrä Hofer, der Ehrcnschild der k. k.
Armee, der Landesausschuß, die Stadtverordneten, das Festcomite, .die Ehren¬
gäste aus Oestreich und Deutschland, endlich die Schützen von Vorarlberg und
jene von Tirol in fünf Abtheilungen. Manches vergilbte Jesuitengesicht hatte
sich mit ausgestülptem Hut und den Stutzen linkisch am Arme unter die frohen
Schaaren gemischt, denn nun sollte es gelten, mit einem Male vor der Burg
niederzuknieen und dem Kaiser zuzurufen „Gib und erhalt uns die Glaubens¬
einheit!" Bildchen aus der Lithographie Kravogels waren mit dieser Inschrift
vertheilt, allein die Schützen blieben stumm und hatten für nichts Aug und
Ohr als für brüderlichen Gruß und die Krone des Festes, den Kaiser. Dieser
stand mit dem Erzherzog auf dem hohen Söller der Burg, betrachtete wohl¬
gefällig den heitern Zug und ergötzte sich an ihren Fahnen und Musikchören,
ihrem aufjauchzenden Hoch und Vivat und der leibhaftigen Braut Tirol, der
Marketenderin von Hopfgarten, die grüßend ihren Becher zu ihm empvrhielt.
Der einzige Versuch zu einem Act des Glaubens, der Aufruf des Pfarrers von
Schwarzach, der am äußersten Ende der Stadt vor einer Marienkirche zu einem
Hoch auf die.Muttergottes mahnte, damit sie die Glaubenseinhcit erbitte, blieb
ohne Erwiederung und kitzelte nur die Lachmuskeln der Spötter. Endlich nach
sieben Viertelstunden war der ganze Zug an der Schießstätte angelangt, freu¬
diger Zuruf und die von neununddreißig Musikchören angestimmte Volkshymne
empfingen den herbeigeholten Kaiser, den Anton Ritter von Streke, der Ober-
schützcnmeister, mit einer Anrede begrüßte. Ein Geist, ein Sinn, betheuerte er,
durchdringe die heute versammelten Männer Tirols, treu wie ihre Väter wollten
sie auch in Zukunft zu ihrem Kaiser stehen, entschlossen eintreten in die von
ihm eröffneten Bahnen und festhalten an dem verfassungsmäßigen einigen
Oestreich. Er endete mit einem dreimaligen Hoch auf den Kaiser. Se. Ma¬
jestät antwortete mit folgenden Worten:
„Ich entspreche dem Drange Meines Herzens, indem Ich den heutigen
Tag in meinem lieben Tirol zubringe. Wir feiern heute die Erinnerung an
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