Daneben bereiteten die schwarzen Schützen, scheu vor dem strengen Auge des Lichtes, unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit ihre großen Action auf den 29, vor. Aus alten Thälern und Bergen. Städten und Dörfern hat¬ ten sie sich in Innsbruck ein Stelldichein gegeben. Wie gewöhnlich war auch jetzt wieder die "Traube" der Ort, wo der Geheimbund tagte. Josev.h Buen, der Pfarrer von Latsch. versammelte daselbst die "Verläßlichen" des Vintschgaus. andere fromme Hirten versickerten sich der treuen Schäflein der übrigen Gaue. Es wurde ihnen bekannt gegeben, daß sich am 29. eine Deputation in die Hofburg verfügen. dort die Bitte um die Gewährung der Giaubenseinheit vor¬ bringen, und wenn die Antwort ausweichend, sogleich ein Telegramm an den Kaiser verlangen werde Nur Ja oder Nein wollte man wissen, um sich dar¬ nach beim Schützenumzug zu ruhten. Im günstigen Falle wurde Jubel, im ablehnenden lautlose Trauer angeordnet. Für den 30. war eine Wallfahrt zur Gnadeumutter in Absam angesetzt, die durch Dank oder Bitte. Frohlocken oder Klage den Gefühlen des Herzens Ausdruck geben sollte. Keiner der Gott? geweihten dachte Wohl daran. ,wie ohnmächtig seine Worte in den Wind ver¬ hallen würden.
Schon frühzeitig lies am 28. cur Gerücht um. daß am folgenden Morgen ein Extrazug mit Festgästen aus München anlangen werde; später hieß es, nicht die Bürger der Capitale an der Jsar, wohl aber euren hohen Gast werde er bringen. Man vermuthete darunter den Mnig von Bayern oder den Her-' zog von Coburg, wenige dachten an den Kaiser. Da sah man plötzlich in später Abendstunde den Bürgermeister aus dem Salon des Erzherzogs, wo die Schü¬ tzenvorsteher versammelt waren, in freudiger Hast hervorstürzen, und wie am elektrischen Drahte zuckte es durch die Massen "der Kaiser kommt!" Nun ging ein Frohlocken und Jauchzen, ein Toastiren und Hochrufen auf allen Gassen, in allen Schänken und Gasthöfen an. Viele konnten in derselben Nacht gar nicht zur Ruhe kommen. Noch vor Tagesanbruch wurde unter Trommelschlag verkündet, Se, Majestät werde um halb sechs Uhr früh erwartet. Alles strömte dem Bahnhof zu, um d<n Kaiser mit eigenen Augen zu sehen und zu grüßen.
Die Kanonen donnerten, aber fast lauter noch scholl der Jubel, der ihn willkommen hieß. Alles drängte sich um seinen Wagen, nur Schritt für Schritt konnte er vorwärts, die Bauern wollten ihm zweimal die Pferde ausspannen, er stand aus und verwehrte es durch lebhafte Handbewegung. Dann ging es wie im Triumphe zur Hofburg, wo er sich auf dem Balkon dem Volke zeigte. Ein neuer Sturm der Freude erhob sich und wuchs mit jeder Minute, bis sich der Kaiser endlich zurückzog, um eine Zeit lang auszuruhen. Um halb neun wohnte er allen sichtbar in der Empvrkirchc der Pfarre dem feierlichen Gottes¬ dienste und von dort weg einer Feldmesse in der Jnfantenekascrne bei, die ein Veteran aus dem Jahr 1809 für die Schützen las. Es war einer der heiligen
Daneben bereiteten die schwarzen Schützen, scheu vor dem strengen Auge des Lichtes, unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit ihre großen Action auf den 29, vor. Aus alten Thälern und Bergen. Städten und Dörfern hat¬ ten sie sich in Innsbruck ein Stelldichein gegeben. Wie gewöhnlich war auch jetzt wieder die „Traube" der Ort, wo der Geheimbund tagte. Josev.h Buen, der Pfarrer von Latsch. versammelte daselbst die „Verläßlichen" des Vintschgaus. andere fromme Hirten versickerten sich der treuen Schäflein der übrigen Gaue. Es wurde ihnen bekannt gegeben, daß sich am 29. eine Deputation in die Hofburg verfügen. dort die Bitte um die Gewährung der Giaubenseinheit vor¬ bringen, und wenn die Antwort ausweichend, sogleich ein Telegramm an den Kaiser verlangen werde Nur Ja oder Nein wollte man wissen, um sich dar¬ nach beim Schützenumzug zu ruhten. Im günstigen Falle wurde Jubel, im ablehnenden lautlose Trauer angeordnet. Für den 30. war eine Wallfahrt zur Gnadeumutter in Absam angesetzt, die durch Dank oder Bitte. Frohlocken oder Klage den Gefühlen des Herzens Ausdruck geben sollte. Keiner der Gott? geweihten dachte Wohl daran. ,wie ohnmächtig seine Worte in den Wind ver¬ hallen würden.
Schon frühzeitig lies am 28. cur Gerücht um. daß am folgenden Morgen ein Extrazug mit Festgästen aus München anlangen werde; später hieß es, nicht die Bürger der Capitale an der Jsar, wohl aber euren hohen Gast werde er bringen. Man vermuthete darunter den Mnig von Bayern oder den Her-' zog von Coburg, wenige dachten an den Kaiser. Da sah man plötzlich in später Abendstunde den Bürgermeister aus dem Salon des Erzherzogs, wo die Schü¬ tzenvorsteher versammelt waren, in freudiger Hast hervorstürzen, und wie am elektrischen Drahte zuckte es durch die Massen „der Kaiser kommt!" Nun ging ein Frohlocken und Jauchzen, ein Toastiren und Hochrufen auf allen Gassen, in allen Schänken und Gasthöfen an. Viele konnten in derselben Nacht gar nicht zur Ruhe kommen. Noch vor Tagesanbruch wurde unter Trommelschlag verkündet, Se, Majestät werde um halb sechs Uhr früh erwartet. Alles strömte dem Bahnhof zu, um d<n Kaiser mit eigenen Augen zu sehen und zu grüßen.
Die Kanonen donnerten, aber fast lauter noch scholl der Jubel, der ihn willkommen hieß. Alles drängte sich um seinen Wagen, nur Schritt für Schritt konnte er vorwärts, die Bauern wollten ihm zweimal die Pferde ausspannen, er stand aus und verwehrte es durch lebhafte Handbewegung. Dann ging es wie im Triumphe zur Hofburg, wo er sich auf dem Balkon dem Volke zeigte. Ein neuer Sturm der Freude erhob sich und wuchs mit jeder Minute, bis sich der Kaiser endlich zurückzog, um eine Zeit lang auszuruhen. Um halb neun wohnte er allen sichtbar in der Empvrkirchc der Pfarre dem feierlichen Gottes¬ dienste und von dort weg einer Feldmesse in der Jnfantenekascrne bei, die ein Veteran aus dem Jahr 1809 für die Schützen las. Es war einer der heiligen
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[0189]
Daneben bereiteten die schwarzen Schützen, scheu vor dem strengen Auge
des Lichtes, unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit ihre großen Action
auf den 29, vor. Aus alten Thälern und Bergen. Städten und Dörfern hat¬
ten sie sich in Innsbruck ein Stelldichein gegeben. Wie gewöhnlich war auch jetzt
wieder die „Traube" der Ort, wo der Geheimbund tagte. Josev.h Buen, der
Pfarrer von Latsch. versammelte daselbst die „Verläßlichen" des Vintschgaus.
andere fromme Hirten versickerten sich der treuen Schäflein der übrigen Gaue.
Es wurde ihnen bekannt gegeben, daß sich am 29. eine Deputation in die
Hofburg verfügen. dort die Bitte um die Gewährung der Giaubenseinheit vor¬
bringen, und wenn die Antwort ausweichend, sogleich ein Telegramm an den
Kaiser verlangen werde Nur Ja oder Nein wollte man wissen, um sich dar¬
nach beim Schützenumzug zu ruhten. Im günstigen Falle wurde Jubel, im
ablehnenden lautlose Trauer angeordnet. Für den 30. war eine Wallfahrt zur
Gnadeumutter in Absam angesetzt, die durch Dank oder Bitte. Frohlocken oder
Klage den Gefühlen des Herzens Ausdruck geben sollte. Keiner der Gott?
geweihten dachte Wohl daran. ,wie ohnmächtig seine Worte in den Wind ver¬
hallen würden.
Schon frühzeitig lies am 28. cur Gerücht um. daß am folgenden Morgen
ein Extrazug mit Festgästen aus München anlangen werde; später hieß es,
nicht die Bürger der Capitale an der Jsar, wohl aber euren hohen Gast werde
er bringen. Man vermuthete darunter den Mnig von Bayern oder den Her-'
zog von Coburg, wenige dachten an den Kaiser. Da sah man plötzlich in später
Abendstunde den Bürgermeister aus dem Salon des Erzherzogs, wo die Schü¬
tzenvorsteher versammelt waren, in freudiger Hast hervorstürzen, und wie am
elektrischen Drahte zuckte es durch die Massen „der Kaiser kommt!" Nun ging
ein Frohlocken und Jauchzen, ein Toastiren und Hochrufen auf allen Gassen,
in allen Schänken und Gasthöfen an. Viele konnten in derselben Nacht gar
nicht zur Ruhe kommen. Noch vor Tagesanbruch wurde unter Trommelschlag
verkündet, Se, Majestät werde um halb sechs Uhr früh erwartet. Alles strömte
dem Bahnhof zu, um d<n Kaiser mit eigenen Augen zu sehen und zu grüßen.
Die Kanonen donnerten, aber fast lauter noch scholl der Jubel, der ihn
willkommen hieß. Alles drängte sich um seinen Wagen, nur Schritt für Schritt
konnte er vorwärts, die Bauern wollten ihm zweimal die Pferde ausspannen,
er stand aus und verwehrte es durch lebhafte Handbewegung. Dann ging es
wie im Triumphe zur Hofburg, wo er sich auf dem Balkon dem Volke zeigte.
Ein neuer Sturm der Freude erhob sich und wuchs mit jeder Minute, bis sich
der Kaiser endlich zurückzog, um eine Zeit lang auszuruhen. Um halb neun
wohnte er allen sichtbar in der Empvrkirchc der Pfarre dem feierlichen Gottes¬
dienste und von dort weg einer Feldmesse in der Jnfantenekascrne bei, die ein
Veteran aus dem Jahr 1809 für die Schützen las. Es war einer der heiligen
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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/189>, abgerufen am 24.01.2025.
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